VwGH Ra 2016/21/0192

VwGHRa 2016/21/019230.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des M J in V, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. April 2016, W103 1432373-2/3E, betreffend Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z5;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §55;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z5;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art8;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber reiste Anfang Juni 2012 illegal nach Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 10. Jänner 2013 ab und verfügte die Ausweisung des Revisionswerbers in den vom Bundesasylamt angenommenen Herkunftsstaat Dschibuti.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 28. September 2015, Asyl und subsidiären Schutz betreffend, als unbegründet ab. Dabei ging das BVwG davon aus, dass der Revisionswerber aus dem Nordwesten Somalias, dem Gebiet Somaliland, stamme. Mangels glaubhaften Vorbringens könne allerdings nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem Revisionswerber in Somalia, insbesondere in Somaliland, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität drohe. Ihm sei eine Rückkehr dorthin möglich und zumutbar. Mit näherer Begründung führte das BVwG in diesem Zusammenhang auch aus, es könne nicht angenommen werden, dass dem Revisionswerber im Falle einer Rückkehr in Somalia, insbesondere in Somaliland, wo sich noch Verwandte befänden, die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und (insofern) die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Im Übrigen verwies das BVwG "das Verfahren" gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.

3 Mit Bescheid vom 4. März 2016 sprach das BFA aus, dass dem Revisionswerber Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Unter einem wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach "Somalia (Somaliland)" zulässig sei. Schließlich setzte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 18. April 2016 als unbegründet ab und es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (ua.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 Diesbezüglich wendet sich die Revision, die den Abspruch betreffend den Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erkennbar unbekämpft lässt, gegen die vom BVwG gemäß § 9 BFA-VG vorgenommene - für die Erlassung der Rückkehrentscheidung und die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG gleichermaßen entscheidungswesentliche - Interessenabwägung, wobei vor allem deren mangelhafte Begründung und eine unrichtige Gewichtung der maßgeblichen Aspekte geltend gemacht werden. Im Übrigen wird in diesem Zusammenhang die Unterlassung der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung gerügt.

8 Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Der unbescholtene, von der Grundversorgung lebende Revisionswerber hält sich erst knapp vier Jahre auf Basis eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz in Österreich auf und weist neben Grundkenntnissen der deutschen Sprache als besondere Integrationsleistung die dreijährige gemeinnützige Tätigkeit für ein Museum auf. Entgegen der Meinung in der Revision durfte das BVwG bei der Gewichtung dieser Umstände im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG aber maßgeblich relativierend einbeziehen, dass diese - im Übrigen nur das Privat- und nicht das Familienleben des Revisionswerbers in Österreich betreffenden - integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem er sich (spätestens nach Abweisung seines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesasylamt im Jänner 2013) seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Ergebnis der vom BVwG nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung, wiewohl sie in seinem fallbezogenen Teil hätte eingehender begründet werden können, nicht nur als vertretbar, sondern als zutreffend. Das steht an sich der Zulässigkeit einer (außerordentlichen) Revision in Bezug auf die Rückkehrentscheidung bzw. in Bezug auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 von vornherein entgegen (vgl. den hg. Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033, und zahlreiche daran anschließende Entscheidungen, aus der letzten Zeit etwa den Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2015/21/0180).

9 Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) Bedeutung zukommen kann (vgl. das Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101, Punkte 4.1. und 4.2. der Entscheidungsgründe, mwN; siehe darauf Bezug nehmend etwa auch das Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119). Im vorliegenden Fall ist dem Revisionswerber jedoch zu entgegnen, dass die Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in seinen Heimatstaat (laut dem Vorbringen in der Beschwerde: "Diskriminierungen" als Angehöriger eines Minderheitenclans in Somaliland) angesichts der sonstigen für die Interessenabwägung maßgebenden Faktoren nicht zu einem Überwiegen der privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich hätten führen können. Sie sind daher nicht entscheidungswesentlich und somit als Folge der illegalen Einreise zur Stellung eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz im öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung vom Revisionswerber hinzunehmen (vgl. in diesem Sinn auch den Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2016/21/0076, mwN). Allen in der Revision in diesem Zusammenhang (weitwendig) aufgeworfenen Fragen fehlt somit die Relevanz. Insbesondere lag mangels klärungsbedürftigen Sachverhalts im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG insofern auch keine Verletzung der Pflicht zur Durchführung einer - in der Beschwerde im Übrigen nicht beantragten - Verhandlung vor.

10 Schließlich ist dem Revisionswerber noch zu erwidern, dass er durch den im Rahmen der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG aufgenommenen - einschränkend zu verstehenden (so auch die Revision auf Seite 58 Mitte) - Klammerausdruck "(Somaliland)" nicht in subjektiven Rechten verletzt ist. Eine solche Rechtsverletzung wird auch in der Revision nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Die diesbezüglichen Einwände gehen daher ebenfalls ins Leere.

11 In der Revision wird somit insgesamt keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 30. Juni 2016

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