VwGH Ra 2017/08/0079

VwGHRa 2017/08/007925.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Vereins A-K in K, vertreten durch DDr. Karl Scholz Rechtsanwalts GmbH in 8501 Lieboch, Am Mühlbach 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Jänner 2017, G312 2014347-1/2E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG sowie Beitragsnachverrechnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Parteien: 1. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt,

2. Pensionsversicherungsanstalt), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1151;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §49 Abs7 Z2 lita;
ErwachsenenbildungFG 1973 §1 Abs2;
PauschV Aufwandsentschädigung 2002 §1 Z3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017080079.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass näher bezeichnete für die revisionswerbende Partei tätige Personen in näher bezeichneten Zeiträumen in den Jahren 2005 bis 2011 aufgrund ihrer Tätigkeit als Vortragende in Kursen und Seminaren gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall-, und Pensionsversicherung und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Arbeitslosenversicherung bzw. gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall-, und Pensionsversicherung bzw. der Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 7 Z 3 lit. a ASVG unterlegen seien und die revisionswerbende Partei zur Nachentrichtung von allgemeinen Beiträgen, Nebenumlagen, Sonderbeiträgen und Zuschlägen nach den angeführten Beitragsgrundlagen für jeweils näher bezeichnete Zeiten sowie Verzugszinsen in der Höhe von insgesamt EUR 126.713,36 verpflichtet sei. Das Bundesverwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision zunächst vor, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur "Möglichkeit der Qualifizierung von Lehrtätigkeiten als Inhalt eines Werkvertrages" sei nicht einheitlich. In jüngerer Rechtsprechung sei "der Anschein erweckt worden", dass die Vereinbarung zur Abhaltung von Kursen (Vorträgen, Seminaren) mangels eines individualisierbaren Werkes einer Qualifizierung als Werkvertrag nicht zugänglich sei. Im Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, 89/13/0131, sei eine Tätigkeit als Klavierlehrerin in einem Musikheim dagegen als Werkvertrag im Sinn des EStG qualifiziert worden.

6 Entgegen diesen Ausführungen besteht eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung des Werkvertrages von Dienstverträgen im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG bzw. § 4 Abs. 4 ASVG (vgl. grundlegend VwGH 20. Mai 1980, Slg. Nr. 10.140/A; sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 1.10.2015, Ro 2015/08/0020; 21.9.2015, Ra 2015/08/0045; 23.12.2016, Ra 2016/08/0144 und 0146). Danach kommt es entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liegt ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es beim Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Letzteren zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit, ankommt. Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet.

7 Im vorliegenden Fall verpflichteten sich die Vortragenden gegenüber der revisionswerbenden Partei zur Abhaltung von Kursen und Seminaren. Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, es liege jeweils eine Vereinbarung der Verrichtung von Dienstleistungen und kein Werkvertrag vor, entspricht der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Bei der Erteilung von Unterricht handelt es nicht um ein Endprodukt im genannten Sinn. Außerdem ist kein Maßstab ersichtlich, nach welchem für den Werkvertrag typische Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werkes beurteilt werden sollten. Ein der für den Werkvertrag essenziellen Gewährleistungsverpflichtung entsprechender Erfolg der Tätigkeit ist nicht messbar, weshalb von einem individualisierbaren "Werk" nicht die Rede sein kann (vgl. VwGH 21.9.2015, Ra 2015/08/0045, mwN).

8 Weiters macht die Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, es fehle Rechtsprechung, ob eine Einrichtung, wie sie die revisionswerbende Partei betreibe, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht eine solche sei, die "vorwiegend der Erwachsenenbildung" (erkennbar gemeint im Sinn des § 49 Abs. 7 Z 2 ASVG) diene. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang lediglich mit der Qualifikation von Fachhochschulen als solche Einrichtungen befasst. Das Bildungsangebot der revisionswerbenden Partei sei ein gänzlich anderes.

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Erwachsenenbildung im Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, BGBl. Nr. 171/1973, auf den § 49 Abs. 7 Z 2 lit. a ASVG sowie § 1 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über beitragsfreie pauschalierte Aufwandsentschädigungen, BGBl. II Nr. 409/2002, verweisen, handelt es sich bei Erwachsenenbildung insbesondere um ein deutlich niederschwelliges und sehr breit gefächertes, vor allem nicht primär auf Berufsausbildung zugeschnittenes Bildungsangebot (vgl. mit näheren Ausführungen zum Begriff der Erwachsenenbildung VwGH 4.6.2008, 2004/08/0012; 14.3.2013, 2010/08/0222). Dieses Begriffsverständnis wurde wohl zur Abgrenzung zu Fachhochschulen entwickelt, ist aber nicht darauf beschränkt.

10 Nach den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen wurden von der revisionswerbenden Partei im maßgeblichen Zeitraum der Jahre 2005 bis 2011 überwiegend Berufsausbildungen zur "Pflegehilfe, zur Ordinationshilfe, zur Heimhilfe und zum Operationsgehilfen" angeboten und durchgeführt. In einem untergeordneten Ausmaß hielt die revisionswerbende Partei darüber hinaus Seminare zur beruflichen Weiterbildung im Pflegebereich ab. Die rechtliche Schlussfolgerung des Bundesverwaltungsgerichtes, die revisionswerbende Partei sei keine Einrichtung, die vorwiegend Erwachsenenbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln betreibe, weicht daher nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

11 Insgesamt wird daher in der Revision keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war somit zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2018

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