Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis zog das Bundesfinanzgericht den Revisionswerber im Instanzenzug gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der R. GmbH heran und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Die R. GmbH habe im Jänner 2009 Löhne, Gehälter, Leasingraten für den Fuhrpark und verschiedene Zug-um-Zug-Zahlungen angewiesen, sei "im Laufe des Monates Jänner 2009 wohl endgültig zahlungsunfähig" geworden und "ab Ende Jänner 2009 zahlungsunfähig" gewesen. Der Revisionswerber sei vom 5. Juli 2007 bis 19. März 2009 als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der R. GmbH eingetragen gewesen. Am 30. März 2009 sei das Insolvenzverfahren über die R. GmbH eröffnet worden.
3 Die Abgabenschuldigkeiten der R. GmbH, zu welchen der Revisionswerber zur Haftung herangezogen wurde, betrafen u.a. die Umsatzsteuer für Oktober 2008 und die Lohnsteuer für Jänner 2009 mit zwei jeweils näher angeführten Beträgen.
4 Zur Umsatzsteuer für Oktober 2008 hielt das Bundesfinanzgericht fest, diese resultiere aus einem Auftrag der W. GmbH zur Errichtung einer Vordachkonstruktion im Jahr 2008. Das Anbot habe die Anbotssumme samt Umsatzsteuer ausgewiesen und sei an die W. GmbH und den Revisionswerber persönlich, der damals auch alleinig selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der W. GmbH gewesen sei, gerichtet gewesen. Dem Einwand des Revisionswerbers, dass kein Schaden entstanden sei, hielt das Bundesfinanzgericht entgegen, dass die insolvente R. GmbH infolge der unrichtigen Rechnungslegung (ohne Umsatzsteuer) Abgaben in Höhe von rund 38.485,82 EUR verkürzt entrichtet habe.
5 Die R. GmbH habe im Jänner 2009 noch Löhne ausbezahlt, die darauf entfallende Lohnsteuer sei nicht entrichtet worden.
6 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
7 Der Revisionswerber erachtet sich im Recht, nicht zur Haftung herangezogen zu werden, sowie im Recht auf fehlerfreie Ermessensübung verletzt.
8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); das Finanzamt Klagenfurt reichte mit Schriftsatz vom 28. November 2016 eine Revisionsbeantwortung ein und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Der Revisionswerber trägt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, es gebe keine gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung für eine Umsatzsteuer, wenn kein Schaden entstanden wäre, weil bei richtiger Rechnungslegung und richtiger Umsatzsteuervoranmeldung die Rechnungsempfängerin die in Rechnung zu stellende Umsatzsteuer als Vorsteuer hätte abziehen können.
13 Weiters trägt der Revisionswerber vor, er sei zur Haftung für die Lohnsteuer für Jänner 2009 herangezogen worden, welche zum 15. Februar 2009 fällig gewesen sei, obwohl er zur Sicherung der Lohnsteuer Sorge getragen habe und erst in weiterer Folge Umstände eingetreten seien, die die Begleichung der Lohnsteuer unmöglich gemacht hätten.
14 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. 15 Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
16 Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
17 Der Revisionswerber trägt zur Umsatzsteuer für Oktober 2008 vor, dem Finanzamt sei gar kein Schaden entstanden, für den er zu haften hätte. Wäre nämlich die Rechnung mit Umsatzsteuer fakturiert worden, so wäre dieser Betrag seitens der Rechnungsempfängerin an die Primärschuldnerin angewiesen worden, von dieser ordnungsgemäß in der Umsatzsteuervoranmeldung angemeldet und in weiterer Folge abgeführt worden. Die Rechnungsempfängerin hätte sodann denselben Betrag als Vorsteuer geltend gemacht und es hätte sich dabei daher lediglich um einen Durchlaufposten beim Finanzamt gehandelt. Ein tatsächlicher Schaden über diesen Betrag liege somit nicht vor.
18 Der Revisionswerber übersieht, dass die Haftung nach § 9 BAO nicht die Haftung für einen Schaden darstellt, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern dass der Tatbestand des § 9 BAO darauf abstellt, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können. Somit ist ausschließlich ausschlaggebend, ob die Abgabenschuldnerin (im Revisionsfall die R. GmbH) die in Rede stehende Umsatzsteuer für Oktober 2008 geschuldet und entrichtet hat.
19 Auf den Umstand, dass bei entsprechender Fakturierung durch die R. GmbH dieser Betrag allenfalls einem anderen Unternehmer in Rechnung gestellt und von diesem als Vorsteuer von dessen Steuerschuld abgezogen worden wäre, kommt es für die Frage der Steuerschuld der R. GmbH nicht an.
20 Dem bereits vor dem Verwaltungsgericht erstatteten Vorbringen, dem Steuerberater (der R. GmbH) sei ein Rechtsirrtum unterlaufen, weshalb der Revisionswerber von der Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung nichts gewusst habe, hat bereits das Bundesfinanzgericht die Aufnahme der Umsatzsteuer in das Anbot entgegengehalten. Diesen Ausführungen des Bundesfinanzgerichts wird in der Revision nichts entgegengehalten und eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes somit nicht aufgezeigt.
21 Zur Lohnsteuer für Jänner 2009 trägt der Revisionswerber vor, er habe zum Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne dafür Sorge getragen, dass die Lohnsteuer aus den vorhandenen Mitteln ausbezahlt werden könne. Erst im Nachhinein - nach Erfüllung der den Revisionswerber treffenden Pflicht zur Einbehaltung der Lohnsteuer - seien Umstände eingetreten, die es ihm unmöglich gemacht hätten, die Lohnsteuer für Jänner am Fälligkeitstag (Montag, 16. Februar 2009) auszuzahlen.
22 Der Vertreter haftet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschuld im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2015, 2013/16/0208, mwN).
23 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Beschwerdeführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2011, 2009/16/0106).
24 Der Revisionswerber führt ins Treffen, dass er die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer durchaus einbehalten habe, jedoch später bis zum Zeitpunkt, zu dem die Abfuhr hätte erfolgen sollen, Umstände eingetreten seien, welche die Abfuhr verhindert hätten.
25 Es stellt sich die Frage, ob bei Erfüllung der Einbehaltungspflicht für den Zeitraum zwischen Ausbezahlung der Löhne und Einbehaltung der Lohnsteuer einerseits und dem Zeitpunkt der Verpflichtung zur Abfuhr (Fälligkeitstag) andererseits sich ändernde wirtschaftliche Verhältnisse der abfuhrpflichtigen Primärschuldnerin dahingehend auswirken können, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer die Abfuhrpflicht vom Gleichbehandlungsgebot erfasst wäre.
26 Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa ausgesprochen, dass ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen ist, wenn die Lohnsteuer nicht einbehalten und zur Gänze an das Finanzamt abgeführt wird; der Geschäftsführer hätte ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung die einzubehaltende Lohnsteuer zur Gänze abzuführen gehabt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009, 2009/15/0013).
27 In den Erkenntnissen vom 22. April 2009, 2008/15/0283, und vom 29. Jänner 2004, 2000/15/0168, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verpflichtung nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinausgeht; aus den Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG ergibt sich die Verpflichtung, dass die Lohnsteuer - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - jeweils zur Gänze zu entrichten ist.
28 Schon im Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 2001/15/0187, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das allfällige Fehlen liquider Mittel das Unterlassen der Abfuhr von Lohnsteuer nicht hätte entschuldigen können.
29 Dem ist zu entnehmen, dass die einbehaltene Lohnsteuer zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden ist und bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot unterliegt.
30 Somit trifft den Vertreter nach § 80 BAO die Verpflichtung, die Lohnsteuer einerseits einzubehalten und andererseits - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des Gleichbehandlungsgebotes - zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen.
31 Die vom Bundesfinanzgericht festgestellte, nach Ausbezahlung der Löhne für Jänner 2009 - und behaupteter Einbehaltung der Lohnsteuer - eingetretene Zahlungsunfähigkeit der R. GmbH vor dem Fälligkeitstag, zu dem die Lohnsteuer abzuführen gewesen wäre (Montag, 15. Februar 2009), kann somit keinen Umstand darstellen, welcher die R. GmbH und damit den Revisionswerber von der Verpflichtung enthoben hätte, die einbehaltene Lohnsteuer auch abzuführen.
32 Dass andere konkrete Umstände vorgelegen wären, behauptet der Revisionswerber nicht.
33 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
34 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
35 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.
Wien, am 19. Oktober 2017
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