VwGH Ra 2016/22/0051

VwGHRa 2016/22/005117.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des O F A, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. März 2016, VGW-151/084/103/2016/E- 8, betreffend Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach dem NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art7;
EG-Abk Schweiz 2002 Anh1;
EG-Abk Schweiz 2002 Art4;
EURallg;
NAG 2005 §54 Abs1;
NAG 2005 §57;
VwGG §42 Abs2 Z1;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7;
EG-Abk Schweiz 2002 Anh1;
EG-Abk Schweiz 2002 Art4;
EURallg;
NAG 2005 §54 Abs1;
NAG 2005 §57;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes gemäß § 54 Abs. 1 in Verbindung mit § 57 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

Begründend stellte das Verwaltungsgericht ua. fest, der Revisionswerber sei seit 12. August 2011 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, die sich von 27. Dezember 2007 bis 5. Februar 2008 in der Schweiz aufgehalten und dort als Kindermädchen gearbeitet habe.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Aufenthalt der Ehefrau des Revisionswerbers in der Schweiz habe weniger als drei Monate gedauert, sodass schon aus diesem Grund kein Freizügigkeitssachverhalt im Sinn des § 57 NAG vorliege.

2 In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wurde zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis entspreche nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2011/22/0007), weil im Fall einer Beschäftigung in der Schweiz die Freizügigkeit auch dann begründet werde, wenn die Tätigkeit der Ehefrau des Revisionswerbers weniger als drei Monate gedauert habe.

3 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unbegründet abzuweisen.

4 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

5 § 54 und § 57 NAG lauten auszugsweise:

"§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(...)"

"§ 57. (...) Für Angehörige von Österreichern gelten die Bestimmungen der §§ 52 bis 56 sinngemäß, sofern der Österreicher sein unionsrechtliches oder das ihm auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz in Anspruch genommen hat und im Anschluss an diesen Aufenthalt nach Österreich nicht bloß vorübergehend zurückkehrt."

6 Nach Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er ua. Arbeitnehmer ist. Dieses Recht auf Freizügigkeit ist in Bezug auf die Schweiz im Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz (Art. 4 und Anhang I) geregelt.

7 Mit Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2011/22/0007, hat der Verwaltungsgerichtshof (unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 23. Februar 2012, 2010/22/0011) ausgesprochen, dass für die Inanspruchnahme des Rechtes auf Freizügigkeit der Nachweis eines Mindestaufenthaltes der Ankerperson von (mehr als) drei Monaten nicht erforderlich ist. Auch kommt es auf den zeitlichen Abstand seit der Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechtes und der Begründung des Angehörigenverhältnisses nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2011/22/0163). Es ist lediglich eine gewisse Nachhaltigkeit bei der Ausübung des Freizügigkeitsrechts zu fordern (vgl. auch dazu das zit. Erkenntnis 2010/22/0011).

8 Vor dem Hintergrund der angeführten Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ist das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

9 Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

10 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 17. Oktober 2016

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