VwGH Ra 2017/18/0419

VwGHRa 2017/18/041914.2.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des D B B, in S, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2017, Zl. W111 2168666- 1/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 1997 §13 Abs2;
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180419.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 11. Oktober 2004 Asyl in Österreich gewährt und unter einem festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. September 2016, wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des (versuchten) Mordes nach §§ 1575 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren verurteilt.

3 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 4. August 2017 wurde dem Revisionswerber der zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Revisionswerber die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Revisionswerber nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gegen den Revisionswerber wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

4 Begründend führte das BFA aus, dass fallgegenständlich ein abstrakt und konkret besonders schweres Verbrechen vorliege. In Gesamtschau aller Umstände habe keinesfalls eine positive Zukunftsprognose ausgestellt werden können, weshalb die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 erfüllt und der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen sei.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 5. Oktober 2017 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt AI.), die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheids behoben und die Angelegenheit insoweit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen (Spruchpunkt AII.) Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

6 Begründend führte das BVwG aus, dass es sich bei versuchtem Mord gemäß § 15, 75 StGB um ein abstrakt besonders schweres Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 handle. Auch konkret sei die Verurteilung als besonders schweres Verbrechen zu qualifizieren, da der Revisionswerber heimtückisch gegen sein Opfer gehandelt habe, indem er dieses - ohne erkennbaren Anlass während es Kurznachrichten auf seinem Handy gelesen habe - von hinten mit mehreren Messerstichen attackiert habe. Der Revisionswerber habe sich im Strafverfahren mit einer mit dem übrigen Beweisverfahren keineswegs in Einklang zu bringenden Notwehrsituation verantwortet und sich nicht geständig gezeigt. Da er bis zuletzt kein vernünftiges oder nachvollziehbares Motiv habe nennen können, sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber aus nichtigem Anlass ein derart schweres Verbrechen begangen habe. Eine positive Zukunftsprognose sei im konkreten Fall auszuschließen und aufgrund der dargestellten Umstände der Tatbegehung weiterhin von einer vom Revisionswerber ausgehenden Gefahr für die Gemeinschaft auszugehen, weshalb auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 erfüllt seien. Weiters zeige auch die Beschwerde nicht auf, welche Ausführungen der Revisionswerber bei einer persönlichen Einvernahme hätte treffen wollen, welche ein anderslautendes Verfahrensergebnis im Hinblick auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten möglich erscheinen ließen.

7 Gegen Spruchpunkt A.I. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung eine Verletzung der Verhandlungspflicht moniert wird.

8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Nach der Rechtsprechung des VwGH müssen für die Anwendung des § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 (entspricht § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005) kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwer wiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (vgl. zu alldem VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626, mwN).

13 Fallgegenständlich hat der Revisionswerber nicht substantiiert dargelegt, was das BVwG bei der Zukunftsprognose fallbezogen konkret zu berücksichtigen gehabt hätte, das zu einer anderen Prognoseentscheidung hätte führen können. Da der Revisionswerber folglich nicht ausgeführt hat, inwieweit der Sachverhalt als nicht geklärt anzusehen sei, konnte seitens des BVwG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Februar 2018

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