VwGH Ra 2016/22/0054

VwGHRa 2016/22/005413.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofräte Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag.a Ortner, in der Revisionssache des Y A, vertreten durch Dr. Metin Akyürek, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Köstlergasse 1/23, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 15. April 2016, VGW-151/071/3543/2016-2, betreffend eine Angelegenheit nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art131 Abs1;
B-VG Art133 Abs1 Z3;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §31;
VwRallg;
B-VG Art131 Abs1;
B-VG Art133 Abs1 Z3;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §31;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber stellte beim österreichischen Generalkonsulat Istanbul einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 14. Jänner 2016 abgewiesen wurde.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber durch seinen auch hier einschreitenden Rechtsanwalt per Telefax eine Beschwerde, die an die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld adressiert war. Darin führte er aus: "Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 14. Jänner 2016, ..., erhebt der Beschwerdeführer gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 und Art 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nachstehende Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien."

3 Die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld übermittelte die Beschwerde im Wege des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

4 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich leitete die Beschwerde samt Verfahrensakt an das Verwaltungsgericht Wien mit der Begründung weiter, die Beschwerde sei ausdrücklich an das Verwaltungsgericht Wien gerichtet.

5 Das Verwaltungsgericht Wien wies mit dem angefochtenen Beschluss (vom 15. April 2016) die Beschwerde wegen Unzuständigkeit zurück. Begründend führte es im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe zwar zunächst den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom Ausland aus gestellt, er sei in der Folge jedoch nach Österreich eingereist und an einer näher genannten Adresse im Bezirk Lilienfeld zwischen 12. Oktober 2015 und 17. Februar 2016 gemeldet gewesen; danach sei er in die Türkei gezogen. Da der Revisionswerber zuletzt seinen Wohnsitz im Bezirk Lilienfeld gehabt habe, begründe dies gemäß § 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich. Eine "örtliche Zuständigkeit nach Wünschen des Beschwerdeführers" sei nicht vorgesehen. Ungeachtet der Möglichkeit, Anbringen im Fall der Unzuständigkeit durch verfahrensleitenden Beschluss im Sinn des § 31 Abs. 2 VwGVG an die zuständige Stelle, das heißt ein anderes sachlich oder örtlich zuständiges Verwaltungsgericht, weiterzuleiten (subsidiäre sinngemäße Anwendung des § 6 AVG), sei jedenfalls dann, wenn die Unzuständigkeit eines Verwaltungsgerichts zweifelhaft und nicht offenkundig sei, eine Entscheidung über die Zuständigkeit in der in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Form zu treffen (Hinweis auf die hg. Beschlüsse vom 23. November 1993, 93/04/0216, und vom 29. Oktober 2014, Ro 2014/04/0069, sowie auf Hengstschläger/Leeb, AVG I2 § 6 Rz 14). Daher sei seitens des Verwaltungsgerichtes Wien ein Unzuständigkeitsbeschluss zu erlassen gewesen.

6 Schließlich wurde eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision; die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht beantragte die Zurückweisung der Revision mangels Zulässigkeitsvoraussetzungen.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der Revisionswerber bringt in seiner Zulässigkeitsbegründung vor, der angefochtene Beschluss weiche von der ständigen hg. Rechtsprechung ab, weil ein Verwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG Anbringen, zu deren Behandlung es nicht zuständig sei, im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung des Geschäftsganges an das zuständige Verwaltungsgericht weiterzuleiten oder den Einschreiter an dieses zu verweisen habe. Eine Zurückweisung komme nur dann in Betracht, wenn Zweifel über die Zuständigkeit bestünden, diese bestritten werde oder eine Weiterleitung nicht möglich sei, weil es beispielsweise keine zuständige Behörde gebe (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 1979, 3304/78, vom 21. Dezember 1978, 2551/76, VwSlg. 14475/A, und vom 4. November 2009, 2008/17/0240, sowie auf Literaturmeinungen).

12 Dabei übersieht der Revisionswerber, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Juni 2015, Ra 2015/04/0035, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, die hg. Judikatur vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 betreffend eine Zurückweisung einer Berufung wegen Unzuständigkeit als nicht auf die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragbar beurteilte, weil die förmliche Ablehnung der Zuständigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nunmehr eine Voraussetzung für eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über einen Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 3 B-VG darstellt, und dafür nur ein Zurückweisungsbeschluss in Betracht kommt. Fallbezogen hat das Verwaltungsgericht Wien - nach Erlassung des förmlichen Zurückweisungsbeschlusses - die Akten des Verfahrens an das für zuständig erachtete Verwaltungsgericht Niederösterreich rückzuübermitteln, um diesem die Möglichkeit zu geben, selbst über seine Zuständigkeit zu entscheiden. In Hinblick auf seinen eindeutigen Spruch, nämlich die Zurückweisung der Beschwerde "infolge Unzuständigkeit", erfolgte mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien lediglich ein Abspruch über seine Unzuständigkeit, nicht jedoch eine abschließende Erledigung des Beschwerdeverfahrens. Ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt somit nicht vor. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die unrichtige Bezeichnung eines Verwaltungsgerichtes durch die Partei keine Zuständigkeit zu begründen vermag.

13 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. September 2016

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