VwGH Ro 2016/04/0054

VwGHRo 2016/04/00541.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der G Ges.m.b.H. in M, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2016, 1) Zl. W149 2123690- 2/39E und 2) Zl. W149 2124593-2/31E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung einer Ausschreibung (mitbeteiligte Parteien:

1. Bund, Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Drittkundenliste, alle vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, 2. S GmbH in W, vertreten durch Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4/1, und 3. H GmbH in Z, vertreten durch Eberl, Hubner, Krivanec, Ramsauer & Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 44), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §863;
ABGB §914;
ABGB §915;
BVergG 2006 §125;
BVergG 2006 §19 Abs1;
BVergG 2006 §2 Z10;
BVergG 2006 §246 Abs1;
BVergG 2006 §246 Abs3;
BVergG 2006 §320;
BVergG 2006 §78;
BVergG 2006 §79;
BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
ABGB §863;
ABGB §914;
ABGB §915;
BVergG 2006 §125;
BVergG 2006 §19 Abs1;
BVergG 2006 §2 Z10;
BVergG 2006 §246 Abs1;
BVergG 2006 §246 Abs3;
BVergG 2006 §320;
BVergG 2006 §78;
BVergG 2006 §79;
BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Revisionswerberin auf Akteneinsicht wird abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat den zu 1. angeführten mitbeteiligten Parteien (mitbeteiligte Auftraggeber) Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zufolge beabsichtigen die mitbeteiligten Auftraggeber (der Bund, die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) sowie in einer Drittkundenliste festgehaltene weitere Drittkunden - darunter näher bezeichnete Länder, Gemeinden und weitere Institutionen), alle vertreten durch die BBG, Hygienepapier verschiedener Art zu beschaffen.

2 Zu diesem Zweck wurde der Abschluss einer Rahmenvereinbarung nach Durchführung eines offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben (Vergabeverfahren "Lieferung von Hygienepapier").

3 Am 24. März 2016 wurde die erste Anfragebeantwortung und eine erste Berichtigung der Ausschreibung bekannt gegeben.

4 Am 5. April 2016 wurde den potentiellen Bietern eine zweite Anfragebeantwortung und eine zweite Berichtigung der Ausschreibung bekannt gegeben.

5 Am 29. März 2016 brachte die Revisionswerberin beim Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) einen Antrag auf Nachprüfung der Ausschreibung bzw. von Teilen der Ausschreibung ein.

6 Am 13. April 2016 brachte die Revisionswerberin einen weiteren Antrag auf Nachprüfung der Ausschreibung in der Fassung der zweiten Berichtigung, in eventu von Teilen der Ausschreibung in dieser Fassung beim Verwaltungsgericht ein.

Angefochtenes Erkenntnis

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 31. August 2016 wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung betreffend das Vergabeverfahren "Lieferung von Hygienepapier" der Antrag der Revisionswerberin auf gänzliche sowie der hilfsweise gestellte Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der Ausschreibung abgewiesen (A), der Antrag der Revisionswerberin auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren abgewiesen (B) und die ordentliche Revision für zulässig erklärt (C).

8 Begründend führte das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt A) im Wesentlichen aus, die Ausschreibungsunterlagen hätten keinen rechtswidrigen Inhalt und seien daher nicht für nichtig zu erklären gewesen.

9 Die Revisionswerberin habe zunächst vorgebracht, der als Eignungskriterium in der Ausschreibung vorgesehene Nachweis eines näher bezeichneten jährlichen Mindestumsatzes sei nicht sachgerecht.

Zu diesem Vorbringen führte das Verwaltungsgericht aus, die beanstandete Regelung in der Ausschreibung entspreche den gesetzlichen Vorgaben, da die Höhe und Anzahl der geforderten Jahresmindestumsätze als Eignungskriterium auf Grund näher bezeichneter Umstände nicht diskriminierend sei, sie sei sachbezogen und nicht zur Umgehung der Vorschriften des BVergG 2006 geeignet.

10 Weiters habe die Revisionswerberin vorgebracht, die Ausschreibungsunterlagen seien rechtswidrig, weil die Angebote nicht kalkulierbar, nicht vergleichbar und diskriminierend seien. So sei in der Rahmenvereinbarung keinerlei Mindestabnahmeverpflichtung der Auftraggeber vorgesehen und fehle es an einem brauchbaren Mengengerüst (für die Kalkulation der Angebote).

Hiezu führte das Verwaltungsgericht aus, die Bestimmungen des BVergG 2006 (insbesondere § 25 Abs. 1) enthielten als solche keinerlei Einschränkungen für die Wahl einer Rahmenvereinbarung zur Deckung des künftigen Bedarfs öffentlicher Auftraggeber. Rahmenvereinbarungen sei gemäß § 25 Abs. 7 BVergG 2006 wesensimmanent, dass sie keine Abnahmeverpflichtungen gegenüber dem Auftragnehmer enthielten. In den Ausschreibungsunterlagen sei mit der zweiten Berichtigung das Mengengerüst in der Form angegeben worden, dass eine detaillierte Liste für den Zeitraum 2013 bis 2015, sortiert nach abrufenden Auftraggebern, der Anzahl der Abrufe und des preislichen Gesamtvolumens der Abrufe, angegeben worden sei. Die ausschreibungsgegenständlichen Produkte (Hygienepapier, z.B. Toilettenpapier, Papierhandtücher, Papierservietten) seien solche des täglichen Gebrauchs, die nicht von Abruf zu Abruf unkalkulierbar stark variierten. Damit sei es den Bietern möglich, anhand der Abrufe aus der derzeitigen Rahmenvereinbarung Rückschlüsse sowohl auf die Art der Bestellung als auch die dadurch erzielten Umsätze zu treffen. Somit werde es den Bietern ausgehend von den zur Verfügung gestellten Abrufen ohne besonderen Aufwand möglich sein, die für die Kalkulation der Preise notwendigen Gesamtmengen von Abrufen und Transportkosten zu schätzen. Aus diesem Grund könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Informationsvorsprung des derzeitigen Auftragnehmers nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter durch entsprechende Information in den Ausschreibungsunterlagen auszugleichen sei.

11 Weiters habe die Revisionswerberin gegen die Ausschreibung eingewendet, der angeführte Preisindex zur Anpassung der angebotenen Preise sei unsachlich.

Diesem Vorbringen hielt das Verwaltungsgericht entgegen, der Preisindex für die Rahmenvereinbarung orientiere sich an regelmäßig erhobenen und veröffentlichten Teil-Indices der Statistik Austria. Es sei nicht ersichtlich, dass der gewählte Misch-Index unsachlich sei und entgegen § 78 Abs. 3 BVergG 2006 zu einer Überwälzung nicht kalkulierbarer Risiken führe.

12 Die Revisionswerberin habe sich weiters gegen die in der Ausschreibung gewählte Gesamtvergabe der Leistungen ausgesprochen. So führe die (erst mit der ersten Fragebeantwortung angegebene) Mindestangabe für die Größe der Spenderservietten (bei der gewählten Gesamtvergabe) dazu, dass die Unterschreitung der Breite dieser Spenderservietten zum Ausscheiden des gesamten Angebotes führen werde. Auch hätte eine Unterteilung in Lose die Wettbewerbsvorteile des aktuellen Vertragspartners, der bei den mitbeteiligten Auftraggebern bereits produktgebundene Spender für die von ihm vertriebenen Hygienepapiere montiert habe, beseitigt.

Zu diesem Vorbringen führte das Verwaltungsgericht aus, die mitbeteiligten Auftraggeber hätten vorliegend von ihrem Ermessen, ob Leistungen gemeinsam oder getrennt vergeben werden (§ 22 Abs. 1 BVergG 2006) unter Beachtung wirtschaftlicher und technischer Gesichtspunkte rechtmäßig Gebrauch gemacht. So sei nachvollziehbar dargelegt worden, dass die Gesamtvergabe auf Grund der Vielzahl der Auftraggeber und der hohen Anzahl von zu erwartenden dezentralen Beschaffungsvorgängen für Produkte des täglichen Gebrauchs wirtschaftlich besser durch einen einzelnen Auftragnehmer für alle Produkte erfolge.

Der von der Revisionswerberin behauptete Vorteil des derzeitigen Vertragspartners entstehe nicht durch die gegenständliche Gesamtausschreibung, sondern habe seine Ursache in einem früheren Vergabeverfahren. Dieses frühere Verfahren sei nicht Gegenstand der hier zu beurteilenden Ausschreibung, welche als solche den behaupteten Wettbewerbsvorteil nicht begründe. Eine Verpflichtung, durch frühere Vergabeverfahren bewirkten etwaigen Wettbewerbsvorteilen im Wege der "Wahl einer Gesamtbeschaffung" (gemeint offenbar: im Wege einer Unterteilung in Lose) entgegenzuwirken, könne weder § 22 Abs. 1 noch § 151 Abs. 5 BVergG 2006 entnommen werden.

13 Gegen den in der Ausschreibung angeführten "restlichen Warenkorb" habe die Revisionswerberin vorgebracht, dieser sei in Bezug auf die gewünschten Produkte völlig unbestimmt, sodass es nicht möglich sei, einen Preis zu kalkulieren und die Angebote zu vergleichen.

Dem hielt das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen nach ihrem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt entgegen, der in der Ausschreibung festgelegte "restliche Warenkorb" erfordere kein konkretes Angebot bestimmter Produkte und Preise, sondern lediglich die Bereitschaft, im Falle einer Nachfrage nach Produkten, die nicht im Kernwarenkorb enthalten seien, ein Angebot zu legen. Somit bestehe keine Lieferverpflichtung aus der Rahmenvereinbarung und entstehe den Bietern kein Nachteil in Bezug auf die Kalkulation dieses Postens.

14 Die Revisionswerberin habe darüber hinaus vorgebracht, die Tatsache, dass das Vertragsunternehmen der aktuellen Rahmenvereinbarung für "Hygienepapier" produktgebundene Spender an die mitbeteiligten Auftraggeber geliefert habe und diese auch in Zukunft nur mit den passenden Produkten desselben Herstellers befüllt werden könnten, gebe diesem einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil.

Zu diesem Vorbringen hielt das Verwaltungsgericht fest, es gebe keine ausdrückliche Regelung im BVergG 2006, welche es ermögliche, einen Bieter vom Vergabeverfahren auszuschließen, weil er über einen Wettbewerbsvorteil verfüge. § 20 Abs. 5 BVergG 2006 beschränke sich als abschließende Regelung auf Bieter, die an der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen beteiligt gewesen seien.

Wie die mitbeteiligten Auftraggeber anführten, solle die in der Ausschreibung enthaltene Vorgabe, dass für die betroffenen Produkte jedenfalls auch die passenden Spender anzubieten und auszupreisen seien, eine gleiche Ausgangsposition für die Kalkulation der Preise gewährleisten. Dies gelte auch für die derzeitige Auftragnehmerin, wenn sie sich an der Ausschreibung für die künftige Rahmenvereinbarung beteiligen wolle, unabhängig davon, ob die Spender auf Grund der geltenden Rahmenvereinbarung bereits bei den Auftraggebern vorhanden und montiert seien. Der Gesamtpreis, welcher als Zuschlagskriterium 65 % der Bewertung ausmache, bestehe aus der Summe der Preise für die Hygienepapiere selbst sowie für die dafür passenden Spender und die Montagekosten. Somit basiere die Bewertung des Gesamtpreises auf den "fiktiven" Kosten für Spender und Montage. Nur diese seien maßgeblich für die Bewertung der Angebote, nicht etwa ein künftiges Abrufverhalten der Auftraggeber.

Allerdings stelle sich die Frage, ob der aktuelle Auftragnehmer nicht bei der Kalkulation der Kosten für die Papiere als solche die eben nur "fiktiven" Kosten für die Spender und deren Montage einkalkulieren und somit zu einem wettbewerbsfähigeren, niedrigen Gesamtpreis kommen könne. Eine solche Kalkulation sei nach den Ausschreibungsunterlagen zwar denkbar. Jedoch sei auch zu beachten, dass Angebote zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung den allgemeinen Bestimmungen des Vergaberechts unterlägen und somit gemäß § 125 BVergG 2006 einer Plausibilitätsprüfung und gegebenenfalls einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen seien. Dennoch bliebe fraglich, ob damit alle Preisvorteile, die unmittelbar aus dem Vorhandensein der Spender fließen könnten, auch tatsächlich erfassbar wären.

Im vorliegenden Verfahren sei jedoch nur die Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsunterlagen zu beurteilen. Isoliert betrachtet enthielten diese durch die für alle Bieter gleichermaßen geltende Pflicht, die Kosten der Spender und deren Montage in der Gesamtpreiskalkulation zu berücksichtigen, eine den Vorgaben des BVergG 2006 entsprechende Regelung. Es könne nicht erkannt werden, dass die Ausschreibung insoweit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder den Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs verstoße.

15 Die Abweisung des Antrages auf Gebührenersatz in Spruchpunkt B) begründete das Verwaltungsgericht mit § 319 Abs. 1 und 2 BVergG 2006.

16 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision in Spruchpunkt C) begründete das Verwaltungsgericht wie folgt:

"Die hier gegenständliche Konstellation von

  1. a) der Wahl einer Rahmenvereinbarung unter
  2. b) Verzicht auf eine los-weise Aufteilung der Gegenstände unter Berücksichtigung dessen, dass der

    c) Preis als Zuschlagskriterium besonders hoch bewertet wird und das

    d) Instrument der vertieften Angebotsprüfung in Fällen von rechtmäßigem ‚bundlings' nicht ausreichend wirksam ist,

    führt nämlich im Ergebnis dazu, dass ein Unternehmen, welches mit Hilfe von produktgebunden Waren früher einmal den günstigsten Preis für eine Rahmenvereinbarung bieten konnte, letztlich bei jeder weiteren Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung den einmal daraus lukrierten Vorteil zu Lasten anderer Bieter perpetuieren kann.

    Es stellt sich daher die Frage, ob (künftige) Auftraggeber einer Rahmenvereinbarung rechtlich gehalten sein könnten, diesen Wettbewerbsvorteil in Anwendung des BVergG zu kompensieren oder nicht.

    Falls dem nach Ansicht des VwGH so ist, würde sich ggf. die Frage eröffnen, mit Hilfe welcher Bestimmung des BVergG oder der unionsrechtlichen Grundlagen eine freie und faire Wettbewerbssituation (wieder) hergestellt werden kann.

    Wie oben gezeigt, ist nämlich jede der einzelnen Regelungen für sich genommen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit von Ausschreibung in den beschriebenen Konstellationen zu begründen. Die Rahmenvereinbarung ist als solche zulässig IV.2.3.2, die Gesamtvergabe ebenfalls IV.2.5.2 und der Verweis auf eine spätere Prüfung der Angebotspreise des derzeitigen Vertragspartners im Wege einer vertieften Angebotsprüfung scheint nicht gänzlich zielführend, wenn nämlich die Kalkulation der Preise unter Berücksichtigung zB einer kostengünstigen oder kostenfreien Zurverfügungstellung (hier) von Spendern als Kundenbindungsmaßnahme der Hersteller betriebswirtschaftlich als solche nachvollziehbar und daher nicht spekulativ ist.

    Das Bundesverwaltungsgericht ist sich dessen bewusst, dass die Beseitigung von Wettbewerbsstörungen nicht primär Gegenstand des Vergaberechts und somit auch nicht der Prüfung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, sondern das Wettbewerbsrecht im entsprechenden Rechtsweg.

    Dennoch stellt sich die Frage, ob insbesondere der Grundsatz des fairen und lauteren Wettbewerbs iSd § 19 BVergG und die entsprechenden unionsrechtlichen Grundlagen - wenn nicht im Wege einer Einzelauslegung, so doch möglicherweise in jenem einer Gesamtauslegung der §§ 22, 25, 32, 125, 150 f BVergG 2006 - dazu führen könnten, Ausschreibungsunterlagen wie die gegenständliche, in denen eine Rahmenvereinbarung im Wege der Gesamtvergabe unter schwerpunktmäßiger Berücksichtigung des Preises bei der (fiktiven) Zuschlagsentscheidung rechtswidrig sein könnte.

    Aus den dargelegten Gründen geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es sich um eine Rechtsfrage handelt, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt."

    Hiezu fehle einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

    17 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 6 VwGG mit der Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Auftraggeber unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Die zweit- und drittmitbeteiligte Partei erstatteten keine Revisionsbeantwortung.

    Rechtslage

    18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

    19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

    20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

    Zulässigkeit

    21 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. den hg. Beschluss vom 4. August 2016, Ro 2016/21/0013).

    22 Die vorliegende ordentliche Revision enthält in diesem Sinne kein zusätzliches Zulässigkeitsvorbringen, sodass alleine die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision maßgeblich ist.

    23 Im Hinblick auf diese Begründung für die Zulässigkeit der Revision ist auf folgende Rechtsprechung hinzuweisen:

    24 Prüfgegenstand eines die Ausschreibung betreffenden Nachprüfungsverfahrens ist die Ausschreibung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0023, mwN).

    25 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Oktober 2016, Ra 2016/04/0109, mwN).

    26 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Ausgehend davon hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen bzw. von Angebotsunterlagen bereits festgehalten, dass eine diesbezüglich in vertretbarer Weise vorgenommene, einzelfallbezogene Auslegung nicht revisibel ist (vgl. den hg. Beschluss vom 5. Oktober 2016, Ra 2015/04/0002, mwN).

    27 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht - wie oben dargestellt - unter Zugrundelegung der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen die Auffassung vertreten, dass die von der Revisionswerberin zu einzelnen Festlegungen der Ausschreibung behaupteten Vergaberechtswidrigkeiten nicht vorlagen und die Ausschreibung daher nicht für nichtig zu erklären war.

    Diese einzelfallbezogene Auslegung und Beurteilung der Ausschreibungsbestimmungen ist vor dem Hintergrund des oben angeführten Prüfmaßstabes des Verwaltungsgerichtshofes nicht als unvertretbar anzusehen (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2014, 2011/04/0168, wonach der öffentliche Auftraggeber selbst entscheiden kann, ob er ein Vergabevorhaben in einem oder getrennt vergeben will).

    28 In der Begründung zur Zulässigkeit der Revision führt das Verwaltungsgericht dagegen an, dass die dort angeführte Konstellation im Ergebnis dazu führe, dass ein Unternehmen mit Hilfe von produktgebundenen Waren einen in einem früheren Vergabeverfahren erlangten Wettbewerbsvorteil zu Lasten anderer Bieter perpetuieren könne. In diesem Fall stelle sich die Frage, ob Auftraggeber einer (künftigen) Rahmenvereinbarung rechtlich gehalten sein könnten, einen solchen Wettbewerbsvorteil in Anwendung des BVergG 2006 zu kompensieren oder nicht.

    29 Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass es grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers ist, die Mindestanforderungen der Leistung, die er beschaffen will, festzulegen. Wesentlich ist aber im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Bieter, dass die vom öffentlichen Auftraggeber ausgeschriebenen Leistungen eindeutig, vollständig und neutral beschrieben sind bzw. nicht so umschrieben sind, dass bestimmte Bieter von vornherein Wettbewerbsvorteile genießen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Februar 2014, 2011/04/0168, und vom 9. September 2015, Ra 2014/04/0036, jeweils mwN).

    Bereits aus dieser Rechtsprechung ergibt sich die Verpflichtung des Auftraggebers, die ausgeschriebenen Leistungen so zu umschreiben, dass bestimmte Bieter nicht von vornherein Wettbewerbsvorteile genießen.

    Das Verwaltungsgericht legte die maßgeblichen Ausschreibungsbestimmungen einzelfallbezogen dahin aus, dass die in der Ausschreibung enthaltene Vorgabe, für die betroffenen Produkte seien jedenfalls auch die passenden Spender anzubieten und auszupreisen, eine gleiche Ausgangsposition für die Kalkulation der Preise gewährleiste. Die Bewertung des Gesamtpreises gründe sich auch auf die "fiktiven" Kosten für Spender und Montage. Demnach stelle sich nicht die Frage, ob der aktuelle (bisherige) Auftragnehmer zu einem wettbewerbsfähigeren niedrigeren Gesamtpreis kommen könne.

    Angesichts dieser wie dargestellt nicht unvertretbaren und den oben angeführten Grundsätzen der hg. Rechtsprechung entsprechenden Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen vermag der Verwaltungsgerichtshof die in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision angeführte Annahme des Verwaltungsgerichts, es läge ein dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter widersprechender Wettbewerbsvorteils vor, nicht zu teilen.

    Auch ist die vom Verwaltungsgericht für die Zulässigkeit der Revision herangezogene Annahme, das Instrument der vertieften Angebotsprüfung sei "in Fällen von rechtmäßigem ‚bundlings'" nicht ausreichend wirksam, nicht weiter substantiiert. So ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vertieften Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 Aufgabe des Auftraggebers, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2014, 2012/04/0016, mwN). Dies wird auch für die nach den Ausschreibungsbestimmungen einzukalkulierenden Spender gelten müssen. Die Frage der vertieften Angebotsprüfung ist jedenfalls nicht auf der Ebene der Prüfung der Ausschreibung zu behandeln.

    Schon aus diesem Grund stellt sich die vom Verwaltungsgericht für die Zulässigkeit der Revision angenommene Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht.

    Ergebnis

    30 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

    31 Der Anregung der Revisionswerberin zur Vorlage näher bezeichneten Fragen an den EuGH war nicht näher zu treten, weil diese auf der Annahme eines Verstoßes gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Bieter aufbauen, die der Verwaltungsgerichtshof wie ausgeführt nicht zu teilen vermag.

    32 Auf den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung war nicht einzugehen, da diese nur für den Fall begehrt wurde, dass der Revision Folge gegeben wird.

    33 Der (nachträglich gestellte) Antrag der Revisionswerberin auf Akteneinsicht hinsichtlich der Schätzungs- und Berechnungsgrundlagen der mitbeteiligten Auftraggeber (betreffend die Berechnung des geschätzten Auftragswertes) war abzuweisen, weil die angeführten Aktenbestandteile bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (aufgrund der möglichen Beeinträchtigung von Geschäftsinteressen der mitbeteiligten Auftraggeber und des Gebotes der Gleichbehandlung der Bieter) von der Akteneinsicht ausgenommen wurden (vgl. § 25 Abs. 2 dritter Satz VwGG). Soweit die Revisionswerberin die Ausnahme von der Akteneinsicht durch das Verwaltungsgericht als Verfahrensfehler rügt, zeigt sie damit schon mangels entsprechender Relevanzdarstellung keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.

    34 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK und ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, weshalb weder Art. 6 MRK noch Art. 47 GRC der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegenstehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN).

    Aufwandersatz

    35 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 1. Februar 2017

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