VwGH Ro 2015/15/0025

VwGHRo 2015/15/002529.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Finanzamtes Graz-Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 14-18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. April 2015, Zl. RV/2101044/2014, betreffend Einkommensteuer 2012 (mitbeteiligte Partei: Ing. R L in G, vertreten durch Dr. Peter Dösinger, Steuerberater in 8010 Graz, Heinrichstraße 97), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §30 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Revisionswerber war Eigentümer einer 3.646 m2 großen, im Gebiet einer Landeshauptstadt gelegenen, mit einem Haus samt Garage bebauten Liegenschaft. Der Anteil der bebauten Fläche belief sich auf 317 m2. Das Haus diente dem Revisionswerber vom 5. April 2002 bis 12. September 2012 als Hauptwohnsitz. Am 31. Mai 2012 unterzeichnete der Revisionswerber einen Vertrag über die Veräußerung der Liegenschaft um einen Kaufpreis von 3,2 Mio. EUR. Im selben Jahr wurde die Liegenschaft dem Käufer übergeben.

2 Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 unterwarf das Finanzamt die Veräußerung der Liegenschaft zum Teil der Immobilienertragsteuer. Dem Revisionswerber stünde zwar grundsätzlich die so genannte Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 EStG 1988 zu, die jedoch nur ein Grundstück bis zu einer Fläche von maximal 1.000 m2 mitumfasse. Der (anteilige) Veräußerungserlös für die darüber hinausgehende Fläche (rund 2,2 Mio. EUR) unterliege der Immobilienertragsteuer.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde begründete der Revisionswerber im Wesentlichen damit, dass dem Gesetz eine flächenmäßige Einschränkung der Hauptwohnsitzbefreiung nicht zu entnehmen sei, die EStR lediglich einen Auslegungsbehelf darstellten und die Erfassung eines 1.000 m2 übersteigenden Grundanteils zu unsachlichen Differenzierungen führen würde.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den Bescheid des Finanzamtes "wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes" ab, indem eine Immobilienertragsteuer nicht mehr zum Ansatz kam. Nach dem Gesetzeswortlaut seien "Eigenheime samt Grund und Boden" von der Immobilienertragsteuer befreit. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (zu § 30 EStG 1988 in seiner Stammfassung, 621 BlgNR 17. GP , 82) solle nur der Grund von der Befreiung erfasst sein, der üblicherweise als Bauplatz benötigt werde. Die EStR 2000 definierten in ihrer Rz. 6634 den "üblicherweise benötigten Bauplatz" in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Grunderwerbsteuer als Grundstück mit einer Größe von maximal 1.000 m2. Diese Auslegung sei jedoch nicht zwingend. Definiere man den Begriff "Eigenheim samt Grund und Boden" aus Sicht des Baurechts, so seien (unterschiedliche) gesetzliche Bebauungsvorschriften zu beachten. Das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 2010, LGBl. Nr. 49/2010, sehe hinsichtlich Gebäudeerrichtungen vor, dass jede Gemeinde für ihr Gemeindegebiet durch Verordnung einen Flächenwidmungsplan aufzustellen habe. Darin seien Bauland, Verkehrsflächen und Freiland vorzusehen. In der Bebauungsplanung sei jedenfalls die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundflächen ersichtlich zu machen und für Gebäude die Bebauungsweise, die Höhenentwicklung der Gebäude und der Mindestabstand zu öffentlichen Verkehrsflächen festzulegen. Die Bebauungsdichte gebe eine minimale und eine maximale Ausnutzung des Grundstückes vor. Es stehe daher nicht im Belieben eines Grundeigentümers, ein ihm gehörendes Grundstück nach seinen Vorstellungen zu bebauen, wobei grundsätzlich im städtischen Raum eine dichtere Bebauung vorgesehen sei als im ländlichen Raum. Sofern nun das Einkommensteuergesetz den Begriff "Eigenheim samt Grund und Boden" verwende, könne keine starre Größenbeschränkung des Grund und Bodens gemeint sein, weil für die ortsübliche Größe des Bauplatzes vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Faktoren (vorgeschriebener Abstand zur Straße, Bebauungsdichte usw.) maßgeblich seien. Selbst wenn man in Betracht ziehe, dass Begünstigungen eng auszulegen seien, sei eine sich allein an der absoluten Grundstücksgröße orientierende Abgrenzung unsachlich, weil sie den Veräußerungserlös von Gebäuden in einem Raum mit geringer Bebauungsdichte zum Teil erfasse, wohingegen die Veräußerung von Gebäuden in Gebieten mit höherer Bebauungsdichte gänzlich steuerfrei bleibe.

5 Unstrittig sei, dass in § 30 EStG 1988 eine Beschränkung der Wohnfläche des Eigenheimes ebenso wenig vorgesehen sei wie eine Beschränkung des Verkaufspreises. Es wäre unsachlich, eine luxuriöse Villa auf einem 1.000 m2 großen Grundstück steuerfrei zu lassen und ein kleines Landhaus auf einem 2.000 m2 Grundstück teilweise zu besteuern. Obgleich die Vielfalt der menschlichen Bedürfnisse die Objektivierbarkeit erschwere, könne sich die Abgrenzung des "zum Gebäude gehörenden Grund und Bodens" nur an der Nutzung orientieren. Im Revisionsfall sei der gesamte Grund als Garten genutzt worden. Weil dem Gesetz keine größen- oder betragsmäßige Beschränkung des Begriffes "Eigenheim" zu entnehmen sei, sei die Veräußerung des Wohnhauses samt der 3.646 m2 großen Liegenschaft von der Steuerpflicht ausgenommen.

6 Dagegen wendet sich die (ordentliche) Revision des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

7 § 30 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 lautet auszugsweise:

"(1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder

Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b),

wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens

zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

(...)"

8 Das Finanzamt bringt vor, aus dem Normzweck der Bestimmung leuchte hervor, dass die Befreiung in Bezug auf den Grund und Boden einer Begrenzung unterliege. Das Bundesfinanzgericht habe die Abgrenzung des "zum Eigenheim gehörenden Grund und Bodens" nur an der "behördlich bewilligten Nutzung" vorgenommen. Eine derartige Begrenzung sei nicht sachgerecht. Zum einen seien Bestimmungen der Bauordnung zu beachten, zum anderen widerspreche es dem Gesetzeszweck, beispielsweise auch einen Schlosspark in seiner Gesamtheit zu befreien. Die langjährige Verwaltungspraxis stelle üblicherweise auf eine Parzelle iSd Vermessungsgesetzes ab und beschränke die Befreiung des Grund und Bodens auf eine Größe von etwa 1.000 m2. Diese Auslegung sei auch schon zur Vorgängerbestimmung des § 30 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 (Hauptwohnsitzbefreiung des § 30 Abs. 2 EStG idF BGBl. Nr. 400/1988) vertreten worden. Da der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Grundstücksbesteuerung durch das 1. StabG 2012 hinsichtlich der Hauptwohnsitzbefreiung an die bisherige Rechtslage anknüpfe, sei auch die dazu vorhandene Verwaltungspraxis nicht unbeachtlich. Die Hauptwohnsitzbefreiung sei dem Grunde nach eine Gebäudebefreiung. Die Beschaffenheit und die Art der Nutzung des Gebäudes sei das wesentliche Tatbestandsmerkmal der Befreiungsbestimmung. Die Ausdehnung der Gebäudebefreiung auf den Grund und Boden habe vor allem den Sinn und Zweck, auch den vom Gebäude eingenommenen Grund und Boden in die Steuerbefreiung einzubeziehen.

9 Zur Begriffsbestimmung des Eigenheimes knüpft das Gesetz an die Definition des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 an. Danach ist ein Eigenheim ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen.

10 Der unbestimmte Begriff des Eigenheims "samt Grund und Boden" bedarf der Auslegung. Nach den Erläuterungen zur Neuregelung der Immobilienbesteuerung mit dem 1. StabG 2012 (1680 BlgNR 24. GP , 8) sind "wie bisher Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b)" von der Besteuerung ausgenommen, welche zwischen Anschaffung und Veräußerung durchgehend für mindestens zwei Jahre den Hauptwohnsitz des Veräußerers darstellen. Zur Stammfassung des § 30 EStG 1988 wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausgeführt, dass die Steuerbefreiung auch für den "Grundanteil bzw. den Grund gelte, der üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist" (621 BlgNR 17. GP , 82).

11 In welchem Umfang Grund und Boden einer Baulichkeit zuzuordnen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Entnahme eines gemischt genutzten Gebäudes im Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 98/15/0019, behandelt. Demnach bildet bei einem bebauten Grundstück das Gebäude mit Grund und Boden ein einheitliches Wirtschaftsgut. Dabei gehört zum Wirtschaftsgut nicht nur jener Boden, auf dem das Gebäude steht, sondern auch die das Gebäude umgebende Bodenfläche, welche nach der Verkehrsauffassung zusammen mit dem Gebäude als Einheit "bebautes Grundstück" angesehen wird.

12 Unter Bedachtnahme auf die Gesetzesmaterialien und die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 dahingehend auszulegen, dass dem begünstigten Eigenheim "Grund und Boden" in jenem Ausmaß zuzuordnen ist, das "üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist". Nur in diesem Ausmaß erstreckt sich die Steuerbefreiung auch auf den mitveräußerten "Grund und Boden". Die Beurteilung, welche Grundstücksgröße üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist, erfolgt nach der Verkehrsauffassung.

13 Indem das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, dass der Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 (in Bezug auf Grund und Boden) keine größenmäßige Beschränkung zu entnehmen sei, hat sie die Rechtslage verkannt.

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 29. März 2017

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