VwGH Ro 2015/16/0038

VwGHRo 2015/16/003824.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma, Dr. Zehetner sowie Mag. Straßegger als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 31. Juli 2015, Zl. RV/7104157/2014, betreffend Glücksspielabgabe nach § 58 Abs. 3 GSpG (mitbeteiligte Partei: M Werbegesellschaft m. b.H. in B, vertreten durch die Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG in 1010 Wien, Schottenring 25), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §184;
GSpG 1989 §58 Abs3;
BAO §184;
GSpG 1989 §58 Abs3;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Aufwandersatzbegehren der Mitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei veranstaltete gemeinsam mit der M Promotion GmbH & Co KG in der Zeit vom 15. November bis 19. Dezember 2012 in Deutschland, Luxemburg und Österreich das sogenannte "Geschenke M Gewinnspiel".

2 Mit Glücksspielabgabebescheid vom 4. April 2014 setzte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel für das Jahr 2012 gegenüber der mitbeteiligten Partei für das genannte "Geschenke M Glücksspiel" sowie für zwei weitere Gewinnspiele namens "Facebook" und "YPD" ausgehend von den in diesen drei Spielen in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinnen) in der Höhe von insgesamt EUR 248.793.744,87 die Glücksspielabgabe gemäß § 58 Abs. 3 GSpG mit EUR 12.440.078,36 fest, wogegen die Mitbeteiligte Beschwerde erhob.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und änderte den dort angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass die ermäßigte Glücksspielabgabe gemäß § 58 Abs. 3 GSpG mit EUR 2.443.069,08 (= 5 vH der Bemessungsgrundlage von EUR 48.861.181,60) festgesetzt werde. Aufgrund der festgesetzten Abgabe und des selbstberechneten Betrages von EUR 2.829,23 ergebe sich eine Nachforderung von EUR 2.440.293,85.

Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Nach Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung von Bestimmungen aus dem Glücksspielgesetz sowie aus dem Bewertungsgesetz legte das Gericht seinen Entscheidungsgründen folgenden Sachverhalt zugrunde:

"Das Geschenke M Gewinnspiel fand im Zeitraum 12. 11.2012 und 19. 12. 2012 statt und wurde in Österreich von der Bf. und in Deutschland und Luxemburg von der M Promotion GmbH & Co KG veranstaltet. Bei diesem Gewinnspiel ging es darum, vier zueinander passende Spielsticker für einen Sammelgewinn zu bekommen, wobei pro Vierergruppe immer ein Sofortgewinn enthalten war. Die Sticker waren entweder in den M-Restaurants der Teilnahmeländer beim Kauf bestimmter Nahrungsmittel oder durch Anruf bei einer in den Spielregeln angegebenen Telefon-Hotline zu bekommen. Der o. a. Folder mit dem Titel Spielregeln lag in den M Restaurants von Österreich, Deutschland und Luxemburg auf. In den Spielregeln wurden die potentiellen Spielnehmer zunächst darüber informiert, dass dieses Gewinnspiel in Deutschland, Österreich und Luxemburg stattfindet. Es ist darin auch festgehalten worden, welche und wie viele Gewinne insgesamt zu erhalten waren, bzw., dass die Gewinne Cinemaxx Kino Privatvorstellung für Fünfzehn Freunde und Hymer Campingbus nur in Deutschland verfügbar sind und dass Personen, die ihren Wohnsitz in Österreich oder Luxemburg haben, statt des Lovefilm-Abos einmalig eine DVD geschenkt bekommen. Zusätzlich enthielten die Spielregeln die Hinweise, dass alle Gewinne nicht auf andere Personen übertragbar sind, dass die Abbildungen des Wunschzettels lediglich Demonstrationswecken dienen und von den tatsächlichen Gewinnen insoweit abweichen können, dass sie durch andere, gleichwertige Gewinne ersetzt werden können, dass bei den zu gewinnenden Waren- und Einkaufgutscheinen die Kombination mit anderen Rabattgutscheinen, die Anrechnung auf einen Wertgutschein auf Porto- und Verpackung, der Weiterverkauf, der Umtausch und die Barauszahlung ausgeschlossen und untersagt ist; sowie, dass maximal ein Rabatt- oder ein Geschenkgutschein von Pearl.de pro Person und Monat eingelöst werden darf.

Zusätzlich zu diesen Spielregeln lag ein Folder mit dem Titel ‚Wunschzettel' auf, auf welchen alle Gewinne abgebildet waren. So waren je eine handelsübliche DVD ‚Mr. Poppers Pinguine' und ‚Gullivers Reisen - Da kommt was Großes auf und zu' zu sehen.

Unter diesen Abbildungen war zu lesen: 150.000 DVD von Love

Film und Fox Lovefilm.de: ein Amazon Unternehmen. Von Amazon sind sämtliche, zu gewinnende DVDs zur Verfügung gestellt worden. Der Wunschzettel enthielt den Vermerk Gewinnchance 1:4. In den Spielregeln war dazu vermerkt, dass diese Aussage sich auf das ganze Promotionsgebiet bezieht, auf der Ausgabe aller Spielsticker basiert und ein rein rechnerischer bzw. statistischer Wert ist.

Für Österreich gab es einen eigenen Preispool, das bedeutet, dass von vorne herein vorgesehen war, dass in Österreich nur eine bestimmte Stückzahl an Gewinnen zu erhalten war bzw. dass einige Gewinne im Österreichischen Preispool nicht enthalten waren.

..."

4 Im zu beurteilenden Fall sei - so die weitere Begründung - unstrittig, dass das verfahrensgegenständliche Gewinnspiel grundsätzlich unter die Bestimmung des § 58 Abs. 3 GSpG falle. Strittig sei zunächst, ob in Anwendung dieser Gesetzesbestimmung sämtliche in den Spielregeln genannten Gewinne in die Bemessungsgrundlage der Glücksspielabgabe miteinzubeziehen seien. Darüber hinaus sei die Bewertung folgender, in den Spielregeln aufscheinender Gewinne strittig:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Zur Darstellung der Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf den eingangs genannten Beschluss vom 28. Jänner 2016 sowie auf den darin verwiesenen Beschluss vom 25. November 2015, A 2015/0011, verwiesen.

12 Die Amtsrevision wendet sich zunächst dagegen, dass das Gericht im angefochtenen Erkenntnis die Bemessungsgrundlage (die in Aussicht gestellten Gewinne) anhand eines "österreichischen Preispools" ermittelt habe.

13 In tatsächlicher Hinsicht traf das Gericht die eingangs wiedergegebene Feststellung, für Österreich habe es einen eigenen Preispool gegeben, das bedeutet habe, es sei von Vornherein vorgesehen gewesen, dass in Österreich nur eine bestimmte Stückzahl an Gewinnen zu erhalten gewesen sei und dass einige Gewinne im österreichischen Preispool nicht enthalten gewesen seien. In rechtlicher Hinsicht fügte das Gericht dem hinzu, ein durchschnittlich aufmerksamer Spielteilnehmer habe nicht damit rechnen können, dass sämtliche Gewinne auf Österreich entfallen würden. Vielmehr habe ein von Österreich aus teilnehmender Spielnehmer vernünftigerweise davon ausgehen können, dass ihm nur Gewinne, die im österreichischen Preispool enthalten seien, zugesagt würden.

14 Nach § 58 Abs. 3 GSpG bemisst sich die Glücksspielabgabe mit einem Hundertsatz der "in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen" (Gewinn), wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hält die - vom Verfassungsgerichtshof geteilte - Auslegung aufrecht, dass § 58 Abs. 3 GSpG eine verhältnismäßige Bemessung der Glücksspielabgabe bei grenzüberschreitenden Glücksspielen unter Zugrundelegung der auf das Inland entfallenden Teilnahmen oder Gewinne nicht vorsieht. Bemessungsgrundlage für die Glücksspielabgabe nach § 58 Abs. 3 GSpG bildet die Gesamtheit aller in Aussicht gestellten Gewinne. Maßgeblich ist der Empfängerhorizont der inländischen Öffentlichkeit und nicht eine Intention oder Mentalreservation des Veranstalters.

16 Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses entbehrt die Annahme des Gerichts, es habe für Österreich einen eigenen "Preispool" gegeben, in dieser Allgemeinheit einer Grundlage, weil nicht festgestellt ist, dass der inländischen Öffentlichkeit gleichermaßen auch die Begrenzung der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne) anhand eines "Preispools" erklärt worden wäre.

17 Davon sind die Feststellungen des Gerichts, wonach dem Inhalt der Folder (Flyer) zufolge die Gewinne "Cinemaxx Kino Privatvorstellung für 15 Freunde" und "Hymer Campingbus" nur in Deutschland verfügbar gewesen seien und dass Personen, die ihren Wohnsitz in Österreich oder Luxemburg hätten statt des "Lovefilm-Abos" einmalig eine DVD geschenkt bekämen, zu unterscheiden, weil sich daraus für die inländische Öffentlichkeit eine von vornherein erkennbare Beschränkung oder Modifizierung der in Aussicht gestellten Gewinne erschloss.

Die Amtsrevision zieht nicht in Zweifel, dass sich anhand dieser konkreten Bedingungen die der inländischen Öffentlichkeit in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen bestimmten.

18 Der Amtsrevision kommt daher schon in der Bemängelung der Berechnung der Bemessungsgrundlage anhand eines "österreichischen Preispools" Berechtigung zu, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist (vgl. ebenso das Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2016/16/0035).

19 Soweit sich die Amtsrevision auch gegen die Ermittlung des Wertes der "Ersatz-DVDs" in Anwendung des § 184 BAO wendet, ist für das weitere Verfahren auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 184 BAO zu verweisen, wonach die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit beruht, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen (vgl. etwa die in Ritz, Kommentar zur BAO5, unter Rz 6 zu § 184 BAO wiedergegebene Rechtsprechung). Sollte sich daher die Ermittlung des gemeinen Werts der "Ersatz-DVDs" als unmöglich erweisen, so begegnet die Schätzung dieser Werte nach § 184 BAO keinen Bedenken. Soweit die Amtsrevision eine Unvollständigkeit der Schätzungsgrundlagen im angefochtenen Erkenntnis rügt, kann das Finanzamt im fortzusetzenden Verfahren - unbeschadet einer Mitwirkungspflicht der Mitbeteiligten (vgl. etwa die in Ritz, aaO, unter Rz 19 zu § 184 BAO wiedergegebene Rechtsprechung) - auch seinerseits zur Erweiterung der Grundlagen der Schätzung beitragen.

20 Weiters wird das Gericht bei der Festsetzung der Glücksspielabgabe für das gesamte Jahr 2012 allfällige weitere in diesem Jahr durchgeführte Gewinnspiele ("Facebook" und "YPD") in die Bemessung miteinzubeziehen (dem Aufhebungsbescheid vom 4. April 2014 zufolge Abgabenbeträge von EUR 411,70 und EUR 327,68) und auf allfällige Unstimmigkeiten, die die Amtsrevision als Rechen- und Schreibfehler moniert, Bedacht zu nehmen haben.

21 Die Abweisung des Aufwandersatzbegehrens der Mitbeteiligten gründet sich auf § 47 Abs. 3 VwGG, der nur im Fall einer Abweisung der Revision Anspruch auf Aufwandersatz zukäme (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2016, Ra 2016/16/0095).

Wien, am 24. Jänner 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte