VwGH Ra 2016/11/0062

VwGHRa 2016/11/006211.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des F P in I, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 23. Februar 2016, Zl. LVwG-650226/31/Bi, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems), zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §26 Abs2a;
FSG 1997 §26;
FSG 1997 §7 Abs3 Z3;
StVO 1960 §18 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
VwGVG 2014 §24;
FSG 1997 §26 Abs2a;
FSG 1997 §26;
FSG 1997 §7 Abs3 Z3;
StVO 1960 §18 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, Zl. Ra 2015/11/0101, verwiesen. Mit diesem wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 24. Oktober 2014 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil es den Bescheid vom 18. August 2014 betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Dauer von 6 Monaten, "gerechnet ab dem Datum der Zustellung dieses Bescheides", gemäß § 26 Abs. 2a FSG bestätigt hatte.

Zur Rechtswidrigkeit führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass der gegen den genannten Entziehungsbescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung (mangels Ausschluss derselben) zukam, sodass das Verwaltungsgericht, bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung seiner Entscheidung, angesichts der bestätigten Entziehung "ab Zustellung des Bescheides" eine unzulässige Entziehung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum (rückwirkende Entziehung) ausgesprochen habe. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses beruhe somit darauf, dass das Verwaltungsgericht den Entziehungsbescheid ohne entsprechende Korrektur des Zeitpunktes des Beginns der Entziehung der Lenkberechtigung bestätigt hat.

1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz‑)Erkenntnis wurde der genannte Entziehungsbescheid vom 18. August 2014 "mit der Maßgabe bestätigt, dass an restlicher Entziehungszeit, gerechnet ab Rechtskraft (= Zustellung) dieses Erkenntnisses, noch 2 Monate und 11 Tage verbleiben".

Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

In der Begründung verwies das Verwaltungsgericht auf das die Verkehrsunzuverlässigkeit auslösende Verhalten des Revisionswerbers vom 1. August 2014 (Unterschreitung des zeitlichen Nachfahrabstandes von 0,2 Sekunden als Tatsache iSd § 7 Abs. 3 Z 3 FSG), für das er gemäß § 18 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 bestraft worden sei. Nach Zustellung des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2014 habe der Revisionswerber den Führerschein am 4. November 2014 "abgegeben", dieser sei ihm am 23. Februar 2015 wieder ausgefolgt worden. Die sich daraus ergebenden 3 Monate und 19 Tage, in denen der Revisionswerber nicht über den Führerschein verfügt habe, seien von der gegenständlich maßgebenden Mindestdauer der Entziehung der Lenkberechtigung von sechs Monaten (hier gemäß § 26 Abs. 2a FSG) "abzuziehen", sodass die im Spruch genannten 2 Monate und 11 Tage, gerechnet ab Rechtskraft (Zustellung des vorliegenden Erkenntnisses), verblieben (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/11/0167).

Gegen dieses Ersatzerkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. November 2009, Zl. 2009/11/0023, mwN) abgewichen ist, dass bei Vorliegen der in § 26 Abs. 1 bis 3 FSG umschriebenen Voraussetzungen unter Entfall der gemäß § 7 Abs. 4 FSG sonst vorgesehenen Wertung jedenfalls eine Entziehung der Lenkberechtigung für den jeweils vorgesehenen fixen Zeitraum oder Mindestzeitraum - fallbezogen somit gemäß § 26 Abs. 2a FSG eine Entziehungsdauer von 6 Monaten - auszusprechen ist, und zwar unter bestimmten Voraussetzungen auch dann, wenn der das Entziehungsverfahren auslösende Vorfall (die strafbare Handlung) bereits länger zurückliegt.

2.2. Dennoch ist die Revision unbegründet:

2.2.1. In der Revision wird ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. April 2006, Zl. 2006/11/0042), weil es wegen des nunmehrigen Deliktes "einen zweiten Entzug meiner Lenkberechtigung" ausspreche, zumal wegen desselben Vorfalls (Einhaltung eines zu geringen Tiefenabstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug) die Lenkberechtigung bereits im ersten Rechtsgang für die Dauer von 6 Monaten entzogen worden sei.

Abgesehen davon, dass mit diesem Vorbringen das Wesen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens im Sinne des zitierten Erkenntnisses verkannt wird, weil es gegenständlich nicht um mehrere bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides verwirklichte Tatsachen geht, trifft der Vorwurf einer "zweiten" Entziehung der Lenkberechtigung schon deshalb nicht zu, weil die im ersten Rechtsgang ausgesprochene Entziehung mit dem zitierten Vorerkenntnis, Zl. Ra 2015/11/0101, mit Wirkung ex tunc aufgehoben wurde. Gleiches gilt für die Revisionsbehauptung, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen den Grundsatz ne bis in idem.

2.2.2. Soweit die Revision das Abweichen von der Begründungspflicht ins Treffen führt, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht festgestellt worden sei, so ist sie abermals auf das zitierte Vorerkenntnis, Zl. Ra 2015/11/0101, zu verweisen, wonach hinsichtlich der Frage des verwirklichten Deliktes Bindungswirkung an das diesbezügliche rechtskräftige Straferkenntnis bestand, von der das Verwaltungsgericht ausdrücklich ausging. Da das Verwaltungsgericht somit gegenständlich die Tatfrage nicht mehr zu beurteilen hatte, sondern insoweit an das rechtskräftige Straferkenntnis gebunden war, ist es entgegen den Revisionsausführungen auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn es im zweiten Rechtsgang nicht nochmals eine mündliche Verhandlung (die bereits im ersten Rechtsgang stattfand) durchführte.

2.2.3. Zwar bringt die Revision (insoweit zutreffend) auch vor, das Verwaltungsgericht habe bei der Berechnung der verbleibenden Entziehungsdauer die Begriffe "Lenkberechtigung" und "Führerschein" vermengt. Dennoch vermag sie mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei abweichend von der hg. Rechtsprechung zu § 25 Abs. 3 FSG, wonach die Entziehungsdauer zumindest drei Monate zu betragen habe, rechtswidrig zur gegenständlichen Dauer der Entziehung von zwei Monaten und 11 Tagen gelangt, eine zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führende Rechtswidrigkeit nicht aufzuzeigen.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses ist nämlich nicht anhand des § 25 Abs. 3 FSG zu beurteilen, weil gegenständlich, wie eingangs dargestellt, ein Fall des § 26 FSG vorliegt, und demgemäß die im hier maßgebenden Abs. 2a leg. cit. vorgesehene Mindestentziehungsdauer im Ausmaß von sechs Monaten jedenfalls (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. November 2009, Zl. 2009/11/0023, mwN) hätte ausgesprochen werden müssen (zumal das Entziehungsverfahren, wie aus dem dargestellten Verfahrensgang ersichtlich, auch innerhalb eines Zeitraumes von weniger als einem Jahr eingeleitet worden war; vgl. aus vielen die hg. Erkenntnisse vom 23. März 2004, Zl. 2004/11/0008, und vom 14. Dezember 2015, Zl. Ra 2015/11/0090).

Wenn nun das Verwaltungsgericht anstelle der rechtswidrigen rückwirkenden Entziehung der Lenkberechtigung im ersten Rechtsgang (die, wie erwähnt, vom Verwaltungsgerichtshof mit Wirkung ex tunc aufgehoben wurde) nicht, wie es der soeben aufgezeigten Rechtslage entspräche, die Entziehung der Lenkberechtigung für die gesetzliche Mindestdauer von sechs Monaten ab Rechtskraft der Entziehung ausgesprochen hat (das vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/11/0167, ist nicht einschlägig, weil es den - hier nicht vorliegenden - Sonderfall der vorläufigen Abnahme des Führerscheines gemäß § 39 iVm § 29 Abs. 4 FSG betrifft), sondern eine Entziehung für die Dauer von nur zwei Monaten und 11 Tagen (gerechnet ab Rechtskraft der Entziehung) ausgesprochen hat, so ist der Revisionswerber dadurch nicht in Rechten verletzt.

4. Nach dem Gesagten lässt daher bereits der Inhalt der Revision erkennen, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, sodass die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am 11. Mai 2016

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