VwGH Ra 2017/12/0043

VwGHRa 2017/12/004327.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des M S in P, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 2017, W122 2106576-1/8E, betreffend Ersatz zu Unrecht empfangener Leistungen gemäß § 13a Gehaltsgesetz 1956 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
GehG 1956 §13a Abs1;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017120043.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und war bis Ende April 2013 als ADV-Organisator auf einem Arbeitsplatz der Wertigkeit A2/5 in Verwendung.

2 Mit Schreiben vom 27. Jänner 2009 wurde dem Revisionswerber mitgeteilt, dass ihm für die Dauer seiner Verwendung als ADV-Organisator mit Wirkung vom 1. Oktober 2007 eine ADV-Zulage nach Art. XII der 47. Gehaltsgesetz-Novelle im Ausmaß von 10,68 Prozent des Gehalts der Gehaltsstufe 2, Dienstklasse V, gebühre, sowie mit Schreiben vom 1. Oktober 2009 ab diesem Zeitpunkt für die Dauer seiner Verwendung als ADV-Organisator eine solche im Ausmaß von 13,35 Prozent des Gehalts der Gehaltsstufe 2, Dienstklasse V.

3 Mit Erkenntnis vom 24. September 2009, G 80/09, V 22/09, kundgemacht mit BGBl I Nr. 108/2009 vom 3. November 2009, hob der Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des 31. Oktober 2010 Art. XII der 47. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl Nr. 288/1988, in der Fassung BGBl I Nr. 142/2000, als verfassungswidrig auf.

4 Ab 1. Jänner 2013 bezog der Revisionswerber die vormalige ADV-Zulage als Erschwerniszulage in unveränderter Höhe bis Ende Dezember 2014 weiter.

5 Mit Wirkung vom 1. Mai 2013 wurde der Revisionswerber auf den Arbeitsplatz eines Cheforganisators der Verwendungsgruppe A1/3 versetzt.

6 Mit Bescheid vom 16. Februar 2015 sprach die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde u.a. aus, dass der Revisionswerber einen Betrag von EUR 6.002,88 zu Unrecht empfangen habe und dem Bund einen Übergenuss in dieser Höhe schulde.

7 Das Bundesverwaltungsgericht gab der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe der Aufschlüsselung der Beträge auf die Monate Juni 2013 bis Dezember 2014 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG in Verbindung mit § 13a Gehaltsgesetz 1956 (GehG) nicht Folge. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

8 Das Verwaltungsgericht begründete sein Erkenntnis im Wesentlichen damit, dass mit der Aufhebung des Art. XII der 47. Gehaltsgesetz-Novelle mit Ende Oktober 2010 die Rechtsgrundlage für die Bezahlung der ADV-Zulage weggefallen sei. Dies habe der Revisionswerber wegen der öffentlichen Bekanntmachung der Aufhebung wissen müssen. Im Hinblick auf die Formulierung "auf die Dauer Ihrer Verwendung als ADV-Organisator" im Schreiben vom 1. Oktober 2009 sei spätestens mit dem Arbeitsplatzwechsel die Möglichkeit eines gutgläubigen Empfangs weggefallen.

9 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Das unter diesem Gesichtspunkt zunächst erstattete Revisionsvorbringen, dass im angefochtenen Erkenntnis Feststellungen über die Charakteristik der derzeitigen Tätigkeit des Revisionswerbers fehlten, das Verwaltungsgericht aber dennoch einen Anspruch auf eine Erschwerniszulage verneint habe, geht an der tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts vorbei.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind Voraussetzung für die Entstehung eines Ersatzanspruchs des Bundes nach § 13a Abs. 1 GehG das Vorliegen einer zu Unrecht empfangenen Leistung (eines Übergenusses) und das Fehlen des guten Glaubens. Zu Unrecht empfangene Leistungen sind solche, für deren Empfangnahme kein gültiger Titel (Gesetz, Verordnung, Bescheid) vorhanden ist (siehe zuletzt das Erkenntnis vom 1. Juli 2015, 2012/12/0011, mwN).

13 Auf Basis welchen Titels dem Revisionswerber nach Aufhebung der entsprechenden Bestimmung des Gehaltsgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof eine pauschalierte Nebengebühr zustehen hätte sollen, wird in der Revision nicht aufgezeigt (siehe zu pauschalierten Nebengebühren allgemein etwa das Erkenntnis vom 19. April 2016, 2013/12/0225, sowie zur ADV-Zulage im Speziellen das Erkenntnis vom 14. Oktober 2013, 2013/12/0079, ua; vgl. des Weiteren zum Erlöschen einer pauschalierten Nebengebühr bei (hier nicht vorliegender: bescheidmäßiger) Bemessung unter einer auflösenden Bedingung mit dem Ende der Tätigkeit bei dieser Dienststelle das Erkenntnis vom 21. Jänner 2016, Ra 2015/12/0027, mwN).

14 Für die Beurteilung der Frage, ob dem Empfänger eines Betrags (eines Übergenusses), dessen Zahlung auf einen Irrtum der auszahlenden Stelle zurückgeht, Gutgläubigkeit zuzubilligen ist, kommt es - wie der Verwaltungsgerichtshof seit einem (noch zur Rechtslage vor Einführung des § 13a in das Gehaltsgesetz durch die 15. Gehaltsgesetz-Novelle) von einem verstärkten Senat beschlossenen Erkenntnis vom 30. Juni 1965, 1278/63, Sammlung 6.736/A, in ständiger Rechtsprechung erkennt - nicht auf das subjektive Wissen des Leistungsempfängers, sondern auf die objektive Erkennbarkeit des Übergenusses (des Irrtums der auszahlenden Stelle) an. Demnach ist Gutgläubigkeit beim Empfang von Übergenüssen schon dann nicht mehr anzunehmen, wenn der Leistungsempfänger - nicht nach seinem subjektiven Wissen, sondern objektiv beurteilt - bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßes an Sorgfalt an der Rechtmäßigkeit der ihm ausbezahlten Zahlungen auch nur hätte Zweifel haben müssen. Erfolgt die Leistung deshalb, weil die Anwendung der Norm, auf Grund derer die Leistung erfolgt ist, auf einem Irrtum der auszahlenden Stelle beruht, den der Leistungsempfänger weder erkannt noch veranlasst hat, so ist dieser Irrtum nur dann im genannten Sinn objektiv erkennbar (und damit eine Rückersatzverpflichtung zu bejahen), wenn der Irrtum in der offensichtlich falschen Anwendung einer Norm, deren Auslegung keine Schwierigkeiten bereitet, besteht. Ebenso reicht es für die Rückforderbarkeit nach § 13a Abs. 1 GehG aus, sollte die Behörde schlicht auf die Einstellung des technischen Vorgangs der Auszahlung vergessen haben, kommt es doch nach der Judikatur nur darauf an, dass der Irrtum der Behörde - in welcher Form auch immer sich dieser offenbart, sei es als schlichtes Vergessen oder als Ausdruck einer unrichtigen Auslegung oder Subsumtion - im Ergebnis die offensichtlich unrichtige Anwendung einer Norm (deren Auslegung keine Schwierigkeiten bereitet) zur Folge hat (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 18. Februar 2015, Ro 2014/12/0031, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs).

15 Auch in dem vom Revisionswerber zitierten Erkenntnis vom 31. März 2006, 2003/12/0041, VwSlg 16.889 A/2006, sprach der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang aus, dass für die Frage der Gutgläubigkeit des Beamten im Sinn der Theorie der objektiven Erkennbarkeit des Irrtums der auszahlenden Stelle wesentlich ist, ob auf Grund der gegebenen Rechtslage in Verbindung mit dem Sachverhalt es möglich und zumutbar gewesen wäre, den Umstand des Vorliegens eines Übergenusses zu erkennen.

16 Ein Verkennen dieser Judikaturlinie durch das Verwaltungsgericht zeigt die Revision nicht konkret auf. Die Anwendung dieser Rechtsprechung im Einzelfall stellt hingegen jedenfalls dann keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar, wenn das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt ist.

17 Argumente für die in der Revision schließlich vorgebrachte Ansicht, dass eine im Bundesgesetzblatt kundgemachte Aufhebung einer Gesetzesbestimmung durch den Verfassungsgerichtshof anders als ebenso gehörig kundgemachte Gesetze nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden könne (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 27. März 2007, 2005/18/0638, VwSlg 17.151 A/2007, vom 13. Juni 1996, 95/18/1411, zu einem Sichtvermerksabkommen sowie allgemein jenes vom 24. September 1993, 92/17/0023) finden sich in der Revision nicht. Ein sachlicher Grund für eine solche Ungleichbehandlung ist auch nicht zu erkennen. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht die Gutgläubigkeit des Revisionswerbers tragend ohnedies erst ab dem Zeitpunkt des Arbeitsplatzwechsels infolge seiner Versetzung verneint. Diese Beurteilung ist im Sinn der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls nicht als unvertretbar unrichtig zu erkennen.

18 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2017

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