VwGH Ra 2016/15/0036

VwGHRa 2016/15/003613.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. Februar 2016, Zl. RV/1100376/2014, betreffend u. a. Umsatzsteuer 2000 bis 2002 (mitbeteiligte Partei: W M in H), zu Recht erkannt:

Normen

61998CJ0023 Heerma VORAB;
62013CJ0204 Malburg VORAB;
UStG 1994 §1;
UStG 1994 §12 Abs1 Z1;
UStG 1994 §2 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016150036.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die Umsatzsteuer 2000 bis 2002 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte errichtete in den Jahren 1999 bis 2002 ein Gebäude in V und machte die auf die Errichtungskosten von 322.157,68 EUR (4,432.986,24 S) entfallende Umsatzsteuer von 53.887,57 EUR (741.509,13 S) als Vorsteuer geltend. Nach Fertigstellung des Gebäudes stellte er das Erdgeschoss (71 m2) und Teile des Kellers (24,54 m2) der M GmbH & Co KG, an der er im Streitzeitraum als Kommanditist beteiligt war, unentgeltlich zur Verfügung. Komplementärin der KG war die M GmbH, deren Alleingesellschafter wiederum der Mitbeteiligte war. Das Obergeschoß (72,12 m2), das Dachgeschoß (45,49 m2) und die verbleibenden Kellerteile (52,38 m2) vermietete der Mitbeteiligte an seine Tochter, die dafür im Streitzeitraum eine monatliche Miete von 420 EUR (inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer) entrichtete.

2 Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung für den Zeitraum 2000 bis 2004 vertrat die Prüferin den Standpunkt, dass der zwischen dem Mitbeteiligten und seiner Tochter abgeschlossene Mietvertrag die Kriterien für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen nicht erfülle und die Tochter zudem einen viel zu niedrigen Mietzins bezahlt habe.

3 Weiters vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Gebäudeteile, die von der M GmbH & Co KG unentgeltlich genutzt würden, dem Mitbeteiligten kein Recht auf Vorsteuerabzug vermittelten. Erwerbe ein Gesellschafter Wirtschaftsgüter, um sie der Gesellschaft im Rahmen einer Leistungsvereinigung zur Nutzung zu überlassen, stehe der Gesellschaft kein Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- und Betriebskosten zu, weil die Leistung nicht für sie ausgeführt worden sei. Auch dem Gesellschafter stehe der Vorsteuerabzug nicht zu, weil er mit der bloßen Leistungsvereinigung nicht unternehmerisch tätig werde.

4 Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüferin und erließ - nach Wiederaufnahme der Verfahren -

u. a. Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2002, in denen es die Umsätze und Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Gebäude in V nicht berücksichtigte.

5 Der Mitbeteiligte berief gegen die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002. Er führte u.a. aus, dass das Mietverhältnis mit seiner Tochter steuerlich anzuerkennen sei und die Versagung des Vorsteuerabzugs für die der M GmbH & Co KG zur Nutzung überlassenen Geschäftsräumlichkeiten im Widerspruch zum Unionsrecht stehe.

6 Der Mitbeteiligte sei aufgrund der Gesellschafterstellung und aufgrund der Vermietung der Wohnung Unternehmer im Sinne des UStG 1994. Unabhängig davon, ob er der M GmbH & Co KG ein gesondertes Entgelt verrechne, sei das Gebäude zur Gänze seinem Unternehmensbereich zuzurechnen, weshalb der Vorsteuerabzug für die gesamte Gebäudeerrichtung zulässig sei. Selbst wenn er aufgrund der Gesellschafterstellung keine Unternehmereigenschaft hätte, werde diese aufgrund der Vermietung der Wohnung vermittelt. Die Überlassung von Räumlichkeiten an die M GmbH & Co KG würde zu einem Eigenverbrauch wegen Verwendung des Gegenstandes für unternehmensfremde Zwecke (§ 1 Abs. 2 Z 2 UStG 1994) führen, auf dessen Steuerbefreiung hiermit verzichtet werde.

7 Mit Berufungsentscheidung vom 20. Mai 2010 gab der damals zuständige unabhängige Finanzsenat der Berufung Folge und begründete dies im Wesentlichen damit, dass kein Zweifel am Bestand des vom Mitbeteiligten behaupteten Mietvertrages bestehe und der niedrige Mietzins kein Grund sei, dem Mietvertrag die steuerliche Anerkennung zu versagen, "zumal die eingewendeten Umstände plausibel erscheinen und das Finanzamt diese nicht in Abrede gestellt hat". Die Vermietungstätigkeit stelle auch unzweifelhaft eine Einkunftsquelle dar.

8 Die Räumlichkeiten, die von der M GmbH & Co KG genutzt würden, stünden einkommensteuerlich im Sonderbetriebsvermögen des Mitbeteiligten. Nach herrschender Ansicht stehe dem Mitbeteiligten der Vorsteuerabzug für die Herstellungskosten dieser Räumlichkeiten nicht zu, weil er sie im Rahmen einer Leistungsvereinigung der Gesellschaft überlassen habe und somit keine Unternehmereigenschaft vorliege. Damit sei das Schicksal der Berufung aber noch nicht entschieden, weil der Mitbeteiligte die weiteren Gebäudeteile vermiete und seit 1. Jänner 2000 Lieferungen und sonstige Leistungen sowie die Einfuhr im Zusammenhang mit der Anschaffung, Errichtung oder Erhaltung von Gebäuden als zu 100 % für das Unternehmen ausgeführt gelten. Der Vorsteuerabzug für privat verwendete Gebäudeteile sei gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG zwar weiterhin ausgeschlossen, diese Bestimmung komme aber nicht zum Tragen, weil die von der M GmbH & Co KG genutzten Räumlichkeiten, ungeachtet dessen, dass sie im Sonderbetriebsvermögen des Mitbeteiligten stünden und der Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung überlassen würden, Unternehmenszwecken dienten. Im Übrigen wäre ein Ergebnis, bei dem weder der M GmbH & Co KG noch dem Mitbeteiligten der Vorsteuerabzug zustünde, obwohl die Räumlichkeiten unternehmerischen Zwecken dienten, systemwidrig. Eine solche Systemwidrigkeit könnte beispielsweise vermieden werden, indem die Unternehmereigenschaft der M GmbH & Co KG dem Mitbeteiligten zugerechnet werde (Hinweis auf Stadie, Das Recht des Vorsteuerabzugs, Köln 1989, 49).

9 Der Verwaltungsgerichtshof hob die Berufungsentscheidung vom 20. Mai 2010 mit Erkenntnis vom 22. Mai 2014, 2010/15/0119, schon deswegen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil der unabhängige Finanzsenat die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, dass kein Zweifel am Bestand des vom Mitbeteiligten behaupteten Mietvertrages zwischen ihm und seiner Tochter bestehe und der niedrige Mietzins kein Grund sei, dem Mietvertrag die steuerliche Anerkennung zu versagen, nicht hinreichend begründet hat.

10 Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis gab das zwischenzeitig zuständig gewordene Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) betreffend Umsatzsteuer 2000 bis 2002 teilweise statt. Soweit Vorsteuern auf die der Tochter des Mitbeteiligten überlassenen Gebäudeteile entfielen, anerkannte des Bundesfinanzgericht diese nicht und führte zur Begründung aus, dass die beschwerdegegenständliche Wohnraumüberlassung an die Tochter im Hinblick auf die unklaren bzw. unüblichen Bestimmungen des Mitvertrags und angesichts des nicht annähernd marktkonformen Mietentgelts nicht als unternehmerische Tätigkeit zu beurteilen sei.

11 Das Bundesfinanzgericht anerkannte aber jene Vorsteuern, welche auf die der M GmbH & Co KG überlassenen Gebäudeteile entfielen. Im Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat sei auch die Zulässigkeit des Vorsteuerabzugs für die aus einkommensteuerlicher Sicht im Sonderbetriebsvermögen des Mitbeteiligten gehaltenen und betrieblich genutzten Gebäudeteile in Streit gestanden. Der unabhängige Finanzsenat habe den Vorsteuerabzug in der Berufungsentscheidung vom 20. Mai 2010 für zulässig erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof habe diese Beurteilung im Erkenntnis vom 22. Mai 2014, 2010/15/0119, nicht als inhaltlich rechtswidrig beurteilt, weshalb diese Rechtsfrage auch nicht Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens gewesen sei. Hinsichtlich des Sachverhalts, der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung werde daher auf die Ausführungen in der Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenats vom 20. Mai 2010 verwiesen, die insofern Bestandteil dieses Erkenntnisses sei.

12 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil es hinsichtlich der Beurteilung der umsatzsteuerlichen Relevanz der Vermietungstätigkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt sei.

13 In der vom Finanzamt gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision wird zur Zulässigkeit ausgeführt, es fehle höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob bei unentgeltlicher Überlassung von Wirtschaftsgütern eines Gesellschafters an die Personengesellschaft, die einkommensteuerlich Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei der Personengesellschaft seien, ein Vorsteuerabzug zulässig sei.

 

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist zulässig und begründet.

16 Die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenats vom 20. Mai 2010 wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. Mai 2014, 2010/15/0119, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die Aufhebung ist erfolgt, weil die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, wonach das Mietverhältnis des Mitbeteiligten mit seiner Tochter steuerlich anzuerkennen sei (und die Vermietungstätigkeit auch eine Einkunftsquelle darstelle), nicht hinreichend begründet war. Dass mit dem Erkenntnis vom 22. Mai 2014, 2010/15/0119, die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht des unabhängigen Finanzsenats zum Vorsteuerabzug für die der M GmbH & Co KG unentgeltlich überlassenen und von dieser betrieblich genutzten Gebäudeteile bestätigt worden wäre, trifft - entgegen den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesfinanzgerichts im nunmehr angefochtenen Erkenntnis - nicht zu.

17 Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

18 Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann ein Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

19 Der Gesellschafter einer Personenvereinigung ist als solcher nicht Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994. Ein solcher Gesellschafter kann aber durch die Erbringung von Leistungen an die Gesellschaft Unternehmerstellung erlangen, wenn diese im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erfolgt (vgl. VwGH 29.6.2016, 2013/15/0308, und 28.11.2002, 2000/13/0097, sowie EuGH 27.1.2000, C-23/98 , Heerma, Rz 17 ff). Wenn der Gesellschafter der Gesellschaft etwa eine Liegenschaft gegen ein besonderes Entgelt in Form einer - vom Gewinn der Gesellschaft unabhängigen - Miete überlässt, begründet dies seine Unternehmereigenschaft. Kein Leistungsaustausch, sondern eine nicht steuerbare Leistungsvereinigung liegt hingegen vor, wenn der Gesellschafter seine Leistung als Gesellschafterbeitrag erbringt und hierfür eine Abgeltung bloß durch Beteiligung am laufenden Gesellschaftserfolg erhält (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 106).

20 Erwirbt der Gesellschafter Wirtschaftsgüter, um sie der Gesellschaft im Rahmen einer Leistungsvereinigung zur Nutzung zu überlassen, steht ihm der Vorsteuerabzug nicht zu, weil er mit der bloßen Leistungsvereinigung nicht unternehmerisch tätig wird. Dem Gesellschafter kann auch nicht die Unternehmereigenschaft der Gesellschaft zugerechnet werden (vgl. EuGH 13.3.2014, Malburg, C-204/13 , Rn 47, und Ruppe/Achatz, UStG5,

§ 12 Tz 85; Kollmann/Schuchter in Melhardt/Tumpel, UStG2,

§ 12 Rz 137; Mayr in Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar

zur MwSt, 41. Lfg, § 12 Tz 200 f).

21 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis den Mitbeteiligten deshalb als Unternehmer beurteilt und ihm den Vorsteuerabzug zuerkannt, weil er Teile eines in seinem Eigentum stehenden Gebäudes der M GmbH & Co KG, bei welcher er Gesellschafter ist, zur unentgeltlichen Nutzung überlassen hat. Damit hat das Bundesfinanzgericht die Rechtslage verkannt, zumal der Mitbeteiligte - wie eingangs dargelegt - mit einer bloßen Leistungsvereinigung nicht unternehmerisch tätig wird und ihm auch die Unternehmereigenschaft der M GmbH & Co KG nicht zugerechnet werden kann.

22 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher, soweit es die Umsatzsteuer 2000 bis 2002 betrifft, als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 13. September 2018

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