VwGH Ra 2017/20/0133

VwGHRa 2017/20/013322.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Hainz-Sator und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des J K A in K, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2017, Zl. W267 2149589- 1/4E, betreffend Abweisung einer Säumnisbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §22 Abs1 idF 2016/I/024;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGVG 2014 §8 Abs1;
VwGVG 2014 §8;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 6. November 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Nach Durchführung der Erstbefragung am 8. November 2014 und anschließender Erhebungen zum Lebensalter des Revisionswerbers wurde sein Asylverfahren vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11. März 2015 durch Ausfolgung einer "Aufenthaltsberechtigungskarte weiß (§ 51 AsylG)" gemäß § 28 Abs. 1 AsylG 2005 zugelassen. Am 22. September 2016 wurde der Revisionswerber von der Verwaltungsbehörde vernommen.

2 Am 1. Dezember 2016 erhob der Revisionswerber Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde), die dem Bundesverwaltungsgericht am 9. März 2017 vorgelegt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte - aufgefordert zur Säumnis Stellung zu nehmen - mit Schreiben vom 20. März 2017 (lediglich) Folgendes aus:

"Da der einvernehmende Referent inzwischen überraschend die RD NÖ verlassen hat und angesichts der vielen offenen Asylverfahren ist bis dato noch keine Entscheidung im gegenständlichen Asylverfahren getroffen worden."

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet ab.

In seiner Begründung ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Verzögerung der Erledigung des vom Revisionswerber gestellten Antrages nicht im Sinn des § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei. Es sei - so das Bundesverwaltungsgericht mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004 - "in maßgeblicher Weise in Betracht zu ziehen", dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl "in den Jahren 2015 und 2016 mit einem explosionsartigen Anstieg der Zahl der Anträge auf internationalen Schutz konfrontiert" gewesen sei. Die aktuell bestehende Situation sei im Hinblick auf die anhängigen Asylverfahren nach wie vor unverändert. Zudem sei der das Verfahren des Revisionswerbers bearbeitende Referent überraschend aus dem Dienst ausgeschieden, sodass sie mangels "hellseherischer Fähigkeiten" auch keine Vorkehrungen für einen Ersatz habe treffen können. Der Behörde sei es daher "massiv und ohne taugliche Möglichkeit einer Gegenmaßnahme erschwert, den Antrag des" Revisionswerbers innerhalb der Entscheidungsfrist des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 zu erledigen. Die Verzögerung an der Erledigung sei somit "im Wesentlichen" auf für die Behörde unbeeinflussbare und unüberwindbare Hindernisse zurückzuführen.

Die Revision wurde - unter Hinweis auf das oben genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2016 - gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

 

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, die Nichterledigung seines Antrages auf internationalen Schutz verstoße sowohl gegen das in Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) garantierte Recht auf Erledigung des Antrags in angemessener Frist als auch gegen die Vorgaben des Art. 31 Richtlinie 2013/32/EU . Die Argumente des vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Erkenntnisses vom 24. Mai 2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, seien nicht heranziehbar, weil sich diese Entscheidung auf einen anderen Sachverhalt bezogen habe. Im gegenständlichen Fall seien zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde bereits 22 Monate seit Antragstellung vergangen gewesen. Zu dieser Zeit sei das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits personell aufgestockt gewesen. Die Zahl der Asylanträge sei schon zuvor zurückgegangen. Der Gesetzgeber habe außerdem in Kenntnis der seit 2014 eingetretenen Entwicklungen die Entscheidungsfrist in Asylverfahren auf 15 Monate verlängert. In den Gesetzesmaterialien werde dies ausdrücklich mit der Belastungssituation begründet. Daraus folge, dass die vom Gesetzgeber bereits berücksichtigten Umstände keine längere Entscheidungsfrist als 15 Monate rechtfertigen könnten. Im konkreten Fall sei auch die 15-monatige Frist bereits abgelaufen.

5 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 6 § 73 Abs. 1 AVG hat folgenden Wortlaut:

"Entscheidungspflicht

§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) ..."

§ 8 VwGVG lautet:

"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur

rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem

Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union."

§ 22 Abs. 1, § 73 Abs. 15 und § 75 Abs. 24

letzter Satz AsylG 2005 sehen vor:

"Entscheidungen

§ 22. (1) Abweichend von § 73 Abs. 1 AVG ist über einen Antrag auf internationalen Schutz längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden.

..."

"Zeitlicher Geltungsbereich

§ 73. (1)

...

(15) Die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a, 17 Abs. 6, 19 Abs. 6, 22 Abs. 1, 33 Abs. 2, 35 Abs. 1 bis 4, die Überschrift des 6. Hauptstückes, § 51a samt Überschrift, § 67 samt Überschrift, §§ 68 Abs. 1, 72 Z 4 und 5, 75 Abs. 24 bis 26 sowie die Einträge im Inhaltsverzeichnis zur Überschrift des 6. Hauptstückes und zu §§ 51a und 67 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 treten mit 1. Juni 2016 in Kraft. § 22 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 tritt mit Ablauf des 31. Mai 2018 außer Kraft. Der 5. Abschnitt des 4. Hauptstückes samt Überschrift und der Eintrag im Inhaltsverzeichnis zum 5. Abschnitt des 4. Hauptstückes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 treten mit Ablauf des auf die Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 folgenden Tages in Kraft."

"Übergangsbestimmungen

§ 75. (1) ...

(24) ... § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.

(25) ..."

7 Zunächst ist festzuhalten, dass der Revisionswerber nach den vorgelegten Verfahrensakten den Antrag auf internationalen Schutz am 6. November 2014 - nach den Akten wurde er an diesem Tag von einem Beamten der Polizeiinspektion Traiskirchen-Erstaufnahmestelle Ost wegen "A (Asyl)" erkennungsdienstlich behandelt und im Protokoll über die Erstbefragung wurde gleichfalls dieser Tag als jener der Antragstellung festgehalten - gestellt und auch eingebracht hat (dem Verwaltungsakt ist ferner zu entnehmen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch am 6. November 2014 eine Ladung ausfertigte, dem Revisionswerber persönlich ausfolgte und die mit der Rechtsberatung betraute Organisation vom festgelegten Termin der Erstbefragung verständigte).

§ 22 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 trat gemäß § 73 Abs. 15 erster Satz AsylG 2005 am 1. Juni 2016 in Kraft.

Demnach war die der Behörde nach der davor allein maßgeblichen Rechtslage des § 73 Abs. 1 AVG eingeräumte Entscheidungsfrist von sechs Monaten bereits mit Ende des 6. Mai 2015 abgelaufen.

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber mit der Anordnung des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 auch jene Verfahren erfassen wollte, die am 1. Juni 2016 noch anhängig waren und in denen zu diesem Zeitpunkt die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG bereits abgelaufen war. Im gegenständlichen Fall waren nämlich zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde seit der Antragstellung jedenfalls mehr als 15 Monate vergangen.

8 Die Frage, ob die Behörde in einem konkreten Fall ein überwiegendes Verschulden im Sinn des § 8 Abs. 1 VwGVG an der Verzögerung der Verfahrenserledigung trifft, ist als einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Dies setzt aber voraus, dass diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage beruht und im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. die hg. Beschlüsse vom 29. Juli 2016, Ro 2016/18/0004, und vom 10. November 2016, Ro 2016/20/0004).

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde bereits festgehalten, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinn eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen ist, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin gesehen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. die hg. Erkenntnisse 24. Mai 2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, und vom 28. Juni 2016, Ra 2015/10/0107, jeweils mwN).

10 Im genannten Erkenntnis vom 24. Mai 2016 hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der besonderen Situation infolge des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 auseinandergesetzt und - unter Bezugnahme auf unionsrechtliche Vorgaben und die Materialien zur mit BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Änderung des AsylG 2005 - betreffend einen im Jänner 2015 gestellten Antrag auf internationalen Schutz und einer am 27. Oktober 2015 eingebrachten Säumnisbeschwerde ausgeführt:

"Demnach geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass infolge des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 ‚eine Entscheidung innerhalb von sechs Monaten nicht gewährleistet werden kann' und hat deshalb die Verlängerung der Entscheidungsfrist (auf 15 Monate) für geboten erachtet. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Verpflichtung der Behörden, entsprechend ihren Möglichkeiten ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, nicht berührt wird.

Die dargestellt extrem hohe Zahl an Verfahren stellt für die belangte Behörde - ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw. weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung - sohin unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation dar, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet.

Für den Verwaltungsgerichtshof ist es - auch mit Blick auf die erwähnten Gesetzesmaterialien - notorisch, dass sich in einer derartigen Situation die Einhaltung von gesetzlichen Erledigungsfristen in bestimmten Fällen als schwierig erweisen kann, zumal die Verpflichtung der belangten Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, in der dargestellten Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen muss.

Diese Ausnahmesituation unterscheidet sich sohin deutlich von den bisher vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vorgefundenen Ausgangslagen (wie etwa im Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, 2008/07/0036, wonach eine Verletzung der Organisationspflicht der Behörde darin erblickt wurde, dass sie nicht Vorsorge getroffen hatte, dass trotz der Pensionierung des zuständigen Mitarbeiters ein anderer Bearbeiter mit der Behandlung des Antrags befasst wurde).

Nach dem Gesagten kann dem Verwaltungsgericht daher nicht entgegen getreten werden, wenn es - wie im vorliegenden Fall, d. h. eines spätestens ab dem Jahr 2015 bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Asylverfahrens - bei der Verschuldensbeurteilung die dargestellte außergewöhnliche Belastungssituation der belangten Behörde in besonderer Weise ins Kalkül zieht und dabei berücksichtigt, dass die Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist alleine auf diese Belastungssituation zurückzuführen ist.

Das Verwaltungsgericht hat damit hinreichende Gründe für das Vorliegen unüberwindlicher, einer im Sinne des § 8 VwGVG iVm § 73 Abs. 1 AVG fristgerechten Entscheidung entgegen stehender Hindernisse dargelegt (vgl. demgegenüber etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 2015, Ra 2015/08/0102, sowie das erwähnte hg. Erkenntnis Ra 2015/10/0063)."

11 Dem hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch in Bezug auf einen am 24. November 2014 - sohin zu einer ähnlichen Zeit wie im vorliegenden Fall - gestellten Antrag auf internationalen Schutz und einer (anders als hier deutlich früher) am 20. Juli 2015 erhobenen Säumnisbeschwerde angeschlossen (vgl. den hg. Beschluss vom 29. Juli 2016, Ro 2016/18/0004).

12 Das Bundesverwaltungsgericht bezieht sich in seiner Argumentation zentral auf das Erkenntnis vom 24. Mai 2016 und führt für die Verneinung eines überwiegenden Verschuldens der Behörde im Sinn des § 8 Abs. 1 VwGVG gerade die dort geschilderte Situation ins Treffen. Dabei übersieht das Verwaltungsgericht aber, dass schon aus § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Materialien (vgl. die Erläuterungen zu § 22 AsylG 2015 im gesamtändernden Abänderungsantrag 4/AUA 25. GP, S. 12) abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber (auch vor dem Hintergrund der in den Materialien erwähnten Personalaufstockung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl von 206 neuen Mitarbeitern) davon ausging, trotz der zuvor durch den starken Zustrom Schutzsuchender hervorgerufenen Belastungssituation der Behörde habe die Erledigung eines Antrages auf internationalen Schutz grundsätzlich innerhalb von 15 Monaten zu erfolgen. Dies wird auch dadurch bekräftigt, dass der nach dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusses für innere Angelegenheiten im Antrag an den Nationalrat enthaltene Teil des Gesetzesvorschlages zu § 22 Abs. 1 AsylG 2005, wonach die 15-Monatsfrist in begründeten Einzelfällen um längstens drei Monate hätte überschritten werden können, sofern dies zur angemessenen und vollständigen Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz erforderlich sei (vgl. AB 1097 BlgNR 25. GP , S. 7), letztlich zufolge einer durch Beschluss des Nationalrates erfolgten Abänderung nicht Gesetz geworden ist (vgl. dazu auch die Kenntlichmachung der Änderungen im beschlossenen Gesetzestext gegenüber dem Vorschlag des Innenausschusses APNR-BR 9559 BlgBR, S. 2). Daraus ist zu folgern, dass die vom Verwaltungsgericht angesprochene Situation allein keinesfalls als geeignet angesehen werden kann, eine längere Verfahrensdauer als 15 Monate zu rechtfertigen. Davon, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde im Sinn des § 8 Abs. 1 VwGVG zurückzuführen wäre, kann diesfalls ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht (mehr) gesprochen werden.

Würde man der anderslautenden Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts beitreten, würde dies im Ergebnis bedeuten, dass in jenen Verfahren, in denen der Antrag während der Zeit des sog. "Massenzustromes Asylsuchender", aber noch vor Inkrafttreten des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 eingebracht wurde, für die Behörde überhaupt keine Entscheidungsfrist und somit für einen solchen Antragsteller kein Schutz vor Säumnis bestünde.

13 Die Begründung, dass das überraschende Ausscheiden des zuständigen Sachbearbeiters zur unverschuldeten Verzögerung beigetragen habe, vermag die angefochtene Entscheidung gleichfalls nicht zu tragen.

Grundsätzlich haben Behörden dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, 2008/07/0036).

Eine nähere und - zudem auf konkrete Feststellungen zu gründende - nachvollziehbare Begründung, warum angesichts des Personalstandes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl allein der Ausfall eines einzigen Sachbearbeiters dazu geführt hätte, dass diese Behörde ihre Organisationspflicht nicht dahingehend verletzt hat, dass ein anderer Sachbearbeiter umgehend mit der Behandlung des Antrags des Revisionswerbers befasst wurde, enthält das angefochtene Erkenntnis nicht (vgl. zur Pflicht auch des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Möglichkeiten innerbehördlicher (Umverteilung‑)Maßnahmen auszuschöpfen das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0252).

14 Die vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründe sind sohin insgesamt nicht geeignet darzulegen, dass die Verzögerung an einer Entscheidung über den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre.

Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. Juni 2017

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