VwGH Ra 2017/17/0722

VwGHRa 2017/17/072214.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des R Y in L, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. Februar 2017, LVwG-S-702/001-2015, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §34 Abs3;
VwGVG 2014 §43 Abs2;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170722.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH vom 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f, vom 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff, vom 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff, sowie vom 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17 , Rn. 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

5 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH vom 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17 , Rn. 55).

6 Weiters bringt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, das Straferkenntnis sei im Zeitpunkt der Entscheidung aufgrund des Ablaufs der 15- monatigen Frist gemäß § 43 VwGVG bereits außer Kraft getreten, weil dem Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. März 2016 nicht zu entnehmen sei, auf welches Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof er sich beziehe und ihm daher keine fristenhemmende Wirkung zukäme.

7 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) hat mit Beschluss vom 1. März 2016 (dem Revisionswerber zugestellt am 3. März 2016) das Verfahren über die Beschwerde des Revisionswerbers vom 11. März 2015 gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG ausgesetzt, ohne im Spruch das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren, bis zu dessen Entscheidung die Aussetzung verfügt wurde, zu bezeichnen. Aus der Begründung des Aussetzungsbeschlusses geht jedoch klar hervor, dass sich die verfügte Aussetzung auf das zu Ro 2016/17/0002 anhängige Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des LVwG vom 9. November 2015, LVwG-S-711/001-2014, bezieht.

8 Gemäß dem Gebot der ausreichenden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Spruchs (§ 59 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG) hat das Verwaltungsgericht in einem Aussetzungsbeschluss gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG präzise zum Ausdruck zu bringen, bis zur Entscheidung in welchem konkreten Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Aussetzung verfügt wird (vgl. VwGH 23.11.1988, 88/01/0176, zu einem Aussetzungsbescheid nach § 38 AVG).

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Spruch einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Zusammenhang mit dessen Begründung zu verstehen, wenn wegen der Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestehen (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0039, mwN). Die Begründung einer Entscheidung kann daher zur Auslegung eines Spruchs einer rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, dessen Inhalt für sich allein betrachtet Zweifel offen lässt, herangezogen werden (vgl. VwGH 15.12.2010, 2010/12/0089).

10 Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich aus der Begründung des Aussetzungsbeschlusses hinreichend klar, auf welches Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sich der Aussetzungsbeschluss gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bezieht. Insofern kommt diesem Beschluss eine fristhemmende Wirkung gemäß § 43 Abs. 2 VwGVG zu.

11 Das gegenständliche Verfahren war daher von 3. März 2016 bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 2016 an das LVwG am 17. November 2016 ausgesetzt (§ 34 Abs. 3 vorletzter Satz VwGVG). Diese Zeit ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGVG in die 15-monatige Verjährungsfrist des § 43 Abs. 1 VwGVG nicht einzurechnen. Erst mit der Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht lief die - zum Zeitpunkt der Zustellung des Aussetzungsbeschlusses am 3. März 2016 noch verbliebene - restliche Verjährungsfrist weiter und war zum Zeitpunkt der Zustellung des die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 6. Februar 2015 abweisenden und nunmehr angefochtenen Erkenntnisses am 16. Februar 2017 (Ende der Verjährungsfrist: 27. Februar 2017) noch offen.

12 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 14. März 2018

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