VwGH Ra 2017/17/0313

VwGHRa 2017/17/031312.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 3. März 2017, LVwG-S-2892/001-2015, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Baden; mitbeteiligte Partei: I s.r.o. in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs3 idF 2014/I/013;
GSpG 1989 §53 Abs1;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §54;
VwGVG 2014 §28 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170313.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 21. August 2015 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden gegenüber der mitbeteiligten Partei die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 53 Abs 2 und 3 Glücksspielgesetz (GSpG) von vier näher bezeichneten Glücksspielgeräten an.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde statt, hob die Beschlagnahme auf (Spruchpunkt 1.) und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei (Spruchpunkt 2.).

3 Begründend führte das LVwG nach Wiedergabe der Begründung des Beschlagnahmebescheides und der Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung aus, dass von der Verwaltungsbehörde im Beschlagnahmebescheid nahezu keine Feststellungen hinsichtlich des Spielablaufs, zur Höhe des Einsatzes und zum möglichen Gewinn oder Verlust getroffen worden seien. Die Verwaltungsbehörde hätte zumindest dartun müssen, von welchem Sachverhalt hinsichtlich des Ablaufs des Spieles und des vermutlichen Charakters der Spiele auszugehen sei, um die Einschätzung, es liege der Verdacht eines Glücksspieles vor, überprüfbar zu machen. Im gesamten Bescheid werde nicht konkret dargelegt, welcher Einsatz, welches Spielergebnis und welcher Gewinn möglich gewesen seien. Die von der Verwaltungsbehörde getroffenen Feststellungen reichten mangels näherer konkreter Angaben zum Spielablauf der verfahrensgegenständlichen Geräte nicht aus, um das Vorliegen eines Verdachtes im Sinne des § 53 GSpG zu begründen.

4 Darüber hinaus sei auch das korrespondierende Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden, weil es auch dort an der erforderlichen Konkretisierung gemangelt habe.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision erweist sich als zulässig und als berechtigt:

7 Eine Beschlagnahme nach § 53 Abs 1 GSpG ist nur dann zulässig, wenn ein ausreichend substantiierter Verdacht vorliegt, dass mit Glücksspielgeräten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt oder wiederholt gegen Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen wird. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Übertretung des Gesetzes zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits erwiesen ist (vgl zB VwGH vom 12. Mai 2017, Ra 2016/17/0163, mwN).

8 Wenngleich im Zeitpunkt der Beschlagnahme das Vorliegen eines Glücksspiels noch nicht im Einzelnen nachgewiesen sein muss, erfordert die Überprüfung eines Beschlagnahmebescheids jedenfalls Feststellungen über die Art des Spiels, weil ansonsten eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung nicht möglich ist. Hiezu ist die ansatzweise Darstellung des Spielablaufes erforderlich (vgl VwGH vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/09/0054, mwN).

9 Im Revisionsfall hat das LVwG die (ersatzlose) Aufhebung des Beschlagnahmebescheides mit der Begründung ausgesprochen, dass die Bezirkshauptmannschaft Baden keine ausreichenden Feststellungen über das Vorliegen eines Verdachts, dass mit den gegenständlichen Geräten gegen die Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen wurde, getroffen habe. Darüber hinaus sei das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren bereits eingestellt worden.

10 Damit hat das LVwG eine Sachentscheidung iSd § 28 Abs 1 VwGVG in Form einer ersatzlosen Aufhebung getroffen. Eine solche Aufhebung wäre aber nur dann zulässig gewesen, erwiese sich die Beschlagnahme mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 GSpG (insbesondere mangels eines Verdachts von Verstößen gegen § 52 Abs 1 GSpG) als rechtswidrig. Eine Beurteilung in diesem Sinne hätte aber entsprechende Feststellungen erfordert, die das LVwG nicht getroffen hat, sodass sich das angefochtene Erkenntnis in dieser Hinsicht der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof entzieht.

11 Das LVwG konnte seine aufhebende Entscheidung auch nicht damit begründen, dass dem Beschlagnahmebescheid seinerseits wesentliche Feststellungen über einen Verdacht des Verstoßes gegen die Bestimmung des § 52 Abs 1 GSpG fehlen würden. Zum einen enthält der Beschlagnahmebescheid entgegen den Ausführungen des LVwG durchaus (wenn auch knappe) Feststellungen zum Vorliegen eines Verdachts iSd § 53 GSpG, zum anderen wäre es - ausgehend von seiner Auffassung - am LVwG gelegen gewesen, von ihm als fehlend erachtete Feststellungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Verdachts iSd § 53 GSpG zu treffen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Angemerkt wird, dass seit der Neufassung des § 52 Abs 3 GSpG durch das Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I Nr 13/2014, mit Wirksamkeit ab 1. März 2014 Feststellungen über die möglichen Einsatzhöhen uä für danach gelegene Deliktszeiträume in der Regel keine Bedeutung mehr zukommt (vgl VwGH vom 24. April 2015, Ra 2015/17/0005, und die dort zitierten Gesetzesmaterialien).

12 Auch der Umstand, dass das "korrespondierende Verwaltungsstrafverfahren - betreffend den zur Vertretung der (mitbeteiligten Partei) nach außen Berufenen" bereits eingestellt worden war, vermochte die ersatzlose Aufhebung des Beschlagnahmebescheides nicht zu rechtfertigen. Ob im Zusammenhang mit den beschlagnahmten Geräten eine Person wegen einer Übertretung des § 52 Abs 1 GSpG bestraft wurde bzw werden wird, ist für die Beurteilung der Frage, ob mit Beschlagnahme vorzugehen ist, nicht entscheidungswesentlich (vgl zB wieder VwGH vom 12. Mai 2017, Ra 2016/17/0163, mwN). Es reicht, dass der objektive Tatbestand einer Übertretung gemäß § 52 Abs 1 GSpG erfüllt wurde und ein ausreichender Grund für eine Beschlagnahme zum Zweck der Einziehung gemäß § 54 GSpG, welche keine Bestrafung voraussetzt, gegeben war (VwGH vom 30. Juni 2017, Ra 2016/17/0271, mwN).

13 Indem das Landesverwaltungsgericht dies verkannt hat, belastete es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 12. Oktober 2017

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