VwGH Ro 2017/07/0020

VwGHRo 2017/07/002025.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert‑Zsilavecz, über die Revision 1. des DDipl.‑Ing. Dr. H H und 2. der L H, beide in G, beide vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. Mai 2017, Zl. LVwG 41.1‑3230/2016‑11, betreffend eine Angelegenheit des Immissionsschutzgesetzes‑Luft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §60
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RO2017070020.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist ein Antrag der revisionswerbenden Parteien vom 1. März 2013 an den Landeshauptmann von Steiermark (LH) auf Erlassung von umfassenden verkehrsbezogenen Maßnahmen zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte für Feinstaub in Graz, welcher sich auf § 9a Immissionsschutzgesetz‑Luft (IG‑L) und die Steiermärkische Luftreinhalteverordnung 2011 sowie auf das Recht auf gesunde Luft im Sinne der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (Luftqualitäts‑RL) stützte.

2 Zur Vorgeschichte dieser Revisionssache wird auf deren Darstellung in dem in dieser Sache bereits ergangenen hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2015, Ro 2014/07/0096, verwiesen.

3 Mit dem genannten hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2015 wurde das den Antrag der revisionswerbenden Parteien im Rechtsweg zurückweisende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (im Folgenden: LVwG) vom 6. Juni 2014 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

4 Der Verwaltungsgerichtshof führte darin u.a. Folgendes aus:

„Daraus folgt auch im vorliegenden Fall, dass natürliche Personen wie die revisionswerbenden Parteien, wenn sie unmittelbar von der Überschreitung der Grenzwerte betroffen sind, bei den nationalen Behörden erwirken können müssen, dass ein Luftqualitätsplan im Einklang mit Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Luftqualitäts‑RL erstellt wird, wenn durch die Behörde die Einhaltung der sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Anhang XI der Luftqualitäts‑RL ergebenden Anforderungen nicht gewährleistet wurde und es auch zu keiner Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts‑RL gekommen ist.

Für die Zulässigkeit eines Antrags auf Erstellung oder Ergänzung eines Luftqualitätsplans ist demnach Voraussetzung, dass keine Fristverlängerung nach Art. 22 der Luftqualitäts‑RL vorliegt, weil diesfalls Grenzwerte (noch) nicht einzuhalten wären; liegt aber keine Fristverlängerung vor, ist es für die Zulässigkeit eines Antrages notwendig, dass die Grenzwerte überschritten werden und die antragstellenden Parteien unmittelbar von dieser Überschreitung betroffen sind.“

5 Der Verwaltungsgerichtshof ging in seinem Vorerkenntnis weiters mit näherer Begründung davon aus, dass keine Fristverlängerung vorlag und dass die revisionswerbenden Parteien durch die Überschreitung der nach der Luftqualitäts‑RL (Anhang XI) maximal zulässigen 35 Überschreitungstage (für PM10) im Jahr 2013 an den auch sie betreffenden Messstellen als solche unmittelbar betroffenen Personen anzusehen seien, denen das verfahrensgegenständliche Antragsrecht zukomme. Dabei vertrat er u.a. die Ansicht, dass sich der zeitliche Bezug der Beurteilung der Betroffenheit aus dem Umstand ableiten lasse, dass sich die Grenzwerte für die (maximal 35) Überschreitungstage auf das jeweilige Kalenderjahr bezögen. Dies setze einen Überblick über ein Kalenderjahr voraus, um beurteilen zu können, ob eine Überschreitung vorliege oder nicht.

6 Abschließend hielt der Verwaltungsgerichtshof fest:

„Dies bedeutet, dass die revisionswerbenden Parteien einen ‑ im hier relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ‑ zulässigen Antrag auf Ergänzung eines unzureichenden Luftqualitätsplanes nach Art. 23 der Luftqualitäts‑RL (hier: eines Programmes nach § 9a IG‑L) bzw. einer darauf gründenden Verordnung gestellt haben.

Über diesen Antrag wäre daher in der Sache zu entscheiden gewesen. Die Zurückweisung des Antrags der revisionswerbenden Parteien mangels Antragslegitimation erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig.

Das LVwG hätte daher aufgrund der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien den antragszurückweisenden Bescheid der belangten Behörde aufzuheben gehabt; eine über die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrags hinausgehende Entscheidungsbefugnis kommt dem LVwG nicht zu (..).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass wegen der Relevanz der Sach‑ und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (...), auch der Fall eintreten kann, wo ein ursprünglich zulässiger Antrag durch eine Änderung der Sachlage unzulässig wird und zurückgewiesen werden muss (...).“

7 In weiterer Folge behob das LVwG den erstinstanzlichen Bescheid des LH, welcher daraufhin den Bescheid vom 13. September 2016 erließ, mit welchem der Antrag der revisionswerbenden Parteien auf Erlassung einer Verordnung nach § 9a IG‑L mit zusätzlichen verkehrsbezogenen Maßnahmen zur Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte als unbegründet abgewiesen wurde.

8 In der dagegen beim LVwG eingebrachten Beschwerde brachten die revisionswerbenden Parteien im Wesentlichen vor, der Bescheid sei wegen unrichtiger Rechtsauslegung rechtswidrig. Die revisionswerbenden Parteien fühlten sich in ihrem ‑ durch die Luftqualitäts‑RL und das IG‑Luft garantierten ‑ Recht auf saubere Luft, insbesondere durch die Feinstaubbelastung im Großraum Graz, verletzt. Die belangte Behörde habe zum Teil widersprüchlich auf die zwar generell sinkende Feinstaubbelastung verwiesen, aber gleichzeitig selbst eingestanden, dass die vorgeschriebenen Grenzwerte nur bei günstigen Wettersituationen eingehalten werden könnten.

9 Der LH sei selbst und entgegen der Behauptungen im Verwaltungsverfahren von der Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen im Verkehrsbereich ausgegangen, zumal die Erlassung zusätzlicher Verkehrsmaßnahmen für das Maßnahmenprogramm nach § 9a IG‑L im Jahre 2016 angekündigt worden sei. Allein aus diesem Grund hätte die Behörde den Antrag wenigstens zum Teil als berechtigt anerkennen und entsprechende Maßnahmen sofort verordnen müssen. Aus den Umweltdaten gehe zwar hervor, dass im Jahre 2014 durch die günstigere Wetterlage die Feinstaubgrenzwerte eingehalten worden seien, im Jahre 2015 sei aber wieder eine deutlich ungünstigere Datenlage erkennbar, obschon ein Endbericht offenbar noch nicht vorliege. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

10 Das LVwG holte eine Stellungnahme des luftreinhaltetechnischen Amtssachverständigen der Abteilung Energie, Wohnbau und Technik der Steiermärkischen Landesregierung (ASV) vom 20. März 2017 ein und brachte diese den revisionswerbenden Parteien in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis. Diese erstatteten dazu eine Stellungnahme vom 28. April 2017. Eine mündliche Verhandlung vor dem LVwG wurde nicht durchgeführt.

11 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 22. Mai 2017 wies das LVwG die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab (Spruchpunkt I.) und ließ gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu (Spruchpunkt II.).

12 Unter dem Titel „Beschwerdevorbringen, Vorverfahren, mündliche Verhandlung, Sachverhalt“ führte das LVwG aus, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 28. Mai 2015, Ro 2014/07/0096, die zuvor ergangene Entscheidung des LVwG vom 6. Juni 2014 behoben und festgestellt, dass das LVwG die Beschwerde zu Unrecht abgewiesen habe, weil ein subjektiv‑öffentliches Recht der revisionswerbenden Parteien an der Erlassung einer Verordnung nach § 9a IG‑L nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden könne. Das LVwG bzw. die belangte Behörde habe vielmehr wegen der Relevanz der Sach‑ und Rechtslage zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung zu prüfen, ob durch eine veränderte Sachlage durch neuere Untersuchungsdaten der Luftgüte ein ursprünglich zulässiger Antrag als unzulässig zu bewerten sei. Dabei sei auch in Erwägung zu ziehen, ob die mittlerweile erfolgte Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens nach der „Luftgüte‑RL“ durch die Europäische Kommission im fortgesetzten Verfahren von Bedeutung sei.

13 Nach Behebung des erstinstanzlichen Bescheides durch das LVwG und Durchführung weiterer Datenerhebungen habe der LH den nunmehr bekämpften Bescheid vom 13. September 2016 erlassen, mit welchem der Antrag der revisionswerbenden Parteien auf Erlassung einer Verordnung nach § 9a IG‑L mit zusätzlichen verkehrsbezogenen Maßnahmen zur Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte neuerlich als unbegründet abgewiesen worden sei.

14 Nachdem die revisionswerbenden Parteien dagegen eine Beschwerde eingebracht hätten, habe das LVwG die von der belangten Behörde durchgeführte Erhebung der Umweltdaten nochmals geprüft und die Stellungnahme der zuständigen Fachabteilung des Landes dem Parteiengehör unterzogen. Daraus ergebe sich nachstehender, als erwiesen angenommener Sachverhalt:

15 Zur Entwicklung der Immissionsbelastung für Feinstaub sei anzuführen, dass die Entwicklung der PM10 ‑Belastung einen fallenden Trend aufzeige. Hier wirkten sich die Umstellung von Heizungsanlagen auf emissionsarme Energieträger (Fernwärme, Gas, moderne Festbrennstoffkessel), die Emissionsminderung in Industrie und Gewerbe, die Umstellung des Winterdienstes, die Reduktionen im Verkehrsbereich durch den verbreiteten Einsatz von Partikelfiltern aber auch ein Zurückgehen der Ferntransporte von Schadstoffen durch Verbesserungen im Ausland positiv aus.

16 In meteorologisch günstigen Jahren könnten die Vorgaben der Luftqualitäts‑RL ‑ in Graz nur unter Inanspruchnahme der Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Einträgen aus natürlichen Quellen und dem Winterdienst ‑ eingehalten werden. Dies sei erstmals im Jahr 2014 und jetzt auch im Jahr 2016 der Fall.

17 In weiterer Folge werden im Erkenntnis des LVwG ohne Quellenangabe und unkommentiert zwei Tabellen dargestellt, wobei lediglich die zweite eine Überschrift (Abbildung 3: Graz‑Don Bosco: Partikel Trendbetrachtungen Jahresmittelwerte; 97,5%‑Perzentile) trägt. Daran anschließend werden Feststellungen zur Entwicklung der Immissionsbelastung für Stickstoffdioxid getroffen.

18 Unter dem Titel „Beweiswürdigung“ führte das LVwG aus, der festgestellte Sachverhalt ergebe sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und den Stellungnahmen der befassten Fachabteilung für Luftreinhaltung des Amtes der Landesregierung, aus den veröffentlichten, allgemein zugänglichen Datensätzen des Umweltbundesamtes (UBA) sowie des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung und den Mitteilungen des zuständigen Bundesministeriums für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) an die Europäische Kommission.

19 Für das gegenständliche Verfahren seien ausschließlich die offiziell abgeschlossenen Luftgüteerhebungen nach den Regeln der Luftqualitäts‑RL, für die bestimmte Faktoren wie Fernverfrachtung, Winterdienst und natürliche Faktoren von den erhobenen Rohdaten abzuziehen seien, relevant. Daraus ergebe sich, dass in den vergangenen drei Jahren keine Grenzwertüberschreitungen im Großraum Graz festzustellen gewesen seien. Dies betreffe sowohl die Tagesmittelwerte als auch die Jahresmittelwerte, die für die tatsächliche Luftbelastung maßgeblich seien. Zudem sei bei allen Parametern eine deutlich fallende Tendenz seit 14 Jahren festzustellen. Die Luftgütebelastung habe sich in diesem Beobachtungszeitraum durch die Maßnahmen des LH halbiert.

20 In seinen „Erwägungen“ führte das LVwG schließlich aus, die belangte Behörde habe ihrer Entscheidung den letzten aktuell verfügbaren und nach den Regeln der Luftqualitäts‑RL erstellten Statusbericht für das Kalenderjahr 2014 zu Grunde gelegt. Die erhobenen Rohdaten seien vom BMLFUW entsprechend den Vorgaben der Artikel 20 und 21 der Luftqualitäts‑RL und auf Basis der Messkonzept‑VO zum IG‑Luft unter Berücksichtigung der natürlichen Emissionsquellen, des Winterdienstes und der Fernverfrachtung korrigiert und die Ergebnisse an die Europäische Kommission gemeldet worden. Nach diesen Messergebnissen bestünden für den Beobachtungszeitraum keine Grenzwertüberschreitungen für den Großraum Graz.

21 Auf Basis dieser Ermittlungsergebnisse bestehe unter Beachtung der Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes kein Rechtsanspruch der revisionswerbenden Parteien auf Erlassung der beantragten Maßnahmen. Die Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen.

22 Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das LVwG aus, im gegenständlichen Verfahren sei eine Rechtsfrage zu lösen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukomme, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, eine solche Rechtsprechung fehle oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet werde.

23 Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen dieses Erkenntnis Revision und machten Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

24 Zur Zulässigkeit der Revision brachten die revisionswerbenden Parteien vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, welche Anforderungen an die zur Beurteilung der Zulässigkeit des Antrags herangezogenen Messdaten zu stellen seien. Das LVwG widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil es sein Erkenntnis vom 22. Mai 2017 auf Messergebnisse des ASV aus dem Jahr 2014 stütze, welche bereits die belangte Behörde herangezogen habe. Das LVwG verkenne dabei, dass die Sach‑ und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung relevant sei und dass daher die Daten des damals aktuellen Jahresberichtes des UBA aus dem Jahr 2015 heranzuziehen gewesen wären, in welchem Grenzwertüberschreitungen an den relevanten Messstellen festgestellt worden seien. Überdies hätte das LVwG eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt.

25 Die revisionswerbenden Parteien beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, eine Entscheidung in der Sache selbst, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Zuerkennung von Aufwandersatz.

26 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie u.a. auf die Stellungnahme des ASV hinwies und ausführte, dass vom LH die erforderlichen Maßnahmen gesetzt worden seien, um die Überschreitung so gering wie möglich zu halten. Diskrepanzen zwischen den vom UBA weitergegebenen und den „von der Steiermark ermittelten“ Werten beruhten darauf, dass die österreichischen Beurteilungsgrundlagen im Falle des Eintrags aus dem Winterdienst deutlich strenger seien als die von der Europäischen Kommission veröffentlichte Richtlinie. Im Falle der Saharastaubeinträge bestünden „fachliche Differenzen zwischen dem UBA und der Steiermark“. Diese sollten in Gesprächen ausgeräumt werden. Derzeit liefen einige Projekte in Zusammenarbeit aller fachlich betroffenen Institutionen in Österreich (UBA, Bundesländer, ZAMG, TU Wien).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

27 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

28 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

29 Das LVwG erachtete die Revision ohne Darstellung der Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für zulässig.

30 Damit wird den Begründungserfordernissen nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht Genüge geleistet; Zweck dieser Begründungspflicht ist nämlich bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage. Das Verwaltungsgericht hätte in der Begründung zum Ausspruch der Zulässigkeit der Revision daher (kurz) darzulegen gehabt, welche ‑ konkret auf die vorliegende Beschwerdesache bezogene ‑ grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösen hätte (vgl. etwa VwGH 23. September 2014, Ro 2014/01/0033, mwN).

31 Wenn das Verwaltungsgericht ‑ wie im vorliegenden Revisionsfall ‑ keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, hat der Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen (vgl. etwa VwGH vom 16.12.2015, Ro 2014/10/0125, vom 23.5.2017, Ro 2017/10/0017 und Ra 2017/10/0053, vom 30.5.2017, Ro 2015/07/0035, und vom 28.6.2017, Ro 2015/07/0042).

32 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der vor allem zeitraumbezogenen Anforderungen an die Messdaten, welche als Grundlage für das Bestehen eines etwaigen subjektiven Rechts auf Erlassung von Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte gemäß der Luftqualitäts‑RL heranzuziehen seien. Das LVwG hätte jedenfalls Daten des UBA aus dem Jahr 2015 heranzuziehen und auch eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt.

33 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

34 2.1. Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Luftqualitäts‑RL haben sich seit Erlassung des in dieser Sache ergangenen hg. Erkenntnisses vom 28. Mai 2015 nicht verändert. Unverändert gilt insbesondere, dass der Grenzwert für PM10 nach Anhang XI der Richtlinie so geregelt ist, dass der Tagesmittelwert von µg/m³ nicht öfter als 35mal im Kalenderjahr überschritten werden darf.

35 Die wesentlichen Vorschriften des IG‑L, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1997_115_1/1997_115_1.pdf , in der hier anzuwendenden Fassung, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2017/58 , lauten (auszugsweise):

„Überschreitung eines Immissionsgrenzwerts

Ausweisung der Überschreitung

§ 7. (1) Sofern an einer gemäß § 5 betriebenen Messstelle eine Überschreitung eines in den Anlagen 1, 2, 4 oder 5 oder in einer Verordnung nach § 3 Abs. 5 festgelegten Immissionsgrenz‑, Immissionsziel‑ oder Alarmwerts festgestellt wird, hat der Landeshauptmann diese Überschreitung im Monatsbericht, sofern es sich um einen Halbstundenmittelwert, einen Mittelwert über acht Stunden oder einen Tagesmittelwert handelt, oder im Jahresbericht (§ 4 Abs. 2 Z 8 lit. c), sofern es sich um einen Halbjahresmittelwert, einen Jahresmittelwert oder einen Wert mit jahresbezogenen Überschreitungsmöglichkeiten handelt, auszuweisen und festzustellen, ob die Überschreitung eines Immissionsgrenzwerts auf

1. einen Störfall,

2. eine andere in absehbarer Zeit nicht wiederkehrende erhöhte Immission,

3. die Aufwirbelung von Partikeln nach der Ausbringung von Streusand, Streusalz oder Splitt auf Straßen im Winterdienst oder

4. Emissionen aus natürlichen Quellen

zurückzuführen ist.

(2) Der Bundesminister für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat die Überschreitung der Verpflichtung in Bezug auf den AEI über die in Anlage 8 festgelegten Zeiträume jeweils in dem auf das letzte Jahr des Zeitraums folgenden Jahr auszuweisen. Bei der Ausweisung der Überschreitung ist Anlage 6 sinngemäß anzuwenden.

(3) Der Bundesminister für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat eine Verordnung betreffend die Kriterien für die Beurteilung, ob die Überschreitung auf die Aufwirbelung von Partikeln nach der Ausbringung von Streusand, Streusalz oder Splitt zurückzuführen ist, zu erlassen. Ergibt die Beurteilung, dass die Überschreitungen auf aufgewirbelte Partikel zurückzuführen sind, so hat der Landeshauptmann die Nachweise, auf die sich die Beurteilung stützt, vorzulegen; weiters hat er die Angemessenheit der getroffenen Maßnahmen darzulegen. Der Bundesminister für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat diese Information an die Europäische Kommission weiterzuleiten.

Programme

Erstellung von Programmen

§ 9a. (1) Zur Erreichung der Ziele dieses Bundesgesetzes (§ 1) hat der Landeshauptmann unter Bedachtnahme auf nationale Programme gemäß § 6 des Emissionshöchstmengengesetzes‑Luft, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/2003_34_1/2003_34_1.pdf , Pläne und Programme gemäß § 13 des Ozongesetzes, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1992_210_0/1992_210_0.pdf und erarbeiteten Ma ßnahmen gemäß § 3 des Klimaschutzgesetzes, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2011/106 , sowie unter Nutzung von Synergieeffekten mit lokalen, regionalen und bundesweiten Energie‑ und Klimaschutzmaßnahmen

1. auf Grundlage der Statuserhebung (§ 8) und eines allenfalls erstellten Emissionskatasters (§ 9),

2. unter Berücksichtigung der Stellungnahmen gemäß § 8 Abs. 5 und 6,

3. unter Berücksichtigung der Grundsätze gemäß § 9b,

4. unter Heranziehung der Zeitpunkte, bis zu denen die Grenz‑ und Zielwerte gemäß der Richtlinie 2008/50/EG eingehalten werden müssen und

5. auf Grundlage des Programms für die Erreichung des nationalen Ziels für die Reduzierung des AEI gemäß § 19

ein Programm zu erstellen. Darin sind jene Maßnahmen festzulegen, die ergriffen werden, um die Emissionen, die zur Überschreitung des Immissionsgrenzwerts gemäß Anlage 1 oder 2 oder einer Verordnung nach § 3 Abs. 5 oder des AEI geführt haben, in einem Ausmaß zu reduzieren, dass die Einhaltung folgender Grenzwerte,

- des Tagesmittelwertes für PM10 gemäß Anlage 1a mit nicht mehr als 35 Überschreitungen pro Jahr

- ...

gewährleistet wird oder im Fall des § 8 Abs. 1a der Verpflichtung in Bezug auf den AEI nachgekommen wird. Bei Überschreitung des AEI hat der Landeshauptmann Maßnahmen festzulegen, die in dem Programm gemäß § 19 enthalten sind. Im Programm hat der Landeshauptmann das Sanierungsgebiet (§ 2 Abs. 8) festzulegen. Ein Entwurf des Programms ist längstens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Überschreitung eines Immissionsgrenzwerts stattgefunden hat, auf der Internetseite des Landes zu veröffentlichen. Falls der Entwurf vorsieht, Maßnahmen gemäß dem 4. Abschnitt mit Verordnung gemäß § 10 vorzuschreiben, ist der Entwurf für diese Verordnung zusammen mit dem Entwurf des Programms auf der Internetseite des Landes zu veröffentlichen. Jedermann kann zum Entwurf des Programms binnen sechs Wochen Stellung nehmen. Die in ihrem Wirkungsbereich berührten Bundesminister sowie die gesetzlich eingerichteten Interessenvertretungen sind von der Veröffentlichung des Entwurfs und der Möglichkeit zur Stellungnahme in Kenntnis zu setzen. Die Stellungnahmen sind bei der Erstellung des Programms in angemessener Weise zu berücksichtigen.

(2) ...

Maßnahmen

Anordnung von Maßnahmen

§ 10. (1) Maßnahmen gemäß den §§ 13 bis 16 sind auf Grundlage des Programms gemäß § 9a vom Landeshauptmann oder Bundesminister für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, sofern dieser gemäß § 9a Abs. 7 zuständig ist, spätestens 21 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Grenzwertüberschreitung festgestellt oder die Überschreitung des AEI durch den Bundesminister für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ausgewiesen wurde, mit Verordnung anzuordnen. In der Verordnung ist das Sanierungsgebiet, in dem die jeweilige Maßnahme gilt, festzulegen. Weiters ist anzugeben, ob die Maßnahmen direkt wirken oder von der Behörde (§ 17) mit Bescheid anzuordnen sind. Es können auch über das Programm hinausgehende Maßnahmen angeordnet werden, sofern diese nicht dem Inhalt des Programms widersprechen und nicht unverhältnismäßig in bestehende Rechte eingreifen.

(2) ...“

36 Die hier relevante Bestimmung der ‑ auf Basis des § 4 IG‑L erlassenen ‑ Verordnung des Bundesministers für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Messkonzept zum Immissionsschutzgesetz‑Luft (IG‑L‑MKV 2012), BGBl. II Nr. 127/2012, in der Fassung BGBl. II Nr. 208/2017, lautet folgendermaßen:

„Jahresbericht der Messnetzbetreiber

§ 35. (1) Der Landeshauptmann hat bis zum 31. Juli des Folgejahres einen Jahresbericht zu veröffentlichen. Der Jahresbericht hat jedenfalls zu beinhalten:

1. die Jahresmittelwerte der gemäß den Anlagen 1 und 2 IG‑L zu messenden Schadstoffe sowie für Stickstoffoxide (NOx) für das abgelaufene Kalenderjahr;

2. Angaben über Überschreitungen der in den Anlagen 1, 2, 4 und 5 IG‑L sowie in Verordnungen gemäß § 3 Abs. 5 IG‑L genannten Grenz‑, Alarm‑ bzw. Zielwerte, jedenfalls über die Messstellen, die Höhe und die Häufigkeit der Überschreitungen;

3. Angaben der eingesetzten Messverfahren;

4. eine Charakterisierung der Messstellen;

5. Berichte über Vorerkundungsmessungen und deren Ergebnisse, insbesondere über dabei festgestellte Überschreitungen der in den Anlagen 1, 2, 4 und 5 IG‑L genannten Grenz‑, Alarm‑ und Zielwerte;

6. einen Vergleich mit den Jahresmittelwerten der vorangegangenen Kalenderjahre.

(2) Das Umweltbundesamt hat bis 31. August des Folgejahres einen bundesweiten Jahresbericht über die Ergebnisse der Messungen von Benzol, PM2,5 sowie von Pb, As, Cd, Ni und Benzo(a)pyren in der PM10‑Fraktion und einen österreichweiten Übersichtsbericht über die Ergebnisse der Messungen der übrigen Luftschadstoffe sowie deren Trends zu veröffentlichen. Dieser Bericht hat jedenfalls die Jahresmittelwerte sowie Angaben über Überschreitungen der in den Anlagen 1, 2, 4 und 5 IG L genannten Grenz‑, Alarm‑ und Zielwerte sowie den Wert des AEI gemäß § 7 Abs. 2 IG‑L zu beinhalten. Der Jahresbericht hat auch die Inhaltsstoffe von PM2,5, die Deposition von Schwermetallen und PAHs sowie eine Trendanalyse einzuschließen.

(3) Bei Überschreitung von Grenz‑, Alarm‑ und Zielwerten gemäß Anlagen 1, 2, 4 und 5 IG‑L sowie einer Verordnung gemäß § 3 Abs. 5 IG‑L ist eine Feststellung gemäß § 7 IG‑L in die Berichte gemäß Abs. 1 und 2 aufzunehmen. Bei Grenzwerten gemäß Anlagen 1 und 2 IG‑L und bei Grenzwerten in einer Verordnung gemäß § 3 Abs. 5 IG‑L ist anzugeben, ob eine Statuserhebung gemäß § 8 IG‑L durchzuführen ist.“

37 2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im bereits zitierten hg. Vorerkenntnis vom 28. Mai 2015, Ro 2014/07/0096, ausgesprochen, dass die revisionswerbenden Parteien einen ‑ im relevanten Zeitpunkt der Erlassung des damals angefochtenen Erkenntnisses des LVwG ‑ zulässigen Antrag auf Ergänzung eines unzureichenden Luftqualitätsplanes nach Art. 23 der Luftqualitäts‑RL bzw. einer darauf gründenden Verordnung gestellt hatten, und hatte sich dabei auf Daten des damals vorgelegenen Jahresberichtes des UBA gestützt.

38 Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass wegen der Relevanz der Sach‑ und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auch der Fall eintreten kann, in dem ein ursprünglich zulässiger Antrag durch eine Änderung der Sachlage unzulässig wird und zurückgewiesen werden muss.

39 Für die Beurteilung der Zulässigkeit des verfahrensgegenständlichen Antrags war daher die Sach‑ und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des LVwG vom 22. Mai 2017, das den revisionswerbenden Parteien am 31. Mai 2017 zugestellt worden war, von Relevanz.

40 Unbestritten war ‑ und ist es nach wie vor ‑, dass die Messstellen Graz‑Ost und Graz‑Don Bosco die in Bezug auf die revisionswerbenden Parteien relevanten Messstellen sind.

41 Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass sich der verfahrensgegenständliche Antrag der revisionswerbenden Parteien auf die Feinstaubbelastung im näher genannten Gebiet bezog, nicht jedoch auf die Belastung durch Stickstoffdioxid. Verfahrensgegenständlich ist daher lediglich das Thema Feinstaubbelastung (PM10).

42 Das LVwG hätte die Zulässigkeit des Antrags der revisionswerbenden Parteien daher anhand von Daten zu überprüfen gehabt, die einen Überblick über das letzte vergangene Kalenderjahr in seiner Gesamtheit geben hätten können; die Beurteilung der Überschreitung der Tagesmittelwerte hätte auf einer solchen, näher dargestellten Grundlage zu erfolgen gehabt. Wären ‑ angesichts des Zeitpunkts der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ‑ die Daten für das Jahr 2016 noch nicht in ihrer Gesamtheit vorgelegen, hätten die Daten für das Jahr 2015 herangezogen werden müssen.

43 3. Das angefochtene Erkenntnis entspricht weder diesen ‑ bereits aus dem Vorerkenntnis ableitbaren ‑ Vorgaben noch allgemein den Anforderungen an eine nachvollziehbare Begründung:

44 3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach darauf verwiesen, dass in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (vgl. u.a. VwGH vom 21.10.2014, Ro 2014/03/0076, sowie vom 27.11.2014, Ra 2014/03/0036).

45 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits zum Ausdruck gebracht, dass diesem klaren Aufbau eine gemeinsame Darstellung von „Beschwerdevorbringen, Vorverfahren, mündliche Verhandlung, Sachverhalt“ dann widerspricht, wenn dabei mehrere Aspekte des Verfahrens unter einem zusammengefasst werden, ohne diese klar zu trennen (vgl. dazu VwGH vom 27.7.2017, Ra 2017/07/0024, sowie vom 3.8.2016, Ra 2016/07/0040).

46 3.2. Das LVwG, das gar keine mündliche Verhandlung durchführte, stellte unter dem Titel „Beschwerdevorbringen, Vorverfahren, mündliche Verhandlung, Sachverhalt“ zum einen den Verfahrensgang dar und traf dann als Darstellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes zum Thema Feinstaub (und zum Thema Stickstoffoxid) Feststellungen.

47 Die Feststellungen zum Thema Feinstaub decken sich teilweise mit den Ausführungen des ASV in seiner Stellungnahme vom 20. März 2017; bei der Wiedergabe der Tabellen, die diese Feststellung, wonach in Graz „erstmals im Jahr 2014 und jetzt auch im Jahr 2016“, also in meteorologisch günstigen Jahren, die Vorgaben der Luftqualitätsrichtlinie eingehalten hätten werden können, stützen sollten, gab das LVwG allerdings nur die Tabellen in Bezug auf die PM10 ‑Jahresmittelwerte wieder, um deren Überschreitung es im vorliegenden Fall nicht geht. Die Darstellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes erschöpft sich daher in der Behauptung, es bestehe ein abnehmender Trend bei der Feinstaubbelastung und in Graz hätten „erstmals im Jahr 2014 und jetzt auch im Jahr 2016“, also in meteorologisch günstigen Jahren, die Vorgaben der Luftqualitätsrichtlinie eingehalten werden können.

48 In den Ausführungen zur „Beweiswürdigung“ heißt es, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus den vorgelegten Verwaltungsakten und Stellungnahmen der befassten Fachabteilung für Luftreinhaltung des Amtes der Landesregierung, aus den veröffentlichten, allgemein zugänglichen Datensätzen des UBA sowie des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung und den Mitteilungen des zuständigen BMLFUW an die Europäische Kommission ergebe. Eine auch nur ansatzweise Darstellung des Inhalts dieser Beweismittel und des Zeitraumes, auf den sie sich beziehen, findet sich im angefochtenen Erkenntnis nicht. Dies wäre aber auch bei veröffentlichten, allgemein zugänglichen Datensätzen notwendig gewesen. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind daher nicht nachvollziehbar.

49 Dies gilt auch für die weitere, im Rahmen der „Beweiswürdigung“ getroffene Feststellung, wonach „für das gegenständliche Beschwerdeverfahren ausschließlich die offiziell abgeschlossenen Luftgüteerhebungen nach den Regeln der einschlägigen Richtlinie 2009/50/EG , für die bestimmte Faktoren wie Fernverfrachtung, Winterdienst und natürliche Faktoren von den erhobenen Rohdaten abzuziehen sind“, relevant seien und sich daraus ergebe, dass in den vergangenen drei Jahren keine Grenzwertüberschreitungen im Großraum Graz festzustellen gewesen seien, was die Tages‑ und Jahresmittelwerte betreffe.

50 Der Inhalt dieser „offiziell abgeschlossenen Luftgüteerhebungen“, der Rohdaten und der Abzugsdaten wird im angefochtenen Erkenntnis ebenfalls nicht wiedergegeben. Es fehlt auch diesbezüglich an einer nachvollziehbaren Darstellung dieser Messwerte und ihrer zeitlichen Dimension.

51 Schließlich stehen die Feststellungen im Bereich „Sachverhalt“ und „Beweiswürdigung“ insofern in einem Spannungsverhältnis, als zum einen die Rede davon ist, 2014 und 2016 seien die Grenzwerte nicht überschritten worden, zum anderen aber ‑ wenn auch ohne Begründung ‑ festgestellt wird, dass in den „vergangenen drei Jahren“ (also offenbar auch 2015) keine Grenzwertüberschreitungen im Großraum Graz festzustellen gewesen wären.

52 Auf welche Grundlagen das LVwG die Feststellung stützt, es sei auch 2015 zu keinen Grenzwertüberschreitungen gekommen, bleibt ebenso offen wie die Grundlage für die Heranziehung von Daten aus dem Jahr 2016.

53 Auf die letztgenannte Feststellung, wonach in den vergangenen drei Jahren keine Grenzwertüberschreitungen im Großraum Graz festzustellen gewesen seien, stützt sich das LVwG schließlich in seinen knappen rechtlichen Erwägungen. Diese Feststellung ist aber aus den gerade aufgezeigten Gründen nicht geeignet, die darauf aufbauende rechtliche Schlussfolgerung zu tragen.

54 3.3. Die Relevanz dieser Begründungsmängel liegt auf der Hand. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Berücksichtigung der Daten des Jahres 2015 zu einem anderen Verfahrensergebnis, nämlich zur Zulässigkeit des Antrages im Sinne des Vorerkenntnisses geführt hätten.

55 Im (im Internet abrufbaren) Bericht des UBA über die Luftgüte im Jahr 2015 (Jahresbericht der Luftgütemessungen) heißt es auf den S. 8, 25, 87 und 88 bezogen auf die beiden hier relevanten Messstellen, dass das Grenzwertkriterium der Luftqualitäts‑RL für den Tagesmittelwert von PM10 (35 Überschreitungstage im Jahr) im Jahr 2015 überschritten worden sei.

56 Aus Tabelle Nr. 3 auf S. 27 sowie aus der Tabelle im Anhang 5 auf S. 111 ist ersichtlich, dass für Graz‑Don Bosco 39 Überschreitungstage und für Graz‑Ost 46 Überschreitungstage gemessen wurden. Diese Daten decken sich im Übrigen mit den (ebenfalls im Internet abrufbaren) Daten des Steiermärkischen Luftgüteberichtes, vgl. den Bericht über Luftgütemessungen in der Steiermark ‑ Jahresbericht 2015 (Tabelle 69, Seite 138).

57 Das UBA zog von den genannten Überschreitungstagen keine Tage gemäß § 7 IG‑L ab. Da das UBA gemäß § 35 Abs. 2 IG‑L‑MKV 2012 bei der Erstellung der Berichte zwar die Bestimmung des § 7 IG‑L zu berücksichtigen, aber keine Tage abgezogen hat, liegt der Schluss nahe, dass im Jahr 2015 keine abzugsfähigen Tage vorlagen.

58 Auch der Steiermärkische Luftgütebericht 2015 verweist lediglich bei den Überschreitungstagen an der Messstelle Graz‑Ost darauf, dass diese Messstelle neuerlich von lokalen Emissionen direkt angrenzender Baustellen beeinflusst worden sei; Saharastaubeinträge wurden auch dort nur bei den Überschreitungen der Messstelle Leibnitz in Abzug gebracht.

59 Die gebotene Berücksichtigung der relevanten Daten für das Jahr 2015 hätte daher zu einem anderen Verfahrensergebnis als der Abweisung des Antrags führen können.

60 Was die Daten für das Jahr 2016 betrifft, so lagen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnis noch keine abschließenden, das gesamte Jahr umfassenden Berichte vor. Es kann daher nicht gesichert davon ausgegangen werden, dass in diesem Jahr die maximale Anzahl der Überschreitungstage nicht überschritten wurde.

61 3.4. Schließlich fehlt im angefochtenen Erkenntnis auch jede Begründung für die Nichtdurchführung der von den revisionswerbenden Parteien beantragten mündlichen Verhandlung.

62 4. Das angefochtene Erkenntnis war somit aus den oben dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

63 5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

64 6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. Nr. 518, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 8/2014.

Wien, am 25. Oktober 2017

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