European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016130016.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber machte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2013 Kosten für Familienheimfahrten nach Polen in Höhe von EUR 3.672,-- geltend.
2 Das Finanzamt berücksichtigte diese Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid 2013 vom 23. Mai 2014 nicht.
3 In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 12. Juni 2014 brachte der Revisionswerber vor, die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung auf Dauer seien in seinem Fall erfüllt. Seine Ehefrau führe am Wohnsitz der Familie in Polen den Haushalt mit drei minderjährigen Kindern, wovon zwei sich in Ausbildung (Schule bzw. Kindergarten) befänden. Am Familienwohnsitz in N besäßen er und seine Ehefrau ein Eigenheim und ein kleines Grundstück. Aus diesen Gründen sei ihm eine Verlegung des Familienwohnsitzes von Polen nach Österreich nicht zumutbar. Hinzu komme, dass seine Ehefrau wegen der Kinderbetreuung, die auch eine Art der Erwerbstätigkeit darstelle, im Jahr 2013 österreichisches Kinderbetreuungsgeld von mehr als EUR 2.200,-- für das am 17. Jänner 2011 geborene dritte Kind bezogen habe. Daher stünden ihm die geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten zu.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 29. August 2014 wies das Finanzamt die Beschwerde des Revisionswerbers ab. In der Begründung führte das Finanzamt aus, das Vorbringen, wonach eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich wegen der Kinder und dem Einfamilienhaus nicht möglich sei, spreche für eine private Veranlassung. Das Kinderbetreuungsgeld könne auch dann bezogen werden, wenn sich die ganze Familie in Österreich aufhalte. Der Bezug des österreichischen Kinderbetreuungsgelds könne nicht als eine Art der Erwerbstätigkeit angesehen werden. Im Übrigen habe das Bundesfinanzgericht auch in seinem (den Revisionswerber betreffenden) Erkenntnis vom 24. Juni 2014 die geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten (für das Jahr 2012) nicht berücksichtigt.
5 Im Vorlageantrag vom 25. September 2014 wiederholte der Revisionswerber im Wesentlichen sein Beschwerdevorbringen.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht unter Wiedergabe weiter Teile des, die Einkommensteuer 2012 des Revisionswerbers betreffenden, Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts vom 24. Juni 2014 aus, der Revisionswerber sei nach der Aktenlage seit 2006 in Österreich erwerbstätig und habe den Familienwohnsitz in Polen. Seit 19. Februar 2004 sei der Revisionswerber grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft in N. Die Anmeldung über den ständigen Aufenthalt betreffend den Familienwohnsitz in N sei erst am 8. Februar 2010 erfolgt. Werde ein Familienwohnsitz auf Dauer deswegen beibehalten, weil dort ein Eigenheim errichtet worden sei oder die Kinder dort zur Schule gingen, seien die Aufwendungen privat veranlasst. Auch seien die Aufwendungen einer Wohnung am Beschäftigungsort bei Verlegung des Familienwohnsitzes an einen auswärtigen Ort grundsätzlich nicht beruflich veranlasst. Wegen der Begründung des Familienwohnsitzes bzw. der Errichtung eines Eigenheims in Polen und keinerlei Einkünften der Ehegattin mit drei Kindern im gemeinsamen Haushalt bestehe der Eindruck, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes seitens des Revisionswerbers ernsthaft und beharrlich gar nicht versucht worden sei. Der Familienwohnsitz des Revisionswerbers in Polen sei als privat bedingt zu werten. Die geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten seien nicht abzugsfähig.
8 In der dagegen erhobenen Revision wird zur Zulässigkeit u. a. vorgebracht, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung für jedes Veranlagungsjahr gesondert zu beurteilen. Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts komme es nicht darauf an, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes ernsthaft und beharrlich gar nicht versucht worden sei. Die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich sei dem Revisionswerber nicht zumutbar, weil seine Ehefrau in Polen den Haushalt führe und sich dort der Pflege der drei minderjährigen Kinder widme.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das Finanzamt erwogen:
10 Die Revision ist zulässig und begründet.
11 Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen. Auf die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung in einem früheren Zeitraum kommt es somit nicht an (vgl. VwGH 26.7.2007, 2006/15/0047; VwGH 19.12.2013, 2010/15/0124, VwSlg 8874/F). Beispielsweise lässt sich die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung im jeweiligen Streitjahr mit der jahrelangen Beibehaltung des Familienwohnsitzes und der ohnehin durch die Behörde erfolgten Anerkennung einer jahrelangen Übergangszeit nicht begründen (vgl. VwGH 20.9.2007, 2006/14/0038, VwSlg 8265/F). Dem Revisionswerber ist daher zuzustimmen, wenn er ausführt, dass das Bundesfinanzgericht die Versagung des Abzugs der Kosten für die Familienheimfahrten im Streitjahr 2013 nicht (unter Hinweis auf die Aufnahme der Beschäftigung in Österreich im Jahr 2006 und die Errichtung eines Eigenheims sowie die Anmeldung des Familienwohnsitzes in N im Jahr 2010) mit der Begründung hätte versagen dürfen, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes bisher ernsthaft und beharrlich gar nicht versucht worden sei.
12 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass sich aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes ergeben kann (vgl. nochmals VwGH 20.9.2007, 2006/14/0038, VwSlg 8265/F, sowie zuletzt den Beschluss VwGH 22.11.2018, Ra 2018/15/0075, mwN). Das Bundesfinanzgericht hätte daher dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten Umstand, wonach seine Ehegattin am Familienwohnsitz in Polen drei minderjährige Kinder (ein Kleinkind sowie zwei Kinder im Kindergarten- bzw. Schulalter) betreue, nicht von vornherein keine Bedeutung beimessen dürfen. Aus dem vom Bundesfinanzgericht ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1987, 86/14/0165, ist für den konkreten Fall schon deshalb nichts zu gewinnen, weil der Verwaltungsgerichtshof in mittlerweile ständiger Rechtsprechung zum EStG 1988 die Auffassung vertritt, dass die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ihre Ursache auch in der privaten Lebensführung haben kann (vgl. etwa nochmals VwGH 26.7.2007, 2006/15/0047, sowie z.B. VwGH 22.11.2006, 2005/15/0011).
13 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich damit als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 20. Dezember 2018
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