European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016040126.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
1 1. Mit Bescheid vom 28. Juni 2016 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld (im Folgenden: revisionswerbende Behörde) der zweitmitbeteiligten R GmbH die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines "Cafe-Pub" auf einem näher bezeichneten Grundstück "entsprechend der nachstehenden Beschreibung und der diesem Bescheid als integrierenden Bestandteil beiliegenden Planunterlagen". Unter einem wurde eine Ausnahme gemäß § 95 Abs. 3 im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) erteilt.
2 2. Dagegen erhob das Arbeitsinspektorat Graz Beschwerde und begehrte die Abänderung des Bescheides dahingehend, dass die gewerberechtliche Genehmigung der Betriebsanlage gemäß § 93 Abs. 2 ASchG versagt und der Antrag der zweitmitbeteiligten R GmbH abgewiesen werde. Dies begründete es damit, dass der angefochtene Bescheid auch die Beschäftigung von Arbeitnehmern genehmige, obwohl die Raumhöhe im Arbeitsraum des Lokals und die Belichtungsfläche des Arbeitsraumes nicht ausreichend seien.
3 3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. September 2016 gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der Beschwerde Folge und hob den Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG auf.
4 3.2. In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, das verwaltungsbehördliche Verfahren sei durch Vorlage von Unterlagen durch die mitbeteiligte R GmbH am 20. Oktober 2015 per Mail wie folgt eingeleitet worden:
"Anbei übermitteln wir Ihnen die besprochenen Unterlagen (Plan als PDF und Geräteliste)."
In der am 3. November 2015 erfolgten öffentlichen Kundmachung für eine örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung sei ausgeführt worden, dass die R GmbH ein Ansuchen um gewerberechtliche Genehmigung "für die Errichtung und den Betrieb eines Cafe's in einem bereits in der Vergangenheit gewerblich genutzten Gebäudes" gestellt habe. Am 26. Februar 2016 sei von der R GmbH bekannt gegeben worden, dass die Lichteintrittsflächen verändert und Arbeitnehmer im Ausmaß von höchstens 20 Wochenstunden beschäftigt würden. Zudem habe die R GmbH eine Ausnahme gemäß § 95 Abs. 3 ASchG beantragt.
5 Am 28. Juni 2016 sei der Bescheid erstellt und den Verfahrensparteien zugestellt worden. Am selben Tag habe die revisionswerbende Behörde folgendes E-Mail an die zweitmitbeteiligte R GmbH gerichtet:
"Betreff: Ansuchen
Sehr geehrter Herr (...),
für mich ist klar, dass sie durch den Verfahrensverlauf über Überreichung der Unterlagen die gewerbebehördliche Bewilligung für die (...) GmbH am Standort (...) und wie in den Akten beschrieben betragt haben.
Nun hat mir das Verwaltungsgericht schon einmal eine Sache aufgehoben, weil keine diesbezügliche eindeutige Erklärung im Akt vorhanden war.
Ich darf daher ersuchen, dass sie mir kurz per Email bestätigen, dass sie den bezeichneten Antrag tatsächlich stellen und auch entsprechend vertretungsbefugt für die (...) GmbH sind."
Auf dieses Mail habe die zweitmitbeteiligte R GmbH "kurz nach dem Senden" wie folgt geantwortet:
"Sehr geehrter Herr Ing. (...),
als einer der Gesellschafter der (...) GmbH bestätige ich, dass die (...) GmbH den Antrag auf gewerbebehördliche Bewilligung am Standort (...) ansucht."
6 In rechtlicher Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Erteilung der Genehmigung für eine Betriebsanlage einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt darstelle. Durch das Genehmigungsansuchen bestimme sich die "Sache", über die die Behörde zu entscheiden habe. Ein Antrag könne sich nicht durch den Verfahrensverlauf und die Überreichung von Unterlagen ergeben, sondern habe vielmehr dem Verfahrensverlauf voranzugehen bzw. den Verfahrensverlauf auszulösen. Die bloße Übermittlung von Unterlagen vermöge einen Antrag nicht zu ersetzen; diese könnten allenfalls einem Ansuchen anzuschließen sein. Die revisionswerbende Behörde sei selbst über den vermeintlichen Antrag im Unklaren gewesen, habe sie doch die Kundmachung zur mündlichen Verhandlung auf alle möglichen, sich jedoch auch ausschließenden anlagenrechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung gestützt. Auch der Versuch, die mangelnde Legitimation zur Führung eines gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahrens nachträglich zu sanieren, habe fehlschlagen müssen, weil ein Antrag ein Verfahren nicht abschließe sondern auslöse. Zudem könne die Mitteilung der R GmbH vom 28. Juni 2016 keinen den §§ 353 und 356 GewO 1994 entsprechenden Antrag darstellen. Aus dieser Mitteilung ergebe sich weder eine konkrete Sache, noch ein konkreter Projektgegenstand. Ebenso fehlten genaue verfahrensauslösende Daten.
7 Die revisionswerbende Behörde habe daher rechtsgrundlos ein Verfahren eingeleitet und dieses mit dem bekämpften Bescheid abgeschlossen. Sie habe eine Kompetenz in Anspruch genommen, für die sie rechtlich nicht zuständig gewesen sei.
8 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte außerordentliche Amtsrevision. Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 1. Die revisionswerbende Behörde begründet die Zulässigkeit der Revision unter anderem damit, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, weil das Verwaltungsgericht tragende Verfahrensgrundsätze außer Acht gelassen habe. Ihm seien gravierende Verfahrensfehler vorzuwerfen, insbesondere der Verstoß gegen die Pflicht zur Findung der materiellen Wahrheit sowie eine mangelhafte Begründung. Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
10 2. Das Verwaltungsgericht führt in seinen rechtlichen Erwägungen zutreffend aus, dass es sich bei der Erteilung der Genehmigung für eine Betriebsanlage um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt (§ 353 GewO 1994). Der Gegenstand des Genehmigungsverfahrens wird durch den Genehmigungsantrag bestimmt. Dieser muss Art und Umfang der beantragten Genehmigung eindeutig erkennen lassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. März 2005, 2002/04/0202, und vom 12. Juni 2013, 2013/04/0019).
11 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, kommt es bei der Auslegung von Parteianbringen auf das aus diesen erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dem Geist des AVG ist ein übertriebener Formalismus fremd, weswegen auch bei der Auslegung von Parteianbringen im Sinne des § 13 AVG kein streng formalistischer Maßstab anzulegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, 2013/03/0120, mwN). Wenn sich der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens als unklar erweist, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 in Verbindung mit § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2016, Ra 2014/04/0037, mwN).
12 Im vorliegenden Fall ist der Eingabe vom 20. Oktober 2015 zwar kein förmlicher Antrag der zweitmitbeteiligte R GmbH auf Genehmigung der Betriebsanlage zu entnehmen. Die zweitmitbeteiligte R GmbH legte jedoch unter Bezugnahme auf ein geführtes Vorgespräch Projektunterlagen vor. Im daraufhin eingeleiteten verwaltungsbehördlichen Verfahren, in dem unter anderem eine mündliche Verhandlung stattfand und Sachverständige beigezogen wurden, richtete die zweitmitbeteiligte R GmbH mehrere Schreiben an die revisionswerbende Behörde. Mit Eingabe vom 26. Februar 2016 teilte sie etwa "in Hinblick auf das anhängige Gewerbeverfahren" mit, dass die Lichteintrittsflächen verändert würden, und beantragte eine Ausnahme gemäß § 95 Abs. 3 ASchG. Bereits daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall ein Antrag gemäß § 353 GewO 1994 gestellt wurde.
13 Überdies sind die zweitmitbeteiligte R GmbH und die revisionswerbende Behörde, aber auch das am Verfahren beteiligte Arbeitsinspektorat im verwaltungsbehördlichen Verfahren stets davon ausgegangen, dass die zweitmitbeteiligte R GmbH mit der beschriebenen Vorgehensweise einen Antrag auf Genehmigung der Betriebsanlage gestellt hat. Es sind soweit ersichtlich auch keine Zweifel hinsichtlich Art und Umfang der beantragten Genehmigung aufgetreten.
14 Da die revisionswerbende Behörde am Ende des Verfahrens offenbar dennoch sicher gehen wollte, dass ein Genehmigungsansuchen vorliegt, hat sie - wie es in einem solchen Fall auch rechtlich geboten ist - die zweitmitbeteiligte R GmbH am 28. Juni 2016 (09:05 Uhr) per E-Mail zur Klarstellung ihres Anbringens aufgefordert. Dazu ist auszuführen, dass eine Klarstellung des mit einem Anbringen tatsächlich Gewollten solange möglich ist, als darüber noch keine (rechtskräftige) Entscheidung getroffen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2016, 2013/12/0232, mwN), das heißt solange der Antrag noch oder (auf Grund eines Rechtsmittels) wieder offen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) § 13 Rz 39). Wie sich aus dem gegenständlichen Verwaltungsakt ergibt, stellte die zweitmitbeteiligte R GmbH am 28. Juni 2016 um 09:08 Uhr und somit vor Abfertigung des Bescheides (12:29 Uhr) klar, dass sie um gewerbebehördliche Bewilligung am näher bezeichneten Standort ansuche.
15 3. In dem das Verwaltungsgericht dies verkannte, hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Wien, am 5. April 2017
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