Normen
BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1994 §32 Abs1 Z1;
GewO 1994 §32 Abs2;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016040037.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Die erstmitbeteiligte Partei (Auftraggeberin) führte im Jahr 2015 ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich über die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags (betreffend "Facility-Management-Dienstleistungen") nach dem Billigstbieterprinzip durch.
In den Ausschreibungsunterlagen war vorgesehen, dass der Bieter anzugeben habe, welche Befugnisse zur Erbringung der angebotenen Leistung erforderlich seien und über welche Befugnisse er selbst verfüge. Die Unterlagen enthielten unter anderem nähere Festlegungen zu den Punkten "Gefahrgutbeauftragte(r)" und "Winterdienst".
2 Die Revisionswerberin legte - ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei (Bietergemeinschaft) - ein Angebot. Mit Zuschlagsentscheidung vom 23. Oktober 2015 teilte die Auftraggeberin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der Bietergemeinschaft zu erteilen.
3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Dezember 2015 wies das Verwaltungsgericht Wien den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung ab (I.). Festgehalten wurde, dass die Revisionswerberin die entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (II.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt (III.).
4 2.1. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Bietergemeinschaft aus den Mitgliedern S GmbH und C GmbH bestand. Die C GmbH sollte den (rund 20 % des Gesamtauftragswertes ausmachenden) Teilbereich Haustechnik abdecken. Alle anderen Bereiche (somit auch die Tätigkeiten als Gefahrgutbeauftragter und des Winterdienstes) sollten durch die S GmbH abgedeckt werden. Die S GmbH verfügte - unter anderem - über die Befugnis Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen (bis zu einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t).
Den weiteren - unbestritten gebliebenen - Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zufolge machte die Tätigkeit als Gefahrgutbeauftragter 1,06 % des Gesamtangebotspreises bzw. 1,325 % des auf die S GmbH entfallenden Auftragsanteils (von 80 %) aus. Der überwiegende Teil der Tätigkeit als Gefahrgutbeauftragter beziehe sich auf Transporte mittels Kraftfahrzeugen bis zu 3,5 t Gesamtgewicht. Der Winterdienst mache einen Anteil von 0,68 % des Gesamtangebotspreises bzw. von 0,85 % des auf die S GmbH entfallenden Auftragsanteils (von 80 %) aus.
5 2.2. In rechtlicher Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht unter Berufung auf näher zitierte Lehrmeinungen fest, dass die Aufgaben eines Gefahrgutbeauftragten unter den Gewerbeumfang des reglementierten Gewerbes der Ingenieurbüros (gemäß § 134 GewO 1994) in den entsprechenden Fachgebieten einzuordnen seien. Da ihre fachgemäße Ausführung nicht den für dieses reglementierte Gewerbe vorgeschriebenen Befähigungsnachweis erfordere, handle es sich um einfache Teiltätigkeiten im Sinn des § 31 Abs. 1 GewO 1994. Ob die im Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG; konkret dessen § 11) vorgeschriebene Qualifikation erbracht sei, sei für das Vorliegen der (hier einzig zu behandelnden) Befugnis ohne Relevanz. Die Tätigkeit des Gefahrgutbeauftragten könne daher von Gewerbetreibenden gemäß dem Nebenrecht des § 32 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 ausgeübt werden.
Im Hinblick auf die Vorgabe des § 32 Abs. 2 GewO 1994 (wonach bei der Ausübung sonstiger Rechte gemäß § 32 Abs. 1 GewO 1994 der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes erhalten bleiben muss) sei die Tätigkeit als Gefahrgutbeauftragter in Bezug zu dem von der S GmbH auszuführenden Anteil am Gesamtauftrag zu setzen. Angesichts des geringen Anteils der Aufgaben des Gefahrgutbeauftragten und des Winterdienstes würde es auch bei einer Addition beider Tätigkeiten nicht zu einer Verschiebung des wirtschaftlichen Schwerpunktes kommen. Da sich das Recht, die Tätigkeiten als Gefahrgutbeauftragter zu erbringen, bereits aus § 32 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 ergebe, sei eine Auseinandersetzung mit § 32 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall GewO 1994 nicht mehr erforderlich.
6 Zum Winterdienst führte das Verwaltungsgericht aus, dass diese Tätigkeit auf das Nebenrecht nach § 32 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall GewO 1994 gestützt werden könne. Es handle sich jedenfalls um Leistungen "geringen Umfangs". Weiters seien Leistungen des Winterdienstes eine wirtschaftlich sinnvolle Abrundung der eigenen Leistungen (fallbezogen des durch die Ausschreibung näher definierten Leistungsbildes des "Facility-Managements").
7 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Die erstmitbeteiligte Auftraggeberin erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.
8 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 5. Die Revisionswerberin macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Zusammenhang mit dem Nebenrecht nach § 32 Abs. 1 Z 11 GewO 1994 ein Abweichen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vom hg. Erkenntnis vom 18. März 2009, 2004/04/0202, geltend. Es könne auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit eines Gefahrgutbeauftragten von der Gewerbeberechtigung für ein Ingenieurbüro umfasst sei, und es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welchem Gewerbe die Tätigkeit des Gefahrgutbeauftragten zugerechnet werden könne.
10 6. Eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt". Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. den hg. Beschluss vom 15. März 2016, Ro 2015/01/0014, mwN). Dies trifft aus nachstehenden Gründen vorliegend nicht zu.
11 7. Nach der Regelung des Abs. 1 Z 1 zweiter Fall des (die Nebenrechte der Gewerbetreibenden normierenden) § 32 GewO 1994 steht einem Gewerbetreibenden auch das Recht zu, in geringem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen. Nach § 32 Abs. 2 GewO 1994 müssen bei der Ausübung der Rechte gemäß § 32 Abs. 1 GewO 1994 der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes erhalten bleiben und die Gewerbetreibenden haben sich, soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig ist, entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen.
12 7.1. Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung offen gelassen, ob die Befugnis zur Erbringung der Tätigkeit des Gefahrgutbeauftragten auch auf das Nebenrecht nach § 32 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall GewO 1994 gestützt werden könnte. Es hat aber die für diese Beurteilung notwendigen Feststellungen getroffen, die von den Parteien nicht bestritten worden sind. Die Revisionswerberin hat sich in der Revision ausdrücklich mit dieser Frage befasst und sie verneint, während die erstmitbeteiligte Auftraggeberin sie in ihrer Revisionsbeantwortung bejaht.
13 7.2. Im Hinblick auf die oben dargestellten (Rz. 4) Feststellungen des Verwaltungsgerichtes über den prozentuellen Anteil der Tätigkeiten des Gefahrgutbeauftragten (ebenso wie des Winterdienstes) an den von der S GmbH zu erbringenden Leistungen hat der Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel daran, dass diese Leistungen angesichts ihres wertmäßigen Anteils als Leistungen in geringem Umfang im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 anzusehen sind (vgl. zu den vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur als "gering" im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 angesehenen Prozentwerten das Erkenntnis vom 5. November 2010, 2007/04/0210, mwN).
14 Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht dem Argument der Revisionswerberin beizutreten, wonach die Tätigkeit als Gefahrgutbeauftragter bei einer Beförderung von Gefahrgut, die nicht im Rahmen der Gewerbeberechtigung Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen bis 3,5 t Gesamtgewicht erfolgt, Hauptleistung wäre, die nicht im Rahmen eines Nebenrechts nach § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erbracht werden könne. Der Umstand, dass die Gewerbeberechtigung Güterbeförderung auf Fahrzeuge mit bis zu 3,5 t Gesamtgewicht beschränkt ist, ändert an der Qualifikation der gegenständlichen Leistungen als lediglich "in geringem Umfang" nichts.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich betreffend die Berufung auf das Nebenrecht des § 32 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall GewO 1994 in einem Vergabeverfahren wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die Frage, ob es sich um Leistungen in geringem Umfang handelt, in Relation zur Gesamtangebotssumme (des gegenständlichen Vergabeverfahrens) zu prüfen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 2012, 2010/04/0018, sowie das bereits zitierte Erkenntnis 2007/04/0210, mwN). Im Erkenntnis 2010/04/0018 verwies der Verwaltungsgerichtshof begründend auf die Erläuterungen zur Gewerbeordnungs-Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 (RV 1117 BlgNR 21. GP , 78), wonach die gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 in geringem Umfang zulässigerweise erbrachten Leistungen anderer Gewerbe im Rahmen eines Vertragsverhältnisses erbracht werden müssen, das auf die Erbringung einer Gesamtleistung abzielt, die die eigene Leistung und die ergänzende Leistung umfasst.
16 7.3. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin hat der Verwaltungsgerichtshof auch keine Zweifel daran, dass die Übernahme der Aufgabe des Gefahrgutbeauftragten im vorliegenden Fall die eigene Leistung der zweitmitbeteiligten Partei (bzw. der S GmbH) wirtschaftlich sinnvoll ergänzt. Wie sich aus den Erläuterungen (RV 1117 BlgNR 24. GP , 78) ergibt, ist die Frage, was eine wirtschaftlich sinnvolle Ergänzung der eigenen Leistung ist, vor allem aus der Sicht des Nachfragers der Gesamtleistung zu beantworten (siehe dazu auch Hanusch, Kommentar zur Gewerbeordnung, § 32 Rz. 3 f). Fallbezogen sind Facility-Management-Leistungen im Zusammenhang mit einem Sanatorium ausgeschrieben, wobei der Leistungsumfang - in geringem Umfang - auch die Tätigkeit als Gefahrgutbeauftragter umfasst. Aus der Sicht der Auftraggeberin ist es im Hinblick auf diesen Ausschreibungsgegenstand wirtschaftlich sinnvoll, bei einer Gesamtvergabe diesen (geringen) Teilbereich nicht getrennt auszuschreiben bzw. nicht nur Unternehmer mit einer Gewerbeberechtigung "Gefahrgutbeauftragter" zuzulassen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die in den Erläuterungen zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Liberalisierung der Nebenrechte (RV 1117 BlgNR 24. GP , 1 f), weshalb im Zweifel eine extensive Auslegung der im § 32 GewO 1994 neu gefassten Nebenrechte vorzunehmen sei (siehe das bereits zitierte Erkenntnis 2010/04/0018).
17 Da die Erbringung der in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Tätigkeit des Gefahrgutbeauftragten auf das Nebenrecht nach § 32 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall GewO 1994 gestützt und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes somit schon aus diesem Grund nicht entgegengetreten werden kann, hängt die Beurteilung dieser Entscheidung von der Lösung der von der Revisionswerberin aufgeworfenen Rechtsfrage nicht ab.
18 Es werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
19 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
20 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinn des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat und somit weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegenstehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN).
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. März 2017
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