BFG RV/2101044/2014

BFGRV/2101044/201417.4.2015

Eigenheimbefreiung beim Spekulationsgeschäft - Grundstücksgröße

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2015:RV.2101044.2014

 

Beachte:
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ro 2015/15/0025. Mit Erk. v. 29.3.2017 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss vom 22.5.2017 erledigt (Zurückverweisung an die Abgabenbehörde).

Anmerkungen:
Abweichend EStR 2000, Rz 6634

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin in der Beschwerdesache Beschwerdeführer, vertreten durch Dr. Peter Dösinger, Heinrichstraße 97, 8010 Graz gegen den Bescheid des Finanzamt Graz-Stadt vom 16.07.2014, betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht erkannt:

 

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes abgeändert:

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer war Eigentümer einer 3.646 m 2 großen Liegenschaft in Graz, auf der ein Haus mit einer Wohnfläche von rund 250 m 2 und eine Garage mit einer Fläche von rund 50 m 2 stand. Laut Grundbuch belief sich der Anteil der bebauten Fläche auf 317 m2 und die "Gärten" auf 3.329 m2. Aus den durch das Finanzamt vorgelegten Fotos ergibt sich, dass das Gebäude in der Mitte der Liegenschaft stand, wobei die umgebenden Fläche n als Garten genutzt wurden.

Der Beschwerdeführer hat das Haus laut unbestrittener Melderegisterdaten von 5.4.2002 bis 12.9.2012 als Hauptwohnsitz genutzt.

Am 31.5.2012 unterzeichnete der Bf. einen Kaufvertrag über die Veräußerung der Liegenschaft, die im selben Jahr dem Käufer übergeben wurde.

Das Finanzamt hat im bekämpften Einkommensteuerbescheid 2012 die Veräußerung der Liegenschaft zum Teil der Immobilienertragsteuer unterworfen. Das Finanzamt begründete den Bescheid damit, dass dem Bf. zwar grundsätzlich die sog. Hauptwohnsitzbefreiung des § 30 Abs 2 EStG 1988 zustehe, jedoch sei von der Befreiung nur ein Grundstück bis 1.000 m 2 Fläche erfasst. Der darüber hinausgehende Veräußerungserlös unterliege der ImmoESt (Hinweis auf Rz 6634 EStR).

Die dagegen eingebrachte Beschwerde begründete der steuerliche Vertreter (mit zahlreichen Literaturhinweisen) damit, dass dem Gesetz eine flächenmäßige Einschränkung nicht zu entnehmen sei. Die EStR würden lediglich einen Auslegungsbehelf darstellen und überdies sei die Rz 6634 EStR auch von ihrem Wortlaut her widersprüchlich. Auch führe die Erfassung eines Grundanteils über 1.000 m 2 zu unsachlichen Differenzierungen. Nicht zuletzt sei die Erfassung bereits steuerfrei veräußerbaren Vermögens aus dem Blickwinkel der Rückwirkung verfassungsrechtlich bedenklich.

Auf Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtete der Bf. ausdrücklich.

Rechtslage:

Private Grundstücksveräußerungen - § 30 EStG idF BGBl 112/2012 lautet auszugsweise:

§ 30 (1) EStG 1988: Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

...

§ 18 (1) EStG 1988: …

3. Ausgaben zur Wohnraumschaffung oder zur Wohnraumsanierung: …

b) Beträge, die verausgabt werden zur Errichtung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amtshilfe besteht, gelegen sind. Eigenheim ist ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen. Das Eigenheim kann auch im Eigentum zweier oder mehrerer Personen stehen. Das Eigenheim kann auch ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden sein. Eine Eigentumswohnung muss mindestens zu zwei Dritteln der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken dienen. Das Eigenheim oder die Eigentumswohnung muss unmittelbar nach Fertigstellung dem Steuerpflichtigen für einen Zeitraum von zumindest zwei Jahren als Hauptwohnsitz dienen. Auch die Aufwendungen für den Erwerb von Grundstücken zur Schaffung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen durch den Steuerpflichtigen oder durch einen von ihm Beauftragten sind abzugsfähig.

Das BFG hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass eine Veräußerung eines Eigenheimes samt Grund und Boden (iSd § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988) stattgefunden hat, das dem Bf. innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat und dass der Hauptwohnsitz aufgegeben wurde. Damit ist auch nach Ansicht des Finanzamtes die Befreiung für die Veräußerung von Eigenheimen nach § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 idF BGBl 112/2012 grundsätzlich anwendbar.

Streit besteht darüber, ob der gesamte Veräußerungserlös steuerfrei bleiben kann oder ob der 1.000 m 2 übersteigende Grundanteil steuerverfangen ist.

 

Befreit ist nach dem Gesetzeswortlaut das in § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 definierte „Eigenheim“ samt Grund und Boden.

Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zufolge soll (nur) der Grund von der Befreiung erfasst sein, der üblicherweise als Bauplatz benötigt wird (vgl. Büsser in Hofstätter/Reichel, § 30 Rz 7.1 oder Kanduth/Kristen in Jakom EStG 5 , § 30 Tz 34).

Rz 6634 EStR definiert einen üblicherweise benötigten Bauplatz (in Anlehnung an die RSpr des VwGH zum GrEStG) als Grundstück mit einer Größe von maximal 1.000 m 2 .

Diese Auslegung ist jedoch nicht zwingend (siehe schon Ruppe, Die Veräußerung von Privatvermögen, SWK 1990, A I 260 Beispiel 8).

Definiert man den Begriff „Eigenheim samt Grund und Boden“ aus Sicht des Baurechts (arg: üblicher Bauplatz), so sind die gesetzlichen Bebauungsvorschriften zu beachten. Das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 2010, LGBl. Nr. 49/2010 sieht hinsichtlich Gebäudeerrichtungen vor, dass jede Gemeinde für ihr Gemeindegebiet durch Verordnung einen Flächenwidmungsplan aufzustellen und fortzuführen hat. Darin sind Bauland, Verkehrsflächen und Freiland vorzusehen (§ 26 leg. cit.). In der Bebauungsplanung (§§ 40ff leg. cit) wiederum ist jedenfalls die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundflächen (Übernahme der Bebauungsdichte aus dem Flächenwidmungsplan) ersichtlich zu machen und (für Gebäude) die Bebauungsweise (offen, gekuppelt, geschlossen), die Höhenentwicklung der Gebäude (Maximalwerte zur Gesamthöhe von Gebäuden und/oder zu Gebäudehöhen), der Mindestabstand zu öffentlichen Verkehrsflächen und die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundflächen (Erhöhung oder Verringerung der im Flächenwidmungsplan angegebenen Grenzwerte der Bebauungsdichte, Festlegung des Bebauungsgrades) festzulegen (vgl. § 41 leg. cit). Die Bebauungsdichte gibt eine minimale und eine maximale Ausnutzung des Grundstückes vor (in der Steiermark für reine Wohngebiete: 0,2 – 0,8 vgl. § 2 Bebauungsdichteverordnung 1993, LGBl 38/1993 idF LGBl. Nr. 58/2011). Vor der Bebauung muss gem. dem Steiermärkischen Baugesetz, LGBl 59/1995 um eine Baubewilligung angesucht werden, wobei die Behörde dem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben hat, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt sind (§ 29 Stmk. Baugesetz).

Es steht daher nicht im Belieben eines Grundeigentümers, ein ihm gehörendes Grundstück nach seinen Vorstellungen zu bebauen. Die Bebauung darf - im Gegenteil - nur nach den strengen gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Auch variiert die Bebauungsdichte (und damit die Größe des für die Errichtung eines Gebäudes notwendigen Grundstückes) innerhalb eines Landes in den einzelnen Gebieten, wobei grundsätzlich im städtischen Raum (0,2 – 0,8) eine dichtere Bebauung vorgesehen ist als im ländlichen Raum (für Dorfgebiete: 0,2 – 1,5 gem. § 2 Bebauungsdichteverordnung 1993, LGBl 38/1993 idF LGBl. Nr. 58/2011).

Sofern nun das Einkommensteuergesetz den Begriff „Eigenheim samt Grund und Boden“ verwendet, kann keine starre Größenbeschränkung des Grund und Bodens gemeint sein, weil für die (orts)übliche Größe des Bauplatzes vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Faktoren (wie zB die Ausmaße des Grundstücks und der vorgeschriebene Abstand zur Straße, die Bebauungsdichte usw.) maßgeblich sind. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass Begünstigungen eng auszulegen sind (vgl explizit zur betroffenen Bestimmung Lenneis, Betriebliche, private und gemischte Nutzung von Grundstücken, in: FS Hübner, 115), ist eine sich allein an der absoluten Grundstücksgröße orientierende Abgrenzung unsachlich, weil sie den Veräußerungserlös von Gebäuden in einem Raum mit geringer Bebauungsdichte zum Teil erfasst wohingegen die Veräußerung von Gebäuden in Gebieten mit höherer Bebauungsdichte gänzlich steuerfrei bleiben.

Unstrittig ist, dass in § 30 EStG 1988 eine Beschränkung der Wohnfläche des Eigenheimes ebenso wenig vorgesehen ist wie eine Beschränkung des Verkaufspreises. Das Fehlen einer größen- (und betragsmäßigen) Beschränkung des Gebäudeteiles auf der einen Seite und die Existenz einer umfangmäßigen Beschränkung für den Grund und Boden auf der anderen Seite würde so zu dem merkwürdigen Ergebnis führen, dass die Veräußerung einer luxuriösen großen Villa im dicht bebauten Innenstadtgebiet (auf einem 1.000 m 2 großen Grundstück) oder eines großen Penthauses zur Gänze steuerfrei bliebe wohingegen die Veräußerung eines nicht so wertvollen kleinen Landhauses auf einem 2.000 m 2 großen Grundstück zum Teil steuerverfangen wäre. Eine solche Auslegung ist unsachlich und kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

 

Obgleich die Vielfalt der menschlichen Bedürfnisse (Bepflanzung mit Blumen, Kräutern, Bäumen oder wild wuchernden Pflanzen, Einrichtung von Teichen, Abgrenzung mit oder ohne Zaun etc.) die Objektivierbarkeit erschwert, kann sich die Abgrenzung des "zum Gebäude gehörenden Grund und Bodens" nur an der (ua behördlich bewilligen) Nutzung orientieren. 

Im Beschwerdefall wurde der gesamte veräußerte Grund als Garten des Wohnhauses genutzt. Der Bf. hat damit ein Gebäude, das ihm innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat, samt Grund und Boden veräußert und den Hauptwohnsitz aufgegeben.

Weil dem Gesetz keine größenmäßige (oder betragsmäßige) Beschränkung des Begriffes „Eigenheim“ zu entnehmen ist, ist im Beschwerdefall die Veräußerung des Gebäudes samt dem Grundstück von der Steuerpflicht ausgenommen.

 

Damit kann im Beschwerdefall auch dahingestellt bleiben, ob die Einführung der sog. „Immobilienertragsteuer“ dem Verfassungsrecht widerspricht, weil der Bf. dadurch nicht beschwert ist.

Revision:

Die Revision ist zulässig, weil eine explizite Rechtsprechung des VwGH zur Frage, welcher Anteil an Grund und Boden von der Eigenheimbefreiung des § 30 Abs 2 EStG 1988 erfasst ist, fehlt.

 

 

Graz, am 17. April 2015

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 30 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

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