VwGH Ra 2017/02/0138

VwGHRa 2017/02/01389.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer‑Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des T in W, vertreten durch die Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 19. Jänner 2017, Zl. VGW‑031/053/13767/2015, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §5 Abs2 idF 2012/I/050
StVO 1960 §5 Abs3a
StVO 1960 §5 Abs4 idF 2012/I/050
StVO 1960 §99 Abs1 litb
VStG §44a Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017020138.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers abgewiesen und der Revisionswerber schuldig erachtet, er habe sich unter näher angeführten Umständen trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hierzu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, sich zur Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Polizeiinspektion B, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befunden habe, bringen zu lassen, obwohl er verdächtig gewesen sei, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Er habe dadurch § 99 Abs. 1 lit. b 2. Fall StVO iVm § 5 Abs. 4 und § 5 Abs. 2 2. Satz Z 1 und 3. Satz StVO übertreten, weshalb eine Geldstrafe von € 1.600,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt wurde.

5 Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von € 1.600,‑ ‑ bis € 5.900,‑ ‑, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

6 § 5 Abs. 2 und 4 StVO in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 lauten:

„(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,

1.die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder

2.bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

...

(4) Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben.“

7 Nach der Rechtsprechung ist § 5 Abs. 4 StVO als eine Ausformung des § 5 Abs. 2 StVO anzusehen. Die Weigerung, sich zum Zwecke der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächsten Dienststelle (bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet) bringen zu lassen, stellt im Ergebnis eine Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt dar. Bei einer Weigerung, sich zum Zwecke der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächsten Dienststelle bringen zu lassen, ist nicht auch noch die Verweigerung der Untersuchung der Atemluft im Spruch des Strafbescheides aufzunehmen, zumal der erste Vorwurf den anderen beinhaltet (VwGH vom 18. November 2011, 2010/02/0306).

8 Weil die Weigerung, sich zum Zwecke der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächsten Dienststelle bringen zu lassen, im Ergebnis eine Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt darstellt, war vorliegend die Anführung (auch) von § 5 Abs. 2 StVO im Spruch der Entscheidung nicht unzulässig, zumal die verbale Tatumschreibung eindeutig ist.

9 Das Gesetz enthält keine Bestimmung, dass der Tatbestand der Z 1 des zweiten Satzes des § 5 Abs. 2 StVO nur in dem Sinn subsidiär anzuwenden wäre, dass bei einer Anhaltung des Fahrzeuglenkers nur § 5 Abs. 2 erster Satz StVO zur Anwendung kommen könnte, also nicht auch später eine Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft (nach der Z 1 des zweiten Satzes des § 5 Abs. 2 StVO) ergehen könnte (VwGH vom 26.05.1999, 99/03/0069).

10 Auf Grund einer Messung mit dem Vortestgerät kann auf den Verdacht einer Beeinträchtigung durch Alkohol geschlossen werden, während nur eine Messung mit dem Alkomaten zu einem im Verwaltungsstrafverfahren verwertbaren Ergebnis führen kann (VwGH vom 23. März 2012, 2011/02/0234).

11 Besteht ein Alkoholisierungsverdacht, ist der Betreffende verpflichtet, auch ohne dass ihm ein solcher Verdacht der Alkoholisierung zur Kenntnis gebracht wurde, sich der entsprechenden Untersuchung gemäß § 5 Abs. 2 StVO zu unterziehen (VwGH vom 12. September 2006, 2006/02/0151).

12 Es ist auch nicht erforderlich, einen geprüften Fahrzeuglenker über die Rechtsfolgen einer allfälligen Verweigerung der Atemluftprobe zu belehren, da ihm die Bestimmungen der StVO bekannt sein müssen (VwGH vom 23. Mai 2006, 2006/02/0039).

13 Der Begriff der „nächstgelegenen“ Dienststelle im § 5 Abs. 4 StVO kann nicht wörtlich genommen werden. Vielmehr braucht einer Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 4 StVO nur dann nicht Folge geleistet zu werden, wenn die Aufforderung in Ansehung einer erheblich weiter entfernten Dienststelle (als der nächstgelegenen) erfolgt. Dabei kommt es - unter dem Blickwinkel, dass die Einschränkung der persönlichen Freiheit des zu Untersuchenden möglichst gering gehalten werden soll - darauf an, dass der Rahmen der Zumutbarkeit für den Probanden nicht überschritten wird (VwGH vom 11. August 2005, 2003/02/0170).

14 Das Verwaltungsgericht ist im Revisionsfall in Anbetracht des von ihm festgestellten Sachverhaltes, den der Verwaltungsgerichtshof seiner Prüfung zu Grunde zu legen hat (§ 41 VwGG) und wonach der Revisionswerber nach Anhaltung durch Polizeibeamte und einem Vortestergebnis von 0,33 mg/l Atemalkohol ohne Angabe von Gründen aufgefordert wurde, sich in der nächsten Polizeidienststelle einer Atemluftuntersuchung mittels Alkomaten zu unterziehen, was er verweigert habe, bei seiner rechtlichen Beurteilung von der dargestellten ständigen Rechtsprechung nicht abgewichen, was die Revision auch nicht aufzuzeigen vermochte.

15 Soweit sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes wendet, ist er darauf zu verweisen, dass seinem Vorbringen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu entnehmen sind. Eine solche läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (VwGH vom 28. April 2015, Ra 2015/02/0072). Solches hat der Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht aufgezeigt.

16 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Oktober 2017

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