VwGH Ra 2016/05/0099

VwGHRa 2016/05/009924.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des G S in G, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 26. Juli 2016, Zl. LVwG- 2015/37/2800-16, betreffend einen Entfernungsauftrag nach § 73 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Normen

AWG 2002 §15 Abs3;
AWG 2002 §5 Abs1;
AWG 2002 §73 Abs1 Z1;
AWG 2002 §73;
B-VG Art7 Abs1;
AWG 2002 §15 Abs3;
AWG 2002 §5 Abs1;
AWG 2002 §73 Abs1 Z1;
AWG 2002 §73;
B-VG Art7 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (im Folgenden: BH) vom 23. September 2013 wurden dem Revisionswerber unter anderem (unter Spruchpunkt A) die forstrechtliche Bewilligung zur dauernden Rodung von 19.674,9 m2 Wald auf dem Grundstück Nr. 720/1 und von 10.101,2 m2 Wald auf dem Grundstück Nr. 721/1 sowie (unter Spruchpunkt B) die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Durchführung näher beschriebener Maßnahmen in demselben flächenmäßigen Umfang auf den beiden Grundstücken, jeweils zum Zwecke der Schaffung einer landwirtschaftlichen Fläche nach Maßgabe näher bezeichneter Projektunterlagen und Projektergänzungen und unter Einhaltung der (unter Spruchpunkt C) angeführten Nebenbestimmungen und Auflagen, erteilt.

2 Mit Bescheid der BH vom 17. September 2015 wurde dem Revisionswerber gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (im Folgenden: AWG) der Auftrag erteilt, das im Rahmen der Umsetzung der mit Bescheid der BH vom 23. September 2013 naturschutzrechtlich bewilligten landwirtschaftlichen Geländekorrektur auf dem Grundstück Nr. 720/1 über das bewilligte unbedingt erforderliche Ausmaß hinaus abgelagerte Aushubmaterial, bei welchem es sich somit um Abfall im Sinne des AWG handle, im Ausmaß von 10.000 m3 von dieser Fläche zu entfernen und einer ordnungsgemäßen und gesetzlichen Entsorgung zuzuführen, sodass sich eine Schlussausgestaltung der betroffenen Fläche ergebe, welche dem Bescheid vom 23. September 2013 entspreche. Diese Maßnahmen seien innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides umzusetzen und abzuschließen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (unter Spruchpunkt 1.) die vom Revisionswerber gegen den Bescheid vom 17. September 2015 erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt 2.) eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5 Die BH und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

6 Mit Schriftsatz vom 27. November 2016 replizierte der Revisionswerber darauf.

II.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa den Beschluss vom 29. September 2016, Ra 2016/05/0083, mwN).

11 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung (unter Punkt 3.b) gegen die mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte Annahme der BH, dass im Rahmen der Umsetzung der mit Bescheid der BH vom 23. September 2013 naturschutzrechtlich bewilligten landwirtschaftlichen Geländekorrektur auf dem Grundstück Nr. 720/1 das bewilligte, unbedingt erforderliche Ausmaß an abgelagertem Bodenaushubmaterial um 10.000 m3 überschritten worden sei, und bringt zusammenfassend vor, dass für diese Annahme eine nachvollziehbare Begründung fehle. Dazu ist Folgendes auszuführen:

12 Nach ständiger hg. Judikatur sind Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. nochmals den Beschluss, Ra 2016/05/0083, mwN). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge etwa im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes - zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist - nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa den Beschluss vom 24. November 2015, Ra 2015/05/0075, mwN). Davon kann hier jedoch keine Rede sein.

13 Den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen zufolge war laut dem Einreichprojekt (Seite 3, "Beschreibung der Maßnahmen"; Seite 5 f, "Technischer Bericht"), das dem Bewilligungsbescheid vom 23. September 2013 zugrunde liegt, geplant, für eine Mähwiese nach Rodung und Herstellung einer ebenen Fläche, um den notwendigen Bodenaufbau zu gewährleisten, auf die Fläche etwa 30 bis 50 cm Zwischenboden aufzutragen und die gesamte Fläche mit etwa 15 cm Humus zu bedecken. Ferner wurde in diesen Einreichunterlagen (Seite 10, "Angaben zum geplanten Volumen Bodenaushub") angeführt, es sei geplant, im Mittel 40 cm Bodenaushub aufzutragen, was ein Volumen von etwa 11.920 m3 ergebe. Den weiteren Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge wurde (zur Errichtung der landwirtschaftlichen Fläche auf dem Grundstück Nr. 720/1) der auf der Kultivierungsfläche bereits vorhandene Humus im Ausmaß von ca. 2.000 m3 seitlich gelagert sowie anschließend der bei einem Neubau im Bereich der Hofstelle des Revisionswerbers angefallene Humus im Ausmaß von ca. 5.000 m3 zur Projektfläche gebracht und gemeinsam mit dem bereits vorhandenen Humus aufgetragen. Die ebenfalls zur Herstellung der Kultivierungsfläche verwendeten Bodenaushubmaterialien, nämlich ca. 3.700 m3, ca. 11.500 m3 und ca. 4.500 m3, stammten von drei (näher genannten) Baustellen, und insgesamt wurden Bodenaushubmaterialien im Ausmaß von ca. 25.000 m3 aufgetragen. Bei diesen Sachverhaltsfeststellungen stützte sich das Landesverwaltungsgericht (u.a.) auf die Stellungnahmen des naturkundlichen Amtssachverständigen Mag. E. und des vermessungstechnischen Amtssachverständigen Mag. F.

14 In der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG erstatteten Zulässigkeitsbegründung tritt der Revisionswerber diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegen. Insbesondere legt die Revision nicht dar, dass die weitere Annahme des Landesverwaltungsgerichtes, das mit Bescheid der BH vom 23. September 2013 bewilligte Ausmaß der Aufbringung von Bodenaushubmaterialien auf dem Grundstück Nr. 720/1 sei um ca. 10.000 m3 überschritten worden, auf einem Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze beruhe oder ihr eine in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommene Beweiswürdigung zugrunde liege.

15 Wenn die Revision die Ausführungen des agrarfachlichen Amtssachverständigen Ing. E. ins Treffen führt, wonach eine durchgehend maschinell bearbeitbare Kultivierungsfläche dem Stand der Technik entspreche und es zur Erreichung des Projektziels (Herstellung einer maschinell bewirtschaftbaren Mähwiese) notwendig gewesen sei, mehr Material aufzubringen, "als im Projekt mit pauschalen Schichtdickenangaben beschrieben", so zeigt sie damit nicht auf, dass das Landesverwaltungsgericht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung unrichtig beantwortet habe, setzt sie sich damit doch nicht mit den Rechtsausführungen des Landesverwaltungsgerichtes auseinander, wonach eine zulässige Verwertung im Sinne des § 15 Abs. 4a AWG nur dann anzunehmen ist, wenn (u.a.) die zu beurteilende Maßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung steht - so insbesondere alle hierauf anzuwendenden Materiengesetze eingehalten werden und die erforderlichen Genehmigungen bzw. Bewilligungen vorliegen (vgl. dazu RV 1005 BlgNR 24. GP 20 f: "Zu Z 44 (§ 15 Abs. 4a)"; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Zl. 2012/07/0017) -, und wonach die Aufbringung des vom Entfernungsauftrag umfassten Aushubmaterials das mit Bescheid vom 23. September 2013 bewilligte Ausmaß überschritten hat. In den Revisionszulässigkeitsgründen wird nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Zahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben, von welcher höchstgerichtlichen Rechtsprechung und inwiefern bezogen darauf das angefochtene Erkenntnis diesbezüglich abweichen soll (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 27. Jänner 2016, Ra 2015/05/0042, mwN).

16 Auch mit ihrem Vorbringen (unter Punkt 3.d), der Entfernungsauftrag widerspreche jeglicher Verhältnismäßigkeit von Mitteleinsatz und Erfolg sowie der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur wirtschaftlichen Zumutbarkeit von Entfernungsaufträgen gemäß § 73 AWG, weil die Qualität des eingebrachten Materials positiv bewertet worden und die schadlose Behandlung des Aushubmaterials zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen offensichtlich nicht geboten sei, zumal es durch ein erhöhtes und vollkommen unnötiges Verkehrsaufkommen zu unnötigen Lärm- und Schadstoffemissionen kommen würde und auf Grund der nunmehrigen Ausgestaltung der Fläche die Kultivierungsfläche bzw. die unterliegende Siedlung, wie die belangte Behörde festgehalten habe, aus der Gelben Zone des Gefahrenplanes habe herausgenommen werden können, was jedenfalls rückgängig gemacht werden müsste, zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

17 Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Zl. 2013/07/0236, mwN), ist bei einem Behandlungsauftrag nach § 73 AWG eine Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und Adäquanz vorzunehmen, wobei es sich jedoch nicht um eine subjektive, auf die finanzielle Situation des Verpflichteten abstellende, sondern um eine objektive Zumutbarkeit im Sinn einer Verhältnismäßigkeit von Mitteleinsatz und Erfolg handelt.

18 Bei dem vom Entfernungsauftrag umfassten Bodenaushubmaterial handelt es sich nach der Beurteilung des Landesverwaltungsgerichtes, die insoweit von der Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht bekämpft wird, um Abfall im subjektiven Sinn (§ 2 Abs. 1 Z 1 AWG). Gemäß § 15 Abs. 3 (letzter Satz) leg. cit. darf eine Ablagerung von Abfällen nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen. Ein Abfallende im Sinne des § 5 Abs. 1 leg. cit. konnte schon deshalb nicht eintreten, weil dies eine zulässige Verwendung für den vorgesehen Zweck voraussetzt, die jedoch (u.a.) dann nicht vorliegt, wenn die Ablagerung etwa ohne eine erforderliche naturschutzbehördliche Bewilligung erfolgt (vgl. dazu die in Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, Abfallwirtschaftsgesetz 20022 § 5 E 7, 12 angeführte hg. Rechtsprechung). Hinsichtlich des vom gegenständlichen Beseitigungsauftrag umfassten Aushubmaterials lag eine solche Bewilligung nicht vor.

19 Da dieses Aushubmaterial nicht in einer hiefür genehmigten Deponie abgelagert wurde (§ 15 Abs. 3 letzter Satz AWG), liegt ein gesetzwidriger Zustand vor, der zwingend gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 leg. cit. zu beenden ist. Im Hinblick darauf kommt die oben genannte Judikatur zur wirtschaftlichen Zumutbarkeit und Adäquanz nicht zum Tragen. Dies erscheint deshalb als unbedenklich, weil ein rechtswidriger Zustand an sich nicht schützenswert und bereits aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen zu beseitigen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. April 2014, Zl. 2013/05/0195, mwH auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. September 1989, V 18/89, Slg 12.171).

20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2017

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