VwGH Ra 2017/13/0040

VwGHRa 2017/13/004012.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der G in W, vertreten durch Dr. Georg Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 10/12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 25. April 2017, Zl. RV/7103409/2016, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2014 und 2015, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §34 Abs1;
EStG 1988 §34 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130040.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Streitpunkt des Revisionsfalles ist die Berücksichtigung von Aufwendungen der 1923 geborenen, behinderten Revisionswerberin (Bezug von Pflegegeld; Pflegestufe 2) für "Essen auf Rädern" als außergewöhnliche Belastung. In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 2014 und 2015 berücksichtigte das Finanzamt diese abzüglich einer Haushaltsersparnis als behinderungsbedingte Mehraufwendungen iSd § 34 Abs. 6 EStG 1988 geltend gemachten Aufwendungen nicht, wogegen die Revisionswerberin Beschwerden erhob.

2 In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am 20. April 2017 brachte der Vertreter der Revisionswerberin vor, die in dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 2016, Ro 2015/15/0009, vertretene Ansicht, den Aufwendungen für "Essen auf Rädern" fehle die im Gesetz vorausgesetzte Außergewöhnlichkeit, könne er (zu ergänzen: für den vorliegenden Fall) nicht teilen, weil bei "Beziehern von kleinen Pensionen im Sinne des ASVG" die Verköstigung außer Haus "sehr wohl außergewöhnlich" sei. Diese Personen müssten "auf Grund der geringen Pensionshöhe sehr haushalten mit ihrem Geld. Eine dauernde Verköstigung außer Haus sei für diese Personen teuer und daher sehr wohl außergewöhnlich". Er legte dazu ein von ihm am 13. Jänner 2017 an den damaligen Finanzminister gerichtetes Schreiben vor, in dem er u.a. dargelegt hatte, eine Person mit einer Einkommenssituation wie die Revisionswerberin gebe durchschnittlich nur EUR 5,-- für ein Mahlzeit aus. Durch die zwangsläufige Fremdversorgung erhöhe sich dieser Aufwand auf EUR 8,99.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden im Streitpunkt keine Folge. Es änderte den Bescheid für das Jahr 2014 - wie schon das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung - nur aus anderen Gründen geringfügig ab und ließ den das Jahr 2015 betreffenden Bescheid unverändert. Strittig sei "allein die Frage, ob die Aufwendungen für ‚Essen auf Rädern' außergewöhnlich sind und als solche daher nach Abzug einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden können".

4 Zur Begründung legte das Bundesfinanzgericht dar, Kosten für die eigene Verpflegung seien typische Kosten der Lebensführung, weshalb es dem - zwar behinderungsbedingt zwangsläufigen - Aufwand für "Essen auf Rädern" an der im Gesetz vorausgesetzten Außergewöhnlichkeit mangle. Hiezu verwies das Bundesfinanzgericht auf das schon erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es keineswegs außergewöhnlich sei, Mahlzeiten außerhalb des Hauses in Gaststätten einzunehmen, und auch dann, wenn im entschiedenen Fall die in einem Gasthaus zubereiteten Speisen nicht im Gasthaus, sondern zu Hause konsumiert worden seien, "dadurch keine behinderungsbedingten (vgl. insoweit auch VwGH vom 10. Februar 2016, 2013/15/0254, betreffend Haushaltshilfe im Falle einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit) Mehraufwendungen" entstanden seien.

5 Auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Revisionswerberin und die Frage einer Unterscheidung zwischen dem Aufwand für das Essen selbst und dem für seine Zustellung ging das Bundesfinanzgericht nicht ein. Eine Revision erklärte es im Hinblick auf das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 2016 für nicht zulässig.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Finanzamt eines Revisionsbeantwortung erstattet hat.

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig, weil das Bundesfinanzgericht - wie die Revision im Vorbringen zur Zulässigkeit noch erkennbar geltend macht - aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 2016 für den vorliegenden Fall nicht die richtigen Schlüsse gezogen hat.

9 Nach § 34 Abs. 1 Z 1 bis 3 EStG 1988 muss eine Belastung, um als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt zu werden, außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

10 Außergewöhnlich ist eine Belastung nach § 34 Abs. 2 EStG 1988, wenn sie "höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst".

11 Das die angefochtene Entscheidung tragende Argument des Bundesfinanzgerichtes ist die Verneinung der Außergewöhnlichkeit der Belastung der Revisionswerberin durch ihren Aufwand für "Essen auf Rädern".

12 Das Erkenntnis vom 15. September 2016, Ro 2015/15/0009, betraf einen Fall, in dem die Kosten der Essenszustellung nach der Darstellung in der erfolgreichen Amtsrevision gesondert - nämlich als Zeitaufwand des Mobilen Hilfsdienstes - abgerechnet und anerkannt worden waren. Strittig war der Aufwand für das Essen selbst. Der Verwaltungsgerichtshof legte aber dar, auch durch den Konsum zu Hause statt im Gasthaus, wo die Speisen jeweils zubereitet worden waren, seien keine behinderungsbedingten Mehraufwendungen entstanden. Er verwies dazu auf die Erörterung von Aufwendungen für eine Haushaltshilfe im Erkenntnis vom 10. Februar 2016, 2013/15/0254, 0255.

13 In dem Erkenntnis vom 10. Februar 2016 war zur behinderungsbedingten Beschäftigung einer Haushaltshilfe ausgeführt worden, der Aufwand dafür sei "kein Grund für eine Steuerermäßigung, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen die Beschäftigung einer Haushaltshilfe nicht mehr als außergewöhnlich erscheinen lassen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob eine Einkommens- oder Vermögenssituation vorliegt, bei der die Beschäftigung einer Haushaltshilfe ohnehin üblich ist". Eine außergewöhnliche Belastung könne "allerdings auch in diesen Fällen insoweit (...) vorliegen, als die durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit bedingte Betreuung über (...) eine normale Haushaltshilfe hinausgeht".

14 In dem mit dem Erkenntnis vom 10. Februar 2016 entschiedenen Fall konnte die belangte Behörde unwidersprochen davon ausgehen, dass die strittige Beschäftigung einer Haushaltshilfe im damals festgestellten Ausmaß "bei einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse vorzufinden" sei, weshalb die Aufwendungen das Kriterium der Außergewöhnlichkeit nicht erfüllten. Nichts anderes galt im Fall des Erkenntnisses vom 15. September 2016, in dem auf diese Ausführungen im Erkenntnis vom 10. Februar 2016 verwiesen wurde. Im Fall des Erkenntnisses vom 15. September 2016 hatte das Finanzamt in der Amtsrevision unwidersprochen vorgebracht, die alleinstehende mitbeteiligte Partei beziehe eine Pension in einer Höhe, bei der die strittigen Verpflegungskosten - einschließlich der Kosten für die Zustellung des Essens - nicht als außergewöhnlich anzusehen seien.

15 Maßstab für die Beurteilung der Außergewöhnlichkeit auch der Aufwendungen für "Essen auf Rädern" sind somit - nach dem Gesetzeswortlaut und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen. Zu berücksichtigen ist dabei in Fällen wie dem vorliegenden auch der Gesichtspunkt der nicht nur fallweisen oder vorübergehenden, sondern behinderungsbedingt laufenden Verpflegung mittels fremd hergestellter und nach Hause zugestellter Hauptmahlzeiten, die in Bezug auf ihre den Einkommens- und Vermögensverhältnissen entsprechende Gewöhnlichkeit anders zu beurteilen sein wird als die bloß gelegentliche Inanspruchnahme solcher Dienste. Auch dieser quantitative Aspekt spiegelt sich im Verweis des Erkenntnisses vom 15. September 2016 auf die Ausführungen in dem Erkenntnis vom 10. Februar 2016, wenn dort auf die Eventualität einer über das "normale" Maß hinausgehenden Inanspruchnahme eingegangen wird. Dabei ist auch denkbar, dass zwar der Aufwand für die laufende Einnahme fremd zubereiteter Mahlzeiten, aber nicht mehr der weitere Aufwand für deren tägliche Zustellung nach Hause den zugrunde zu legenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen entspricht.

16 Im vorliegenden Fall der Bezieherin einer relativ geringen Pension hat das Bundesfinanzgericht diesen Fragen, wie die Revision zutreffend geltend macht, zu Unrecht keine Beachtung geschenkt und es verabsäumt, sich auf der Grundlage geeigneter Feststellungen insbesondere zur Höhe der - zwingend - angefallenen Kosten mit dem Verhältnis der behinderungsbedingt entstandenen Verpflegungskosten zum Verpflegungsaufwand der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse auseinanderzusetzen.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 12. September 2018

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