Normen
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 12. November 2015 die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sowie gegen die Nicht-Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 und § 55 AsylG 2005, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, die Feststellung gemäß § 52 Abs. 9 FPG, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und die Festsetzung der Frist zur freiwilligen Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG, ab.
2 Der Revisionswerber brachte am 13. April 2016 beim Bundesverwaltungsgericht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Revisionsfrist ein und holte gleichzeitig die versäumte Handlung, nämlich die Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das genannte Erkenntnis, nach.
3 Zum Wiedereinsetzungsantrag wurde ausgeführt, dem Revisionswerber sei zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. November 2015 im Rahmen der Verfahrenshilfe ein Rechtsanwalt beigegeben worden. Dieser habe dem Revisionswerber mitgeteilt, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts korrekt sei und er keine Möglichkeit sehe, dagegen Revision zu erheben. Der Rechtsanwalt habe sich vom Revisionswerber eine Erklärung unterfertigen lassen, in der dieser bestätigt habe, dass er mit seinem Anwalt "die Fakten und die rechtliche Situation des Falles" diskutiert habe und auf ein Rechtsmittel gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts verzichte. Handschriftlich sei hinzugefügt worden "and that are no sufficient chances of success". Dabei habe der Rechtsanwalt den Revisionswerber insoweit in einen Irrtum geführt, als er verschwiegen habe, dass der Verwaltungsgerichtshof die Verfahrenshilfe für den Rechtsbehelf nicht bewilligt hätte, wenn nicht entsprechende Erfolgsaussichten gegeben wären. Dieses schuldhafte Fehlverhalten des Rechtsanwalts sei für den Revisionswerber nicht vorhersehbar gewesen. Erst nach Kontaktaufnahme mit seiner Rechtsberaterin und in Folge mit dem nunmehrigen Vertreter sei jener Irrtum weggefallen, der ihn daran gehindert habe, fristgerecht Revision zu erheben.
4 Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Beschluss vom 26. April 2016 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG ab und sprach aus, dass dagegen die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
In seiner Begründung führte es aus, dass die verfahrenstaktische Entscheidung, ob ein Rechtmittel sinnvoll oder sogar notwendig sei, eine Partei oder ihr Anwalt immer eigenverantwortlich treffen müsse. Für eine Rückgängigmachung derartiger bewusster Dispositionen stehe die Wiedereinsetzung nicht zur Verfügung. Eine solche Entscheidung, möge sie sich auch im Rückblick als ungünstig erweisen, sei niemals ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG. Dem Vorbringen sei somit entgegenzuhalten, dass dem Revisionswerber auch nach Mitteilung seines Verfahrenshelfers, dass das Rechtsmittel keine Erfolgsaussichten habe, die Dispositionsfähigkeit nicht soweit gefehlt habe, dass er allein deswegen zur Durchsetzung der Erhebung eines Rechtsmittels außer Stand gewesen sei. Es müsse zudem als grob fahrlässig angesehen werden, wenn der Revisionswerber dem Rechtsanwalt keine Auskunft erteilt habe, inwiefern das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts fehlerhaft sei oder beim Rechtsanwalt nicht nachgefragt habe, ob dieser überhaupt bereit sei, das betreffende Rechtsmittel auch dann einzubringen, wenn aus seiner Sicht die Erfolgsaussichten gering oder kaum vorhanden seien.
5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses abgewichen. Der Revisionswerber habe nicht vorhersehen können, dass sich sein Verfahrenshelfer weigern werde, eine Revision zu verfassen und mit gesetzwidrigen Erklärungen versuche, der Partei einen Rechtsmittelverzicht abzuringen. Der Revisionswerber habe die ihm als rechts- und sprachunkundigen Asylwerber zumutbare Aufmerksamkeit angewendet. Ein Aufrechterhalten des angefochtenen Beschlusses würde die Rechtssicherheit beeinträchtigen, weil er die in § 46 Abs. 1 VwGG normierten Voraussetzungen in einem Ausmaß missachte, dass damit tragende Grundsätze des Verfahrensrechts beeinträchtigt würden. Weiters fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob sich eine Partei, der zur Einbringung eines Rechtsmittels die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt worden sei, das Verschulden des in Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalts selbst dann zurechnen lassen müsse, wenn sich dieser Rechtsanwalt geweigert habe, das wiedereinsetzungsgegenständliche Rechtsmittel zu verfassen. Die Rechtsprechung, wonach sich ein Vertretener das Verhalten seines Verfahrenshelfers, etwa bei Fristversäumnis, zurechnen lassen müsse, sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, in dem sich der Verfahrenshelfer pflichtwidrig geweigert habe, das Rechtsmittel auszuführen und pflichtwidrig beim Revisionswerber einen Irrtum über seine Verpflichtung, das Rechtsmittel auszuführen und dessen Aussichtslosigkeit, ausgelöst habe.
8 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
9 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet die (bloße) Untätigkeit eines Vertreters im Allgemeinen keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Machthaber wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen, die Frist einzuhalten. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber selbst dann nicht vor, wenn der Vertreter eines Revisionswerbers bewusst eine Revisionserhebung an den Verwaltungsgerichtshof unterlassen hat, weil er darin keine Erfolgsaussichten gesehen hat (vgl. den hg. Beschluss vom 30. August 2011, 2011/21/0187 und - betreffend einen gesetzlichen Vertreter - das hg. Erkenntnis vom 6. März 1996, 95/20/0181; ähnlich auch das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1998, 98/03/0266 und der hg. Beschluss vom 26. Juli 2001, 2001/20/0377). Dass der Rechtsanwalt dadurch allenfalls jene Pflichten, die ihm die Rechtsanwaltsordnung auferlegt, verletzt hat, ändert daran nichts (vgl. den hg. Beschluss vom 3. September 1997, 97/01/0422, sowie - betreffend den Amtshaftungsanspruch aus dem pflichtwidrigen Unterlassen der Beschwerdeerhebung durch einen gesetzlichen Vertreter - erneut das hg. Erkenntnis 95/20/0181).
Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers besteht somit bereits Rechtsprechung zu der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage. Dass diese zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2014 ergangen ist, ändert daran angesichts der Übertragbarkeit auf die nunmehr geltende Rechtslage nichts. Das Bundesverwaltungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen.
11 Soweit der Revisionswerber ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses geltend macht, übersieht er, dass er sich das Verhalten seines Vertreters zurechnen lassen muss. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon in Zusammenhang mit einem Untätigbleiben des Vertreters ausgesprochen (vgl. erneut den hg. Beschluss 2001/20/0377). Darauf, ob das Verhalten seines Vertreters für den Revisionswerber ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis war, kommt es nicht an.
12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 30. Juni 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)