VwGH Ra 2016/05/0097

VwGHRa 2016/05/009720.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revisionen der Dipl. Ing. C S in G, vertreten durch die Appiano & Kramer Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in 1010 Wien, Bösendorferstraße 7, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich jeweils vom 15. März 2016, LVwG-AV-188/001-2016 (protokolliert zu Ra 2016/05/0097) und LVwG-AV-187/001-2016 (protokolliert zu Ra 2016/05/0098), jeweils betreffend Verlängerung der Baubeginnsfrist (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeindevorstand der Marktgemeinde G, im zu Ra 2016/05/0097 protokollierten Verfahren vertreten durch Ing. Dr. Karl Ossana, Rechtsanwalt in 2103 Langenzersdorf, Korneuburger Straße 3; mitbeteiligte Parteien: 1. O G und 2. W G, beide in G, und beide nur im zu Ra 2016/05/0097 protokollierten Verfahren, 3. E F und

4. P F, beide in G, und beide nur im zu Ra 2016/05/0097 protokollierten Verfahren; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO NÖ 1996 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016050097.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Marktgemeinde Großrußbach Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde den Beschwerden der Revisionswerberin gegen die im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheide der belangten Behörde vom 24. November 2015, mit welchen die Baubeginnsfrist in Bezug auf die den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien sowie den dritt- und viertmitbeteiligten Parteien jeweils erteilten Baubewilligungen verlängert worden war, keine Folge gegeben und jeweils ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 In der Zulässigkeitsbegründung der wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbundenen Revisionen wird ausgeführt, es bestehe keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob schon vor Baubeginnsfrist gemäß § 24 Abs. 1 erster Punkt NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO 1996) ein Antrag auf Fristverlängerung zulässig sei. Weiters stellten sich die grundsätzlichen Fragen des Verfahrensrechtes, ob ein unzulässiger Antrag auf Verlängerung der Baubeginnsfrist für eine nachträgliche Verlängerung dieser Frist herangezogen werden könne und ob die Mitteilung der Baubehörde, einen derartigen unzulässigen Antrag nicht weiter zu behandeln, unbeachtlich sei. Weiters habe das Verwaltungsgericht die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Antrag auf Verlängerung der Baubeginnsfrist einer Begründung bedürfe, außer Acht gelassen. Die außerordentliche Revision sei auch deswegen zulässig, weil in Wahrheit auch die Beurteilung des § 24 Abs. 8 NÖ Bauordnung 2014 anstehe; auch dazu fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Schließlich sei die Revision auch deshalb zulässig, weil § 54 Abs. 1 BO 1996 in der Fassung vor der 13. Novelle unrichtig beurteilt worden sei. Diese Bestimmung habe sich nach Erteilung der Baubewilligungen mit den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde geändert, was bei Beurteilung des Verlängerungsansuchens zu beachten gewesen wäre.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

6 Mit der ersten von der Revisionswerberin aufgeworfenen Frage wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil bereits hg. Rechtsprechung besteht, wonach das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung grundsätzlich die zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen hat (vgl. dazu VwGH 28.3.2018, Ro 2017/07/0005, und VwGH 23.2.2017, Ro 2015/07/0008, jeweils mwN). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass in einem Verfahren, in dem es um die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung der Baubewilligung geht, für eine andere Betrachtungsweise - etwa weil gemäß der im konkreten Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschriften darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war - kein Raum ist (vgl. VwGH 16.4.1998, 98/05/0040, mwN). Gleiches gilt für die Revisionsfälle, in denen es um die Verlängerung der Frist zur Ausführung eines bewilligten Bauvorhabens geht. Auch in diesen Fällen liegt eine nach der oben dargestellten hg. Judikatur eine andere Betrachtungsweise gebietende Fallkonstellation nicht vor und es wurde dies von der Revisionswerberin auch nicht dargetan.

7 Soweit die Revisionswerberin behauptet, die Baubehörde hätte den mitbeteiligten Parteien mit Mitteilungen vom 2. November 2011 die Unzulässigkeit ihrer Verlängerungsanträge und deren Nichtbehandlung kommuniziert, ist auszuführen, dass sich den genannten Mitteilungen ein derartiger Inhalt nicht entnehmen lässt. Vielmehr handelt es sich dabei um Schreiben der Baubehörde, in welchen den mitbeteiligten Parteien mitgeteilt wurde, dass gegen die jeweiligen Baubewilligungsbescheide das Rechtsmittel der Vorstellung erhoben worden sei. Gleichzeitig wurde - wenn auch unzutreffend - mitgeteilt, dass die Baubewilligungen deshalb nicht in Rechtskraft erwachsen seien und mit dem Bau nicht begonnen werden dürfe. Eine Bezugnahme auf die Verlängerungsanträge der mitbeteiligten Parteien vom November 2010 lässt sich diesen Mitteilungen hingegen nicht entnehmen. Die Mitteilungen vom 2. November 2011 sind nicht als Bescheide anzusehen, mit welchen eine Erledigung der Verlängerungsanträge der mitbeteiligten Parteien erfolgt wäre.

8 Auch die Behauptung der Revisionswerberin, die Verlängerungsanträge der mitbeteiligten Parteien seien völlig begründungslos, trifft nicht zu. Vielmehr haben die mitbeteiligten Parteien ihre Verlängerungsanträge aus dem Jahr 2010 mit Schreiben vom 16. September 2015 um eine Begründung - nämlich die Durchführung der (zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen) Verfahren über die gegen die Baubewilligungsbescheide eingebrachten außerordentlichen Rechtsmittel - ergänzt.

9 Zudem sind auf Grund der insoweit klaren Anordnung des § 70 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 die am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren - abgesehen von sich nicht auf die Revisionsfälle beziehenden Ausnahmen - nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen, woraus sich zweifelsfrei ergibt, dass § 24 Abs. 8 NÖ Bauordnung 2014 auf die vorliegenden, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der NÖ Bauordnung 2014 bereits anhängigen Verfahren zur Verlängerung der Baubewilligungsfrist nicht anzuwenden war. Ist aber die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 7.9.2017, Ra 2017/06/0146, mwN).

10 Im Übrigen wurde § 54 BO 1996 letztmalig mit der am 17. Mai 2011 in Kraft getretenen 13. Novelle zur BO 1996, LGBl. 8200-19, geändert, weshalb nach Erteilung der Baubewilligungen mit Bescheiden der belangten Behörde jeweils vom 12. Oktober 2011 insoweit keine Änderung der Rechtslage erfolgt ist, sodass das sich darauf beziehende Vorbringen der Revisionswerberin schon deshalb ins Leere geht.

Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. November 2018

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