Normen
AVG §56 impl;
AVG §56;
AVG §59 Abs1 impl;
AVG §8;
B-VG Art130 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WettenG Wr 2016 §23 Abs2 idF 2016/048;
WettenG Wr 2016 §23 Abs2;
WettenG Wr 2016 §23 Abs3 idF 2016/048;
WettenG Wr 2016 §23 Abs3;
WettenG Wr 2016 §23 Abs5 idF 2016/048;
WettenG Wr 2016 §23 Abs5;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Nach der unstrittigen Aktenlage wurden am 11. November 2016 von der revisionswerbenden Partei in einem Lokal in W Wettterminals und ein Wettannahmeschalter sowie acht Wettinformationsgeräte vorgefunden. Der Niederschrift über diese Überprüfung folgend seien die erforderlichen Bewilligungen nach dem Wiener Wettengesetz nicht vorgelegen. Es wurde gemäß § 23 Abs. 2 Wiener Wettengesetz die vorläufige Beschlagnahme von Geräten und des sich in den Geldbehältern der Wettterminals und in der Kasse des Wettannahmeschalters befindlichen Geldes verfügt. Weiter wurde unter anderem verfügt, dass der Betrieb geschlossen wird, um der Fortsetzung des Betriebes mit neuen Wettterminals und neuem Equipment entgegenzuwirken. Das Lokal betreibt die mitbeteiligte Partei. Wettgeräte und Equipment stehen im Eigentum der C GmbH. Zur Sicherung der Betriebsschließung wurden die Schlösser aller vier Türen ausgetauscht. Die neuen Schlüssel wurden bei der Behörde hinterlegt.
2 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom 25. November 2016 wurde gegenüber der C GmbH die Beschlagnahme der am 11. November 2016 vorgefundenen Wettgeräte ausgesprochen.
3 In einem mit 30. November 2016 datierten "Bescheid über eine Betriebsschließung" sprach die revisionswerbende Partei unter anderem aus:
"I. Gemäß § 23 Abs. 3 ... Wiener Wettengesetz ... wird die gänzliche Schließung der Betriebsstätte der (mitbeteiligten Partei) ... Wettbüro mit der äußeren Bezeichnung ‚C', zur Durchführung von Sportwetten durch die (C GmbH) ... verfügt.
II. ‚Gemäß § 23 Abs. 3 ... Wiener Wettengesetz ... werden der (C GmbH)...Kosten für Schlosserarbeiten vorgeschrieben...im Rahmen der Betriebsschließung am 11. November 2016."
4 In der Zustellverfügung dieses Bescheides sind die mitbeteiligte Partei und die C GmbH angeführt.
5 Die mitbeteiligte Partei hat mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2016 "gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, im Wege des Ausspruchs einer Betriebsschließung, Austausches von Türschlössern und Versiegelung von Eingangstüren, vom 11.11.2016, durch das belangte Organ, welches der belangten Behörde zuzurechnen ist" Maßnahmenbeschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben und beantragt, die in Beschwerde gezogenen Akte für rechtswidrig zu erklären und aufzuheben.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht im Spruchpunkt I. wie folgt ausgesprochen:
"Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, als die noch aufrechten Maßnahmen hinsichtlich des Betriebes des Gastgewerbebetriebes der (mitbeteiligten Partei) (Austausch der Türschlösser, Verwahrung der Schlüssel bei der Behörde, Versiegelung der Türen) aufgehoben werden."
7 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht als nicht zulässig.
8 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, dass am 11. November 2016 die Betriebsschließung der C GmbH bzw. der mitbeteiligten Partei verfügt worden sei und zur Sicherung der Betriebsschließung die Schlösser aller vier Türen ausgetauscht und die neuen Schlüssel bei der Behörde hinterlegt sowie die Türen verwaltungsbehördlich versiegelt worden seien. Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei über eine Betriebsschließung vom 30. November 2016 sei die gänzliche Schließung der Betriebsstätte der C GmbH bzw. der mitbeteiligten Partei verfügt worden. Adressiert worden sei dieser Bescheid sowohl an die C GmbH als auch an die mitbeteiligte Partei.
9 In rechtlicher Hinsicht vertrat das Verwaltungsgericht die Ansicht, dass nach der am 11. November 2016 geltenden Rechtslage (§ 23 Abs. 5 Wiener Wettengesetz) die Behörde binnen drei Tagen über die Betriebsschließung vom 11. November 2016 mit Bescheid zu entscheiden gehabt hätte, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gelte. Da der Bescheid der revisionswerbenden Partei unbestrittener Maßen mit 30. November 2016 datiert sei, sei dieser frühestens am 30. November 2016 und damit nach Ende der dreitägigen Frist erlassen worden. Es könne dahinstehen, ob der Bescheid tatsächlich an die Mitbeteiligte zugestellt worden sei. Somit gelte die Verfügung der Betriebsschließung ex lege als aufgehoben. Daher sei spruchgemäß der Beschwerde stattzugeben und die noch aufrechten Maßnahmen hinsichtlich des Betriebes des Gastgewerbebetriebes der mitbeteiligten Partei (Austausch der Türschlösser, Verwahrung der Schlüssel bei der Behörde, Versiegelung der Türen) aufzuheben gewesen.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
11 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Nach Ansicht der revisionswerbenden Partei sei die Maßnahme der Betriebsschließung durch den nachfolgenden Bescheid vom 30. November 2016 außer Kraft getreten, weshalb eine dagegen erhobene Beschwerde zurückzuweisen gewesen wäre.
13 Die Revision ist zulässig und im Ergebnis auch berechtigt. 14 § 23 des Gesetzes über den Abschluss und die Vermittlung
von Wetten (Wiener Wettengesetz), LGBl. Nr. 26/2016, lautet:
"(1) Im Rahmen der Vollziehung dieses Landesgesetzes sind die Organe der zuständigen Behörde sowie die von dieser beigezogenen Sachverständigen befugt, jederzeit und auch ohne Vorankündigung Betriebsstätten von Wettunternehmerinnen und Wettunternehmern zu betreten. Auf Verlangen sind ihnen die Bewilligungsbescheide vorzuweisen, die erforderlichen Auskünfte, auch hinsichtlich der Wettinhalte, zu erteilen, Einsichtnahme in das elektronische Wettbuch sowie in die Duplikate der Wettscheine zu gestatten und die Überprüfung der Wettterminals zu ermöglichen. Sofern es erforderlich ist, können die Wettterminals sowie das elektronische Wettbuch und die Duplikate der Wettscheine auch an einen anderen Ort verbracht und an diesem überprüft werden. Die Durchführung von Probewetten an Wettterminals sind den behördlichen Organen ohne Leistung eines Entgelts und ohne Gewinn zu ermöglichen. Im Rahmen der Überprüfungen sind die Wettterminals auf Verlangen zu öffnen und die Datenträger (z.B. Platinen, Festplatten) auszufolgen sowie die Gerätebuchhaltung offen zu legen.
(2) Besteht der begründete Verdacht, dass die Tätigkeit der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers ohne oder entgegen einer Bewilligung oder einer Anzeige ausgeübt wird, und mit Wettterminals oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen gegen dieses Landesgesetz verstoßen wird, fortgesetzt gegen eine in § 24 Abs. 1 Z 1 bis 17 genannten Vorschriften verstoßen wird, so kann die Behörde die Beschlagnahme der Wettterminals, der sonstigen Eingriffsgegenstände, der technischen Hilfsmittel sowie des dem Wettbetrieb zuzurechnenden Geldes anordnen. Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in diesem Absatz genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, dass die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 24 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber der Eigentümerin oder dem Eigentümer sofort eine Bescheinigung auszustellen, oder, wenn eine solche oder ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten.
(3) Besteht der Verdacht, dass die Tätigkeit einer Wettunternehmerin oder eines Wettunternehmers ohne oder entgegen der Bewilligung ausgeübt wird, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren die gänzliche oder teilweise Schließung jener Betriebsstätten, die der Durchführung von Sportwetten dienen, verfügen. Zur Betriebsschließung ist die Anwendung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zulässig.
(4) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs. 2 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Landesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs. 2 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, dass der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.
(5) Über eine Verfügung nach Abs. 2 ist binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an die Verfügungsberechtigte oder an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Die Eigentümerin oder der Eigentümer kann unter Nachweis ihrer oder seiner Eigentümerschaft Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebescheid beim Verwaltungsgericht erheben.
(6) Ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs. 2 kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
(7) Zur Durchsetzung der Zutritts- und Überprüfungsrechte dürfen erforderlichenfalls Maßnahmen der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, einschließlich der Anwendung körperlichen Zwangs, unbeschadet der Strafbestimmungen gemäß § 24 gesetzt werden. Verschlossene Haus- und Zimmertüren und verschlossene Behältnisse dürfen zum Zwecke der Durchsetzung der Überwachungsaufgaben geöffnet werden. Die Organe haben sich dabei der jeweils gelindesten noch zum Ziel führenden Maßnahme zu bedienen.
(8) Erwachsen der Behörde durch die Schließung der Betriebsstätte oder die Beschlagnahme nach Abs. 2 oder durch Maßnahmen gemäß Abs. 3 Kosten, so sind diese der Wettunternehmerin oder dem Wettunternehmer dann zum Ersatz mit Bescheid vorzuschreiben, wenn sie oder er ihre oder seine Tätigkeit nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend ausgeübt hat.
(9) Verwaltungsbehörden haben die zu ihrer Kenntnis gelangenden begründeten Verdachtsfälle verbotener Wetttätigkeiten der in § 22 Abs. 1 genannten Behörde unverzüglich anzuzeigen."
15 Durch die Novelle des Wiener Wettengesetzes LGBl. Nr. 48/2016 wurde unter anderem in § 23 Abs. 5 im ersten Satz nach der Wortfolge "Verfügungen nach Abs. 2" die Wortfolge "und Abs. 3" eingefügt und die Wortfolge "drei Tagen" wurde durch die Wortfolge "eines Monats" ersetzt.
16 Nach ihrem Artikel II trat die Novelle LGBl. Nr. 48/2016 mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung, das war am 11. November 2016, in Kraft, somit am 12. November 2016.
17 Das Verwaltungsgericht ging entscheidungswesentlich von der am 11. November 2016 in Geltung gewesenen Rechtslage aus, wonach im Gefolge einer Maßnahme binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen sei, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gelte und wertete demzufolge den Bescheid vom 30. November 2016 insofern als "verspätet" erlassen, als die Betriebsschließung bereits ex lege als aufgehoben gegolten habe. Die noch aufrechten tatsächlichen Maßnahmen, die das Verwaltungsgericht als im Rahmen der Betriebsschließung getroffen ansah und dieser zuordnete, seien demnach aufzuheben gewesen.
18 Allerdings hat sich in der bis 11. November 2016 in Geltung gewesenen Stammfassung von § 23 Abs. 5 Wiener Wettengesetz die Drei-Tagesfrist zur Erlassung eines schriftlichen Bescheides ausdrücklich nur auf "eine Verfügung gemäß Abs. 2", also auf Beschlagnahmen, bezogen. Für eine Verfügung (Maßnahme) über die Schließung einer Betriebsstätte gemäß Abs. 3 leg. cit. findet sich eine solche Befristung nicht. Erst seit Inkrafttreten der oben wiedergegebenen Novelle LGBl. Nr. 48/2016 am 12. November 2016 sind von einer Befristung für die nachfolgende Bescheiderlassung - bei sonstiger Aufhebung der Verfügung - auch Betriebsschließungen gemäß Abs. 3 erfasst; jedoch gilt nunmehr anstatt der Drei-Tagesfrist die Monatsfrist.
19 Bei dieser Frist handelt es sich um eine verfahrensrechtliche, weshalb bei einer Änderung der Frist das im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltende neue Recht anzuwenden ist, und zwar auch auf frühere Rechtsvorgänge (vgl. die bei Walter/Thienel, bei E 296. Zu § 56 AVG zitierte hg. Rechtsprechung sowie VwGH vom 7. Juni 2000, 99/03/0422, und vom 20. September 1978, 0265/78).
20 Wäre daher der Bescheid über die Betriebsschließung vom 30. November 2016 rechtzeitig erlassen worden, stünde dieser der selbständigen Anfechtung der Maßnahme entgegen (vgl. etwa VwGH vom 27. Februar 2013, 2012/17/0531 und 0603, und VwGH vom 30. Jänner 2013, 2012/17/0432).
21 Ein Bescheid ist dann erlassen, wenn er verkündet oder formgerecht zugestellt wurde; im Mehrparteienverfahren ist ein Bescheid als erlassen anzusehen, wenn er einer Partei zugestellt wurde (vgl. Grundlegendes zur Erlassung von Bescheiden VwGH vom 26. April 1993, 91/10/0252, mwN).
22 Zwar hat die revisionswerbende Partei nach der Maßnahme vom 11. November 2016 durch Zustellung des Bescheides vom 30. November 2016 am 7. Dezember 2016 ausschließlich gegenüber der C GmbH innerhalb eines Monats einen Bescheid erlassen. Dieser war hinsichtlich der Betriebsschließung (Spruchpunkt I.) ausschließlich an die mitbeteiligte Partei als Betreiberin der Betriebsstätte gerichtet, während er hinsichtlich der Kostentragung nach § 23 Abs. 8 Wiener Wettengesetz (Spruchpunkt II.) an die C GmbH gerichtet war (über die Beschlagnahme erging ein gesonderter Bescheid an die C GmbH). Eine Parteistellung der C GmbH im Betriebsschließungsverfahren wurde auch nicht dadurch begründet, dass der erstinstanzliche Bescheid an sie ergangen ist (vgl. VwGH vom 24. Februar 2014, 2013/17/0517).
23 Hatte die C GmbH aber keine Parteistellung im Betriebsschließungsverfahren, konnte der Bescheid vom 30. November 2016 hinsichtlich der Betriebsschließung (Spruchpunkt I.) durch Zustellung an sie nicht wirksam erlassen werden. Eine Zustellung an die mitbeteiligte Partei hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt, eine solche ergibt sich auch nicht aus der Aktenlage.
24 Mangels Erlassung eines Bescheides hinsichtlich der Betriebsschließung binnen Monatsfrist gilt die Verfügung der Betriebsschließung gemäß § 23 Abs. 5 Wiener Wettengesetz in der Fassung LGBl. Nr. 48/2016 als aufgehoben.
25 Im Ergebnis ist das Verwaltungsgericht daher zutreffend von der Fiktion der Aufhebung der Verfügung der Betriebsschließung ausgegangen, hat jedoch dessen ungeachtet die "noch aufrechten Maßnahmen ...(Austausch der Türschlösser, Verwahrung der Schlüssel bei der Behörde, Versiegelung der Türen) aufgehoben".
26 Galt aber die Maßnahme der Betriebsschließung als aufgehoben, bezog sich diese Wirkung auf alle damit zusammenhängenden faktischen Verfügungen, die als Einheit zu werten sind (vgl. zur Betriebsschließung nach § 360 Abs. 3 GewO VwGH vom 26. Juni 2001, 2001/04/0073, wo etwa auch der Austausch der Schlösser als Maßnahme der Betriebsschließung gesehen wird).
27 In diesem Licht erweist sich die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Aufhebung der bereits als aufgehoben anzusehende(n) Maßnahme(n) als rechtswidrig.
28 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wien, am 9. Juni 2017
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