VwGH Ro 2016/03/0027

VwGHRo 2016/03/00273.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des R L in G, vertreten durch Mag. Dr. Dieter Rautnig, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Opernring 4/III, gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 30. Juni 2016, Zl LVwG 80.18-2372/2015, betreffend Bestrafung nach § 3 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 Z 1 Stmk ProstG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), 1. zu Recht erkannt:

Normen

AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs3;
AVG §73 Abs1 ;
AVG §73 Abs1;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
B-VG Art132 Abs3;
VStG §24;
VStG §49 Abs2;
VwGVG 2014 §8 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes wird wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Der Antrag der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Sachverhalt

1 A. Aus dem angefochtenen Erkenntnis ergibt sich, dass der Revisionswerber ein Bordell in G betreibt. Vom 24. November 2014, 18.00 Uhr, bis zum 25. November 2014, 6.00 Uhr, ermöglichte der Revisionswerber der Prostituierten P B, die am 13. Jänner 1996 geboren wurde, die Ausübung der Prostitution, indem er ihr die Räumlichkeiten seines Bordells C zur Prostitution überließ, obwohl P B das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Mit Eingabe vom 18. Dezember 2014 erstattete P B, durch den Revisionswerber veranlasst, mittels des Rechtsvertreters des Revisionswerbers diesbezüglich Selbstanzeige. P B führte dabei aus, dass sie üblicherweise der Prostitution in W nachgehe, wo es ihr erlaubt gewesen sei, auch in ihrem damaligen Alter dieser Beschäftigung gesetzeskonform nachzugehen. Ebenfalls mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 teilte der Rechtsvertreter des Revisionswerbers der Landespolizeidirektion Steiermark mit, dass der Tatzeitpunkt mit 24. November 2014, 18.00 Uhr, bis 25. November 2014, 6.00 Uhr, konkretisiert würde. In weiterer Folge wurde ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber eingeleitet.

2 B. Mit Strafverfügung vom 12. Jänner 2015 stellte die Landespolizeidirektion Steiermark fest, dass der Revisionswerber von 24. November 2014, ab 18.00 Uhr, bis zum 25. November 2014, um 6.00 Uhr in G der P B, geboren am 13. Jänner 1996, Räumlichkeiten eines Bordells oder bordellähnlichen Betriebs als Bordellbetreiber und Bewilligungsinhaber überlassen habe, damit diese der Prostitution nachgehen habe können, ohne dass sie das 19. Lebensjahr vollendet gehabt hätte. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 10 Abs 1 Z 1 iVm § 15 Abs 1 Z 2 lit b und Z 2 des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes (Stmk ProstG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die Landespolizeidirektion Steiermark über den Revisionswerber eine Geldstrafe von EUR 400,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen.

3 Gegen diese Strafverfügung erhob der Revisionswerber am 27. Jänner 2015 Einspruch. Die Landespolizeidirektion Steiermark erließ bis zum 29. Juli 2015 kein Straferkenntnis.

4 C. Am 29. Juli 2015 erhob der Revisionswerber Säumnisbeschwerde, in welcher er geltend machte, die Landespolizeidirektion Steiermark habe es verabsäumt, binnen sechs Monaten "eine Entscheidung über den Einspruch" der revisionswerbenden Partei zu fällen und damit ihre Entscheidungspflicht verletzt.

5 Mit Beschluss und Erkenntnis vom 30. Juni 2016 gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der Säumnisbeschwerde statt (Spruch A).

6 Unter Spruch B hielt es weiters fest, dass der Revisionswerber von 24. November 2014, 18.00 Uhr, bis zum 25. November 2014, 6.00 Uhr, als Bewilligungsinhaber des Bordells C in G der Prostituierten P B, geboren am 13. Jänner 1996, die Ausübung der Prostitution ermöglicht habe, obwohl P B das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe und dies somit vom Verbot des § 3 Abs 1 Stmk ProstG umfasst gewesen sei, wonach Personen, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, die Prostitution weder ausüben noch anbahnen dürften. Dadurch habe der Revisionswerber § 3 Abs 1 iVm § 10 Abs 1 Z 1 Stmk ProstG verletzt. Nach § 15 Abs 1 Z 2 lit b iVm Abs 2 Z 2 Stmk ProstG wurden über den Revisionswerber daher eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 300,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Tagen verhängt. Das Verwaltungsgericht erklärte insoweit die Revision für zulässig.

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass im gegenständlichen Fall eine Selbstanzeige durch den Revisionswerber erfolgt sei. Dieser habe angegeben, dass die Prostituierte P B, geboren am 13. Jänner 1996, vom 24. November 2014, 18.00 Uhr, bis zum 25. November 2014, 6.00 Uhr, in G, im Bordell C des Revisionswerbers der Prostitution nachgegangen sei. Der Revisionswerber sei Bewilligungsinhaber des genannten Bordells, wobei ihm die Bewilligung zur Führung eines Bordells am gegenständlichen Standort in G mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt G vom 31. Jänner 2008 erteilt worden sei. Der Revisionswerber bestreite auch nicht, dafür verantwortlich gewesen zu sein. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts liege keine Verletzung von Verfassungsgesetzen vor, weil es durchaus im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers liegen könne, wenn aus Gründen des Jugendschutzes auch bereits volljährigen Personen verboten werde, der Prostitution nachzugehen. Zudem sei diesbezüglich ergänzend auszuführen, dass dies auch für den Zutritt zu Bordellen gelte, weil auch hier das Alter mit 19 Jahren festgelegt sei.

8 D. Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, der Inhalt der bekämpften Entscheidung sei rechtswidrig, weil er sich auf ein "bundesgesetzwidriges" Landesgesetz, nämlich auf § 3 Stmk ProstG beziehe. Im österreichischen Recht sei die Volljährigkeit von der Mündigkeit zu unterscheiden. Diese erreichten Minderjährige in Österreich nach § 21 Abs 2 ABGB mit 14 Jahren. Das Alter der Volljährigkeit sei in Österreich sukzessive am 1. Juli 1973 von 21 auf 19 Jahre und am 1. Juli 2001 von 19 auf 18 Jahre herabgesetzt worden. Es liege zwar grundsätzlich in der Kompetenz der Länder, die Erbringung von sexuellen Dienstleistungen als Teil der Sittlichkeitspolizei gesetzlich zu regeln. Der Landesgesetzgeber dürfe dabei jedoch nicht gegen geltendes Bundesrecht verstoßen. Er habe dafür keine Legitimation, keinen gesetzlichen Auftrag und auch keine Notwendigkeit. Die bekämpfte Regelung im Stmk ProstG sei daher systemfremd. Eine Anpassung des "veralteten" Stmk ProstG in seiner Norm des § 3 habe nicht stattgefunden, sodass dieses nunmehr gegen Bundesgesetze - ABGB und StGB - verstoße.

9 Zusätzlich bestehe das Problem, dass in der Steiermark, da die Altersgrenze bei 19 Jahren liege, im 19. Lebensjahr ausschließlich eine Strafbarkeit der 18jährigen Prostituierten bestehe, ohne dass dieser Strafbarkeit "zum eigenen Schutz" eine Kriminalisierung des Kunden nach dem StGB gegenüberstünde, wie sie bis zum Ende des 18. Lebensjahrs normiert sei. Der Kunde bzw Freier mache sich nach § 207b Abs 3 StGB nur dann gerichtlich strafbar, wenn die Person das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, danach nicht mehr. Auch im Übereinkommen über die Rechte des Kindes (KRK) fänden sich ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Eintritt der Volljährigkeit, im Sinne der österreichischen Regelung im ABGB eine Person mit 18 Jahren voll geschäftsfähig sei und auch freiwillig der Prostitution nachgehen dürfe. Die KRK nehme nur Personen unter 18 Jahren in Schutz. Aus der dargestellten Systemwidrigkeit der Formulierung "Personen, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben" in § 3 Stmk ProstG zu den geltenden Bundesgesetzen ergebe sich, dass der steiermärkische Landesgesetzgeber massiv seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum verlassen bzw überzogen habe.

10 Der Revisionswerber regte an, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "Personen, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben" in § 3 Abs 1 Stmk ProstG aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit zu stellen. Weiters regte der Revisionswerber an, dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Volljährigkeit von Unionsbürgern, wie zum Beispiel der rumänischen Staatsbürgerin und Prostituierten P B, und die damit zusammenhängenden Rechte durch § 3 Stmk ProstG beschnitten und eingeschränkt werden dürften.

11 E. Die Landespolizeidirektion Steiermark erstattete eine Revisionsbeantwortung, trat dem angefochtenen Erkenntnis entgegen und beantragte, dieses wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben sowie den Ersatz des Aufwands, der für sie mit der Einbringung der Revisionsbeantwortung verbunden war (Schriftsatzaufwand), zuzuerkennen.

II. Rechtslage

12 A. Die hier einschlägigen Bestimmungen des B-VG idF BGBl I Nr 101/2014 (Art 130) bzw BGBl I Nr 164/2013 (Art 132) lauten auszugsweise:

"Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen

über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen

Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher

Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine

Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

...

Artikel 132. ...

(3) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

..."

13 B. Die maßgeblichen Bestimmungen des VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, lauten auszugsweise:

"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur

rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem

Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

...

Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 37. In die Frist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde werden auch nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren nach einer gesetzlichen

Vorschrift die Verfolgung einer Verwaltungsübertretung nicht

eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;

2. die Zeit, während deren wegen der Tag gegen den Täter

ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft oder bei einem Gericht geführt wird."

14 C. § 73 AVG idF BGBl I Nr 33/2013, lautet:

"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden kann, nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Berufungsbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Berufungsbehörde beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."

15 D. Die maßgeblichen Bestimmungen des VStG idF BGBl I Nr 33/2013 (§§ 24, 31) bzw BGBl Nr 620/1995 (§ 49) lauten auszugsweise:

"§ 24. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, 39 Abs. 3, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 68 Abs. 2 und 3, 75 und 78 bis 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden.

...

§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, dann ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird, dann ist die Strafverfügung zu vollstrecken."

III. Erwägungen

16 A.1. Die Säumnisbeschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG schützt den Einzelnen vor behördlicher Untätigkeit im Bereich der Hoheitsverwaltung (vgl idS bereits zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, VwGH vom 27. November 2012, 2012/03/0155 (VwSlg 18.529 A/2012)). Grundsätzlich kann seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 die Säumnisbeschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 3 und Art 132 Abs 3 B-VG nunmehr auch in Verwaltungsstrafsachen erhoben werden. Die Einführung eines umfassenden verwaltungsgerichtlichen Säumnisschutzes in Verwaltungsstrafsachen war damit aber nicht beabsichtigt (ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP , 13). Vielmehr soll hierdurch eine differenzierte Regelung auf einfachgesetzlicher Ebene ermöglicht werden, die das Bedürfnis der Partei nach Rechtsschutz gegen Säumnis bei der Erlassung von bestimmten im Verwaltungsstrafverfahren ergehenden verfahrensrechtlichen Bescheiden - etwa bei Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - ebenso berücksichtigt wie Fälle, in denen ihrem Rechtsschutzbedürfnis bereits durch ein ex-lege-Außerkrafttreten des Strafbescheides Genüge getan ist (vgl in diesem Zusammenhang zur 15-Monate-Frist nach § 43 Abs 1 VwGVG als Verjährungs- und Entscheidungsfrist für Verwaltungsstrafsachen vor den Verwaltungsgerichten VwGH vom 4. April 2017, Fr 2016/03/0005, mwH). Dabei ist von der Überlegung auszugehen, dass, unbeschadet der grundsätzlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht unter Anknüpfung an die Beschwerdefrist bzw die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde (Beschwerdelegitimation) einfachgesetzliche Regelungen getroffen werden können, wonach eine Säumnisbeschwerde in bestimmten Fällen unzulässig ist (ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP , 13).

17 Nach Art 132 Abs 3 B-VG kommt die Legitimation zur Erhebung der Säumnisbeschwerde jedem zu, der im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet (vgl dazu etwa VwGH vom 6. April 2016, Fr 2015/03/0011, Rz 8 ff). Nach § 8 Abs 1 zweiter Satz VwGVG beginnt die Frist, nach deren Ablauf Säumnisbeschwerde erhoben werden kann, mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. § 73 Abs 1 erster Satz AVG, der nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, bestimmt, dass die Behörden, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen haben. Sowohl aus § 8 Abs 1 zweiter Satz VwGVG als auch aus § 73 Abs 1 erster Satz AVG ergibt sich, dass die Entscheidungspflicht der Behörde nur durch einen bei der zuständigen Behörde eingelangten Antrag einer zur Stellung dieses Antrags berechtigten Partei begründet werden kann. Voraussetzung für die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde ist somit das Vorliegen eines der Entscheidungspflicht der Behörde unterliegenden und noch nicht erledigten Antrags des Antragstellers (VwGH vom 6. April 2016, Fr 2015/03/0011; vgl auch VwGH vom 23. September 1988, 88/17/0146). Sie kann weiters nur erhoben werden, wenn der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf die bescheidmäßige Erledigung seines unerledigt gebliebenen Begehrens hat (siehe dazu auch VwGH vom 29. Februar 1988, 88/12/0028). Weder das VStG noch das VwGVG enthalten eine Bestimmung, wonach diese Grundsätze nicht auch im Verwaltungsstrafverfahren gelten sollten.

18 A.2. § 49 Abs 2 vierter Satz VStG sieht vor, dass durch den Einspruch gegen eine Strafverfügung, wenn dieser rechtzeitig eingebracht wurde und - wie im Revisionsfall - darin nicht ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft tritt.

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dem ähnlich gelagerten Fall der Erhebung einer Vorstellung gegen einen nach § 57 Abs 1 AVG erlassenen Mandatsbescheid schon zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ausgesprochen, dass die Säumnisbeschwerde unzulässig ist, wenn gegen einen Mandatsbescheid rechtzeitig Vorstellung erhoben wurde und der Bescheid damit nach § 57 Abs 3 AVG außer Kraft getreten ist (VwGH vom 30. Jänner 1973, 1385/72; VwGH vom 23. Februar 1990, 89/18/0150 (VwSlg 13.128 A/1990); VwGH vom 24. Oktober 2000, 2000/11/0197, mwH).

20 Die diesen Entscheidungen zugrundeliegende Überlegung, dass die Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid nicht als Antrag einer Partei im Sinne des § 73 Abs 1 erster Satz AVG zu werten ist und daher keinen Rechtsanspruch des Betroffenen auf bescheidmäßige Erledigung des Verfahrens begründet, zumal der Mandatsbescheid bereits mit der Vorstellung außer Kraft tritt, trifft auch auf Erhebung des Einspruchs gegen eine Strafverfügung zu. Die Strafverfügung tritt in einem Fall wie dem vorliegenden nach § 49 Abs 2 vierter Satz VStG mit dem Einspruch und noch vor der dort angeordneten Einleitung des ordentlichen Verfahrens (vgl VwGH vom 22. Oktober 1980, 1339/80) ex lege außer Kraft, weshalb im Falle der Erhebung eines solchen kein darüber hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis des Beschuldigten gegen eine eventuelle behördliche Untätigkeit betreffend diesen Einspruch besteht, wie sie - wie oben erwähnt (vgl Rz 4) - mit der Säumnisbeschwerde der revisionswerbenden Partei, eine Entscheidung über ihren Einspruch zu fällen, geltend gemacht wurde.

21 Dies hat der Verfassungsgesetzgeber auch bei der Schaffung der grundsätzlichen Möglichkeit zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde in Verwaltungsstrafsachen im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 berücksichtigt. Wie erwähnt soll nämlich durch die Neufassung des Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG eine differenzierte Regelung auf einfachgesetzlicher Ebene ermöglicht werden, die dem Bedürfnis der Partei nach Rechtsschutz gegen Säumnis bei der Erlassung von bestimmten im Verwaltungsstrafverfahren ergehenden verfahrensrechtlichen Bescheiden - wie etwa bei Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - ebenso Rechnung trägt wie Fällen, in denen ihrem Rechtsschutzbedürfnis bereits durch ein ex-lege-Außerkrafttreten eines Strafbescheides Genüge getan ist.

22 Ausgehend davon ist § 8 Abs 1 erster Satz VwGVG iVm § 73 Abs 1 erster Satz AVG und § 49 Abs 2 vierter Satz VStG als eine von der Verfassungsrechtslage ins Auge gefasste einfachgesetzliche Regelung zu betrachten, womit - unbeschadet der grundsätzlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht - eine Säumnisbeschwerde in bestimmten Fällen als unzulässig angenommen werden kann (ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP , 13). Durch die Erhebung des Einspruchs gegen eine Strafverfügung wird kein Rechtsanspruch auf eine bescheidmäßige Erledigung über den Einspruch im Sinne des § 73 AVG iVm § 24 VStG begründet, wenn die Strafverfügung (wie im vorliegenden Fall) iSd § 49 Abs 2 VStG ohnehin bereits ex lege außer Kraft getreten ist, weshalb diesbezüglich keine Berechtigung zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde besteht.

23 Folglich hätte das Verwaltungsgericht die vorliegende Säumnisbeschwerde des Revisionswerbers zurückweisen müssen. Das Verwaltungsgericht hat dies nicht beachtet und dann darauf aufbauend in der Sache selbst entschieden, weshalb es seine Entscheidung insgesamt mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete. Ein weiteres Eingehen auf das Revisionsvorbringen zu Spruch B ist daher entbehrlich.

24 B. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat in ihrer Revisionsbeantwortung ua beantragt, ihr Schriftsatzaufwand zuzuerkennen. Nach § 47 Abs 2 Z 2 VwGG hat aber der Rechtsträger, in dessen Namen die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat, Anspruch auf Aufwandersatz lediglich im Fall der Abweisung der Revision (vgl idZ etwa VwGH vom 18. November 2014, Ro 2014/05/0082).

IV. Ergebnis

A. Die angefochtene Entscheidung war daher nach § 42 Abs 2 Z 1 VwGG von dem gemäß § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

B. Der in der Revisionsbeantwortung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gestellte Aufhebungsantrag war auf dem Boden der Rechtsprechung gemäß § 34 Abs 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen (vgl VwGH vom 9. September 2016, Ra 2016/02/0137).

C. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 3. Mai 2017

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