Normen
AsylG 2005 §22 Abs1 idF 2016/I/024;
VwGVG 2014 §8 Abs1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 28. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der nach Durchführung einer Erstbefragung noch am selben Tag zugelassen wurde. Es erfolgten diverse Abfragen in Datenbanken, ansonsten aber keine Verfahrensschritte.
2 Am 30. März 2017 erhob der Revisionswerber Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde). Der Revisionswerber führte aus, sein Verfahren sei seit mehr als 15 Monaten beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig und ihn treffe kein Verschulden an der Verzögerung des Verfahrens.
3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die Säumnisbeschwerde unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo sie am 11. April 2017 einlangte. In ihrer Stellungnahme verwies die Behörde darauf, dass angesichts der in den Jahren 2014 und 2015 erheblich gestiegenen Anzahl von Anträgen auf internationalen Schutz und der damit einhergehenden Anpassungen innerhalb der Organisation der Asylbehörde ein unbeeinflussbares und unüberwindliches Hindernis vorliege. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl treffe daher kein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Erledigung des Antrags des Revisionswerbers.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das Bundesverwaltungsgericht ging von der Zulässigkeit der gegenständlichen Säumnisbeschwerde aus, weil im Zeitpunkt ihrer Erhebung die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Verfügung stehende Entscheidungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Angesichts des Zeitpunkts der Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz im Oktober 2015 und der damals bereits bestehenden außergewöhnlichen Belastung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sowie angesichts des - in dem angefochtenen Erkenntnis nicht näher dargelegten - "schuldhaften Verhaltens" des Revisionswerbers treffe die Behörde mit Blick auf das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, kein überwiegendes Verschulden.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Der Revisionswerber beruft sich zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision auf das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob ein überwiegendes Verschulden der Behörde an der Verletzung der Entscheidungspflicht infolge der in dem angefochtenen Erkenntnis ins Treffen geführten, außergewöhnlichen Belastung der Asylbehörden im Jahr 2015 trotz der durch die Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Verlängerung der Entscheidungsfrist zu verneinen sei. Weiters macht er geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht ihm schuldhaftes Verhalten vorwerfe, ohne dies weiter zu begründen. Er habe aber ein solches Verhalten nicht gesetzt.
8 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 9 Zunächst ist festzuhalten, dass der Revisionswerber nach
den vorgelegten Verfahrensakten den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 28. Oktober 2015 gestellt und auch eingebracht hat.
§ 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 trat gemäß § 75 Abs. 15 erster Satz AsylG 2005 am 1. Juni 2016 in Kraft.
Demnach war die der Behörde nach der zuvor allein maßgeblichen Rechtslage des § 73 Abs. 1 AVG eingeräumte Entscheidungsfrist von sechs Monaten bereits mit 28. April 2016 abgelaufen.
Es kann hier dahinstehen, ob der Gesetzgeber mit der Anordnung des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 auch jene Verfahren erfassen wollte, die am 1. Juni 2016 noch anhängig waren und in denen zu diesem Zeitpunkt die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG bereits abgelaufen, und in denen noch keine Säumnisbeschwerde erhoben worden war. Im gegenständlichen Fall waren zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde am 30. März 2017 seit der Antragstellung am 28. Oktober 2015 jedenfalls mehr als 15 Monate vergangen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis vom 22. Juni 2017, Ra 2017/20/0133, mit der auch hier maßgeblichen Rechtslage näher auseinandergesetzt. Dabei legte der Gerichtshof dar, dass entsprechend der Intention des Gesetzgebers trotz der durch den starken Zustrom Schutzsuchender hervorgerufenen Belastung der Asylbehörde die Erledigung eines Antrags auf internationalen Schutz grundsätzlich binnen 15 Monaten zu erfolgen hat. Davon ausgehend kann die (auch im vorliegenden Fall angesprochene) Überlastung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der hohen Zahl an Asylanträgen im Jahr 2015 allein keinesfalls als geeignet angesehen werden, eine längere Verfahrensdauer als 15 Monate zu rechtfertigen. Davon, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde im Sinn des § 8 Abs. 1 VwGVG zurückzuführen wäre, kann diesfalls ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht (mehr) gesprochen werden. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des oben zitierten hg. Erkenntnisses vom 22. Juni 2017 gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
11 Der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts auf ein schuldhaftes Verhalten des Revisionswerbers vermag die angefochtene Entscheidung gleichfalls nicht zu tragen. Aus welchem Grund dem Revisionswerber ein Verschulden an der Verzögerung der behördlichen Entscheidung anzulasten wäre, ist dem angefochtenen Erkenntnis nämlich nicht zu entnehmen.
12 Die vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründe sind sohin insgesamt nicht geeignet darzulegen, dass die Verzögerung an einer Entscheidung über den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. September 2017
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