VwGH Ra 2016/18/0201

VwGHRa 2016/18/020125.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des E alias A alias I A alias D alias M in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11,gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016, Zl. W211 1423111-2/15E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32011L0095 Status-RL;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §39;
EURallg;
FlKonv Art1;
VwGG §41;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 2. Dezember 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 29. März 2010 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) in der Fassung vor dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (FNG) zurückgewiesen und der Revisionswerber nach Italien ausgewiesen.

2 Am 24. Oktober 2011 stellte der Revisionswerber den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, dass er mit seiner (damaligen) Frau und Tochter in Österreich zusammenleben wolle. Neue Fluchtgründe habe er keine.

3 Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. November 2011 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 2005 in der Fassung vor dem FNG zurückgewiesen und der Revisionswerber nach Italien ausgewiesen, weil der Revisionswerber in Italien als Konventionsflüchtling anerkannt sei.

4 Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23. Jänner 2012 behoben. Dies mit der Begründung, die belangte Behörde habe hinsichtlich der Frage einer möglichen Verletzung des Art. 8 EMRK ein mangelhaftes Verfahren durchgeführt.

5 Mit Bescheid vom 21. November 2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen den abweisenden Teil des Bescheides erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

7 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 25. November 2016, E 2760/2016-5, abgelehnt und die mit Beschluss vom 12. Jänner 2017, E 2760/2016-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.

8 Die daraufhin eingebrachte außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit - zusammengefasst - vor, das BVwG habe den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht individuell begründet. Zudem seien Ermittlungspflichten verletzt worden, weil das BVwG die Tatsache, dass dem Revisionswerber in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei, außer Acht gelassen habe. Bei gleicher Sachlage würden die primärrechtlichen Grundsätze, die RL 2011/95/EU (Statusrichtlinie) sowie Art. 18 und Art. 20 GRC wohl gebieten, dem Revisionswerber auch in einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Durch Ausklammerung des italienischen Asylverfahrens habe es Willkür geübt sowie Art. 47 GRC und § 39 AVG verletzt. In eventu werde ein Vorabentscheidungsverfahren an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Frage der Auslegung von Art. 18 GRC bzw. der Statusrichtlinie angeregt. Letztlich macht die Revision zu ihrer Zulässigkeit geltend, der nunmehrigen Lebensgefährtin und der am 6. Juli 2016 geborenen Tochter des Revisionswerbers sei in Österreich jeweils der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden. Die sich aus § 34 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ergebende Differenzierung zwischen Ehegatten und Lebensgefährten einerseits sowie das Abstellen auf das Bestehen der Ehe bereits im Herkunftsstaat andererseits verstoße gegen Art. 20 in Verbindung mit Art. 7 und Art. 33 GRC und widerspreche dem Urteil des EGMR vom 6. November 2012, Hode und Abdi gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 22341/09. Auch hinsichtlich der Frage der Konformität von Art. 2 lit. j Statusrichtlinie mit der GRC bzw. mit Art. 8 und Art. 14 EMRK werde die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH angeregt.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Sofern die vorliegende Revision zunächst moniert, das BVwG habe seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nur mit "inhaltsleeren Floskeln" begründet, ist zu entgegnen, dass dieser Begründungsmangel nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dazu führt, dass die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig wäre (vgl. VwGH vom 1. März 2016, Ra 2015/18/0275, mwN).

13 Dem Vorbringen, das BVwG habe durch Außerachtlassung der italienischen Entscheidung im dortigen Asylverfahren des Revisionswerbers dem Zweck der Statusrichtlinie widersprochen und es seien dadurch Bestimmungen der GRC sowie § 39 AVG verletzt worden, ist zunächst zu entgegnen, dass der Statusrichtlinie nicht zu entnehmen ist, dass die Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus in einem Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat zur Zuerkennung desselben Status verpflichtet oder diesbezüglich besondere Ermittlungspflichten ausgelöst werden. Die Festlegung gemeinsamer Kriterien für die Anerkennung von Asylwerbern als Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Erwägungsgrund 24 der Statusrichtlinie) schließt nicht aus, dass verschiedene Anträge desselben Asylwerbers (in verschiedenen Mitgliedstaaten) unterschiedlich entschieden werden, zumal im gegenständlichen Fall seit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Italien und der nun angefochtenen Entscheidung des BVwG über sieben Jahre vergangen sind und der Revisionswerber auch nicht darlegt, inwiefern das BVwG seine Entscheidung nicht auf dieselben Kriterien wie die italienischen Behörden gestützt haben soll. Vielmehr hat das BVwG - in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung ankommt - die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten unter Berücksichtigung der aktuellen Lage im Herkunftsstaat vor allem mit der mangelnden Aktualität der behaupteten Verfolgungsgefahr begründet (vgl. zur Flüchtlingseigenschaft im Entscheidungszeitpunkt etwa VwGH vom 3. Mai 2016, Ra 2015/18/0212; vgl. auch Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz. Erläuterungen zur Qualifikationsrichtlinie2 (2012) § 11 Rz 11).

14 Sofern der Revisionswerber - unter Berufung auf seine in Österreich asylberechtigte Lebensgefährtin und Tochter - Verletzungen der GRC und der EMRK aufgrund der in § 34 Abs. 6 Z 2 und § 2 Z 22 AsylG 2005 enthaltenen Definition des "Familienangehörigen" geltend macht, ist zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen hat. Daraus wird auch abgeleitet, dass neue Tatsachen, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht werden, bei der Entscheidung über die Revision keine Berücksichtigung finden können (vgl. VwGH vom 18. Jänner 2017, Ra 2016/18/0258, 0259, mwN).

15 Wenn die Revision nunmehr vorbringt, der Revisionswerber habe eine asylberechtigte Lebensgefährtin und Tochter in Österreich, so ist dem entgegenzuhalten, dass dieser Umstand - entgegen der Behauptung in der Revision - bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses vom Revisionswerber nicht vorgebracht worden war und dem BVwG somit nicht bekannt gewesen sein konnte. Die Revision macht auch nicht geltend, dass es dem Revisionswerber - aufgrund eines mangelhaften Verfahrens - nicht möglich gewesen wäre, ein solches Vorbringen schon vor Einbringung der gegenständlichen Revision zu erstatten. Damit verstößt dieses Vorbringen aber gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot und kann daher keine Beachtung finden (vgl. VwGH vom 2. Jänner 2017, Ra 2016/18/0235, 0239, mwN), ohne dass auf die Berechtigung der Kritik an der nationalen Gesetzeslage zum Familienangehörigenbegriff näher eingegangen werden muss.

16 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. April 2017

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