VwGH Ra 2016/13/0029

VwGHRa 2016/13/002931.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, BA, über die Revision des Finanzamts Neunkirchen Wiener Neustadt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 95, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. Jänner 2016, Zl. RV/7104262/2014, berichtigt gemäß § 293 BAO mit Beschluss vom 23. Juni 2016, betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2012 (mitbeteiligte Partei: F in N),

Normen

ABGB §485;
EStG §28 Abs1 Z1;
EStG §28 Abs1 Z3;
EStG §29 Z3;

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Die Revision wird, soweit sie Einkommensteuer 2012 betrifft, als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie Umsatzsteuer 2012 betrifft, zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom 26. Februar 2014 wurde u.a. festgehalten, die Liegenschaft X habe bis zu ihrem Ableben im Jahr 2010 der Mutter des Mitbeteiligten gehört. Danach sei die Liegenschaft zur Gänze an die Schwester des Mitbeteiligten übertragen worden, welche die Liegenschaft je zur Hälfte ihren beiden Töchtern geschenkt habe. Dem Mitbeteiligten sei schon im Jahr 2000 für den Fall des Ablebens seiner Mutter ein Fruchtgenussrecht an zwei Wohnungen (Nr. 2 und Nr. 4) eingeräumt worden. Im Februar 2012 habe der Mitbeteiligte mit einem Schwiegersohn seiner Schwester einen Vertrag abgeschlossen, in welchem er gegen eine Zahlung von 77.000 EUR auf sein Fruchtgenussrecht hinsichtlich einer der Wohnungen (Nr. 2) verzichtet habe; der Zahlungseingang sei ebenfalls im Februar 2012 erfolgt. Die Zahlung für die Ablöse des Fruchtgenussrechts sei gemäß § 28 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 zu erfassen. Die Ablösezahlung sei auch umsatzsteuerpflichtig.

2 Das Finanzamt schloss sich der Ansicht der Prüferin an und setzte Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2012 mit Bescheiden vom 3. März 2014 fest.

3 Der Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Beschwerde. Er wandte sich gegen die steuerliche Erfassung des Entgelts für den Verzicht auf das Fruchtgenussrecht.

4 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 28. August 2014 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

5 Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte die Bescheide betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2012 ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen werde.

7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, im Februar 2012 habe der Mitbeteiligte gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages in Höhe von 77.000 EUR auf das ihm zustehende Fruchtgenussrecht an der Wohnung Nr. 2 verzichtet, nachdem der Ehegatte einer Nichte des Mitbeteiligten (die Liegenschaft sei im Eigentum der beiden Nichten des Mitbeteiligten gestanden) mit diesem Wunsch an ihn herangetreten sei. Die Wohnung sei im Februar 2012 nicht vermietet gewesen. Eine Zahlung des Abfindungsbetrages bzw. eine Mietvorauszahlung durch einen - auch vormaligen - Mieter sei offenkundig nicht vorgelegen. Das Interesse des Ehegatten der Nichte des Mitbeteiligten dürfte darin gelegen gewesen sein, für seine betagte Mutter eine Wohnmöglichkeit zu schaffen. Die Vereinbarung der entgeltlichen Ablöse eines Fruchtgenussrechts durch den Eigentümer könne nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen, weil es an dem Moment der nicht dauernden Überlassung eines Rechts mangle. Die Ablöse durch den Eigentümer führe zum Untergang des Rechts, weshalb dieses nicht unter § 28 EStG 1988 fallen könne. Mangels diesbezüglicher steuerpflichtiger Umsätze sei auch der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid Folge zu geben gewesen.

8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts. Der Mitbeteiligte erstattete - ohne dass ein Vorverfahren eingeleitet worden wäre - eine Revisionsbeantwortung.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision, soweit diese Einkommensteuer 2012 betrifft, erwogen:

10 Die Revision erweist sich in diesem Umfang zur Klarstellung der Rechtslage als zulässig, sie ist aber nicht begründet.

11 Gemäß § 28 Abs. 1 EStG 1988 sind u.a. folgende Einkünfte, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 5 EStG 1988 gehören, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und von Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (Z 1); Einkünfte aus der Überlassung von Rechten auf bestimmte oder unbestimmte Zeit oder aus der Gestattung der Verwertung von Rechten (Z 3).

12 Die Begriffe "Vermietung" und "Verpachtung" knüpfen nicht an das Zivilrecht an; maßgeblich ist der wirtschaftliche Gehalt des Sachverhalts. Der wesentliche wirtschaftliche Gehalt einer Vermietung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 besteht in der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung (vgl. das Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, 96/14/0012; vgl. auch Doralt, EStG9, § 28 Tz 8). Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 28 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 zählen demnach auch Einkünfte aus der Einräumung dem Miet- oder Pachtrecht wirtschaftlich ähnlicher (auch dinglicher) Rechte, wie etwa eines Fruchtgenussrechts (vgl. Quantschnigg/Schuch, § 28 Tz 14; vgl. auch das Erkenntnis vom 29. Juli 2010, 2006/15/0317, VwSlg. 8568/F:

Einräumung einer Dienstbarkeit).

13 Einkünfte iSd § 28 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 EStG 1988 liegen aber dann nicht vor, wenn es sich um keine - zeitlich beschränkte -

Gebrauchsüberlassung handelt, sondern das Recht endgültig "überlassen" wird. In diesem Fall liegt, wenn es sich (in Abgrenzung von einer Leistung nach § 29 Z 3 EStG 1988) um eine Vermögensumschichtung handelt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Juni 2008, 2008/15/0132, VwSlg. 8349/F; vgl. auch Doralt, EStG8, § 29 Tz 37), ein Veräußerungstatbestand vor. Bei der Aufgabe einer Einkunftsquelle eines Fruchtgenussberechtigten, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, handelt es sich um eine Vermögensumschichtung (vgl. das Erkenntnis vom 16. September 1986, 83/14/0123, VwSlg. 6146/F).

14 Zivilrechtlich ist anerkannt, dass ein Fruchtgenussrecht "der Ausübung nach" oder auch "der Substanz nach", mit obligatorischer oder mit dinglicher Wirkung, sowohl hinsichtlich eines realen, als auch eines ideellen Teiles der Sache übertragen werden kann (vgl. Spath in Kodek/Schwimann, ABGB4 § 485 Tz 2; vgl. auch den Beschluss des OGH vom 21. Februar 2014, 5 Ob 157/13v). Überträgt der Fruchtgenussberechtigte dabei seine Rechte an den Eigentümer der mit dem Fruchtgenussrecht belasteten Liegenschaft, stellt sich auch die Auslegungsfrage nach einem teilweisen Verzicht des Fruchtgenussberechtigten auf seine Dienstbarkeit (vgl. etwa den Beschluss des OGH vom 23. November 2010, 1 Ob 185/10b).

15 Einkommensteuerlich ist insoweit von Bedeutung, ob das Fruchtgenussrecht zur Nutzung überlassen oder ob dieses auf einen Dritten übertragen bzw. darauf endgültig verzichtet wurde.

16 Dem - auch in der Revision angeführten - Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, 2009/15/0046, VwSlg. 8606/F, lag der Sachverhalt zu Grunde, dass die im Grundbuch eingetragene Fruchtgenussberechtigte ihr Fruchtgenussrecht "aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Vertrages" an die Mieterin "abgetreten" hatte. Der Verwaltungsgerichtshof beurteilte diesen Sachverhalt dahin, dass eine entgeltliche Übertragung des Fruchtgenussrechts der Ausübung nach - vergleichbar einer Untervermietung durch einen Hauptmieter - vorgelegen sei.

17 Im hier zu beurteilenden Fall hat hingegen der Mitbeteiligte auf sein Fruchtgenussrecht verzichtet. Es liegt insoweit keine zeitlich beschränkte Überlassung dieses Rechtes an einen Dritten vor, sodass die Einkunftsquelle beim Mitbeteiligten - entsprechend einer Untervermietung - weiterhin aufrecht wäre, es liegt vielmehr ein endgültiger Verzicht auf das Recht vor. Der Verzicht ist demnach als Veräußerung des Rechtes zu beurteilen (vgl. auch das Urteil des deutschen BFH vom 19. Dezember 2000, IX R 96/97, BStBl. 2001 II S 391).

18 Der Vorteil aus der Veräußerung der Einkunftsquelle unterlag nach der hier noch anzuwendenden Rechtslage - dass die Voraussetzungen eines Spekulationsgeschäftes im Sinne des § 30 EStG 1988, idF vor BGBl. I Nr. 112/2012, gegeben gewesen wären, wird auch in der Revision nicht behauptet - nicht der Einkommensteuer.

19 Die Revision betreffend Einkommensteuer 2012 war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

20 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

21 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

22 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

23 Betreffend Umsatzsteuer führt die Revision zur Zulässigkeit aus, der Verwaltungsgerichthof habe mit Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, 2009/15/0046, bereits ausgesprochen, dass die entgeltliche Nutzungsüberlassung zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führe. Indem das Bundesfinanzgericht im Revisionsfall das Vorliegen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Ablösezahlung "und in weiterer Folge daher auch das Vorliegen von steuerpflichtigen Umsätzen gem. § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994" verneint habe, sei es nach Ansicht des Finanzamtes in Verkennung der Rechtslage von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Auch im Rahmen der Ausführungen zur Begründung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung verweist die Revision zur Umsatzsteuer lediglich darauf, bei der Ablösezahlung handle es sich um einkommensteuerpflichtige Einnahmen gemäß § 28 Abs. 1 EStG 1988, "sodass daher auch steuerpflichtige Umsätze gem. § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994" vorlägen.

24 Mit diesem nur auf einkommensteuerrechtliche Überlegungen gestützten Vorbringen wird im Hinblick auf die obigen Ausführungen zur Einkommensteuer keine wesentliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

25 Betreffend Umsatzsteuer 2012 war daher die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 31. März 2017

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