VwGH 2000/11/0167

VwGH2000/11/016720.2.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Thum & Weinreich Rechtsanwälte OEG in 3100 St. Pölten, Josefstraße 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. Mai 2000, Zl. RU 6- St-K-0007/0, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §29 Abs4;
FSG 1997 §39 Abs3;
FSG 1997 §39 Abs5;
FSG 1997 §39;
FSG 1997 §29 Abs4;
FSG 1997 §39 Abs3;
FSG 1997 §39 Abs5;
FSG 1997 §39;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Mai 2000 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich einerseits den Antrag des Beschwerdeführers vom 13. März 2000, seiner Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 28. Februar 2000 betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurück (Spruchpunkt 1), andererseits wies er die Berufung gegen den erwähnten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid (Spruchpunkt 2).

Begründend führte der Landeshauptmann von Niederösterreich aus, mit dem erstinstanzlichen Bescheid sei dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, C, E, F und G auf die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab dessen Rechtskraft, entzogen und ausgesprochen worden, dass ihm in diesem Zeitraum der Führerschein nicht wieder ausgefolgt werden dürfte. Anlass für diese Entzugsmaßnahme sei der Vorfall vom 18. Dezember 1999 gewesen, bei dem der Beschwerdeführer zwischen 00.10 Uhr und 00.13 Uhr einen Pkw mit näher angegebenem Kennzeichen auf der A 1 ab km 58,0 bis zur Abzweigung S 33 und auf der S 33 bis km 5,5 bis zur Ausfahrt Pottenbrunn gelenkt habe und dabei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 62 km/h überschritten habe. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung sei mittels geeichter Videonachfahranlage festgestellt worden.

In der rechtzeitig dagegen eingebrachten Berufung habe der Beschwerdeführer weder bestritten, die Verwaltungsübertretung begangen zu haben, noch das Ausmaß der Geschwindigkeitsübertretung bestritten, er habe jedoch ausgeführt, dass der Bescheid insofern angefochten werde, als er eine restliche Entzugsdauer von mehr als 9 Tagen gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides festsetze.

Zu Spruchpunkt 1 führte der Landeshauptmann von Niederösterreich in seiner rechtlichen Beurteilung aus, in Anlehnung an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 99/11/0007, getroffenen Ausführungen sei festzuhalten, dass das AVG einen Antrag, einer Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht kenne. Der in der Berufung gegen den gegenständlichen Bescheid ausdrücklich gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei daher unzulässig.

Zu Spruchpunkt 2 führte der Landeshauptmann von Niederösterreich nach Wiedergabe der maßgeblichen Vorschriften des § 29 Abs. 4 sowie des § 39 FSG aus, wie sich dem Akteninhalt entnehmen lasse, sei dem Beschwerdeführer - auf Grund des oben dargestellten Vorfalles - der Führerschein "von der Bundespolizeidirektion St. Pölten (motorisierte Verkehrsgruppe)" am 18. Dezember 1999 vorläufig abgenommen worden und ihm darüber gemäß § 39 Abs. 1 FSG eine Bescheinigung ausgestellt worden. Am 22. Dezember 1999 sei der Führerschein, die Meldung sowie die Anzeige der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 19. Dezember 1999 bei der Erstbehörde eingelangt. Am 23. Dezember 1999 sei der Führerschein von der Erstbehörde einem vom Beschwerdeführer bevollmächtigten Vertreter übergeben worden. Der Beschwerdeführer habe weder gemäß § 39 Abs. 3 FSG innerhalb von drei Tagen nach der vorläufigen Abnahme, also bis zum 21. Dezember 1999, die Ausfolgung des Führerscheines beantragt, noch habe die Erstbehörde im Zeitpunkt der Ausfolgung, und zwar am 23. Dezember 1999, das Entziehungsverfahren eingeleitet, weil sie ansonsten keine Veranlassung zu der angeführten Amtshandlung (gemeint: der Ausfolgung des Führerscheins) gehabt hätte. In seiner Berufung verkenne der Beschwerdeführer, dass das FSG keine Regelung enthalte, ob und allenfalls wann die Kraftfahrbehörde erster Instanz - bei Vorliegen einer Anzeige, die eine als bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG in Betracht kommende Geschwindigkeitsübertretung anführt - das Entziehungsverfahren einzuleiten hat. In diesem Zusammenhang müsse insbesondere auf § 26 Abs. 7 FSG verwiesen werden, wonach eine Entziehung wegen eines derartigen Fehlverhaltens erst ausgesprochen werden dürfe, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Angesichts dessen, dass dem Beschwerdeführer der Führerschein wieder ausgefolgt worden sei und somit nicht beide Voraussetzungen des § 29 Abs. 4 FSG, nämlich die vorläufige Abnahme des Führerscheines gemäß § 39 FSG und dessen Nichtwiederausfolgung, zuträfen, vertrete die Berufungsbehörde die Auffassung, dass die 5 Tage der vorläufigen Abnahme des Führerscheines in die Entziehungsdauer nicht eingerechnet werden dürfen, sodass der Berufung keine Folge zu geben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid ausschließlich in seinem Recht auf rechtmäßige Bestimmung der Entziehungsdauer und der Einrechnung der bereits erfolgten Entziehungsdauer verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

"Beanstandet" werde, ebenso wie bereits in der Berufung an den Landeshauptmann von Niederösterreich, dass die Zeit der vorläufigen Abnahme, in der gemäß § 39 Abs. 5 FSG das Lenken von Kraftfahrzeugen ebenfalls unzulässig ist, von der Behörde nicht in die Entziehungsdauer eingerechnet worden sei. Wie sich aus § 29 Abs. 4 FSG ergebe, sei in die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auch jene Entziehungsdauer einzurechnen, welche sich auf Grund der vorläufigen Abnahme ergibt. Darauf deute auch die Formulierung in § 19 Abs. 4 (gemeint: § 29 Abs. 4) FSG hin ("nicht wieder ausgefolgt"), weil der Gesetzgeber ja davon ausgehe, dass eben der Führerschein entzogen wird, dies für eine bestimmte Dauer und dieser eben in dieser Zeit nicht dem Lenker zur Verfügung stehe. Bei einer Interpretation des FSG, die den gesamten Inhalt dieses Gesetzes, insbesondere aber den

5. Abschnitt betreffend Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkerberechtigung, miteinbezieht, hätte die Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass die Zeit der Abnahme in die Entziehungsdauer einzurechnen sei. Andernfalls würde man zu dem, dem FSG widersprechenden, Ergebnis kommen, "dass durch die Behörde die Entziehungsdauer insgesamt den durch den Entzugsbescheid ausgesprochenen Zeitraum übersteigt".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob der Beschwerdeführer durch Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides in Rechten verletzt wurde.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des FSG lauten (auszugsweise):

" 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit ... außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;

...

§ 26.

...

(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 vorliegt - hat die Entziehungsdauer zwei Wochen ... zu betragen.

...

§ 29.

...

(4) Wurde der Führerschein gemäß § 39 vorläufig abgenommen und nicht wieder ausgefolgt, so ist die Entziehungsdauer ab dem Tag der vorläufigen Abnahme zu berechnen.

...

§ 39. (1) ... . Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines erforderlichen Schritte enthalten sind.

(2) Der vorläufig abgenommene Führerschein ist unverzüglich der Behörde vorzulegen, in deren örtlichem Wirkungsbereich er abgenommen wurde; ... .

(3) Die im Abs. 2 angeführte Behörde hat den vorläufig abgenommenen Führerschein dem Besitzer auf Antrag binnen drei Tagen, gerechnet vom Tage der vorläufigen Abnahme, auszufolgen, sofern nicht ein Entziehungsverfahren eingeleitet wird.

(4) Wird kein Entziehungsverfahren eingeleitet oder der vorläufig abgenommene Führerschein nach Ablauf der dreitägigen Frist nicht ausgefolgt, ist er unverzüglich der Behörde zu übermitteln, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Hauptwohnsitz hat.

(5) Das Lenken von Kraftfahrzeugen, für die der Besitz einer Lenkberechtigung vorgeschrieben ist, vor der Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines ist unzulässig."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die maßgeblichen Feststellungen der belangten Behörde zu den Umständen, unter denen ihm der Führerschein am 18. Dezember 1999 vorläufig abgenommen und am 23. Dezember 1999 von der Erstbehörde einem von ihm bevollmächtigten Vertreter übergeben, mithin wieder ausgefolgt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof legt diese unbestrittenen Bescheidfeststellungen, die auch mit der Aktenlage im Einklang stehen, seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde. Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als begründet.

§ 29 Abs. 4 FSG sieht nur in einem einzigen Fall die Berechnung der Entziehungsdauer ab dem Tag der vorläufigen Abnahme vor. Es handelt sich dabei um denjenigen Fall, in dem ein Führerschein "gemäß § 39 FSG vorläufig abgenommen und nicht wieder ausgefolgt" wurde. Die belangte Behörde führt dazu aus, der Beschwerdeführer habe nur eine der beiden im § 29 Abs. 4 FSG genannten Voraussetzungen erfüllt. Zwar sei ihm der Führerschein gemäß § 39 FSG vorläufig abgenommen worden, vor Erlassung des Entziehungsbescheides sei es aber zu einer Wiederausfolgung des Führerscheines an den Beschwerdeführer, und zwar am 23. Dezember 1999, gekommen. Aus diesem Teil der Bescheidbegründung ergibt sich, dass die belangte Behörde der Ansicht ist, jede - aus welchen Gründen und wann immer erfolgte - Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines schließe die Berechnung der Entziehungsdauer ab dem Tag der vorläufigen Abnahme aus. Damit verkennt sie jedoch die maßgebliche Gesetzeslage.

Die vorläufige Abnahme des Führerscheines durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht ist im § 39 FSG geregelt. Der vorläufig abgenommene Führerschein ist nach § 39 Abs. 2 FSG - im Regelfall - unverzüglich der Behörde vorzulegen, in deren örtlichem Wirkungsbereich er abgenommen wurde. Diese Behörde, die vielfach nicht mit der Behörde identisch sein wird, in der der Führerscheinbesitzer seinen Hauptwohnsitz hat (letztere ist die Entziehungsbehörde), hat den vorläufig abgenommenen Führerschein dem Besitzer auf Antrag binnen drei Tagen, gerechnet vom Tag der vorläufigen Abnahme, wieder auszufolgen, sofern nicht ein Entziehungsverfahren eingeleitet wird. Wird kein Entziehungsverfahren eingeleitet oder der vorläufig abgenommene Führerschein nach Ablauf der dreitägigen Frist nicht ausgefolgt, so ist er unverzüglich der Behörde zu übermitteln, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Hauptwohnsitz hat (§ 39 Abs. 4 FSG).

Von einer Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheins ist im § 39 FSG - von dem in Abs. 2 zweiter Halbsatz geregelten Fall abgesehen - immer nur im Zusammenhang mit der dreitägigen Frist nach vorläufiger Abnahme die Rede. Dies legt es nahe, anders als die belangte Behörde die Wortfolge "gemäß § 39" in § 29 Abs. 4 FSG nicht nur auf die unmittelbar daran anschließende Wortfolge "vorläufig abgenommen", sondern auch auf die mit dem logischen Prädikat "und" damit verknüpfte Wortfolge "nicht wieder ausgefolgt" zu beziehen. Der Wortlaut der Bestimmung steht dem nicht entgegen. Nur eine Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines gemäß § 39 FSG, also innerhalb der in dessen Abs. 3 normierten Frist von drei Tagen ab dem Abnahmetag, schließt die im § 29 Abs. 4 FSG normierte Berechnung der Entziehungsdauer "ab dem Tag der vorläufigen Abnahme" aus.

Dieses Auslegungsergebnis steht auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte der hier einschlägigen Rechtsvorschriften:

§ 29 Abs. 4 FSG stimmt fast wörtlich mit § 73 Abs. 4 KFG 1967 idF der 12. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 375/1988, überein. Vor der 12. KFG-Novelle war - entgegen einer diesbezüglichen Verwaltungspraxis - nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die bis zum Zeitpunkt der vorläufigen Abnahme des Führerscheines rückwirkende Entziehung der Lenk(er)berechtigung unzulässig (vgl. die bei Grubmann, KFG3 (1987) 451, E 37a zu § 73 zit. hg. Rspr). Die 12. KFG-Novelle sollte eine Rückwirkung der Entziehungszeit wieder ermöglichen, allerdings nur dann, wenn der Führerschein nicht nach der vorläufigen Abnahme wieder ausgefolgt worden war (vgl. Grundtner, Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung im Lichte der

12. KFGNov, ZVR 1989, 261(263)).

Die 12. KFG-Novelle brachte freilich weitere im vorliegenden Zusammenhang bedeutsame Neuerungen, die - fast unverändert - noch immer dem Rechtsbestand (nunmehr: des FSG) angehören, nämlich die Normierung einer (verhältnismäßig) kurzen fixen Entziehungszeit für vier Wochen (bei bestimmten Alkoholdelikten; § 66 Abs. 2 lit. e, § 73 Abs. 3 KFG 1967) sowie ein Lenkverbot vor Wiederausfolgung des vorläufig abgenommen Führerscheins (§ 76 Abs. 5 KFG 1967). Dass bis zu der in § 76 Abs. 3 KFG 1967 vorgesehenen Wiederausfolgung des Führerscheines - innerhalb der Frist von drei Tagen nach der vorläufigen Abnahme - kraft § 76 Abs. 5 KFG 1967 das Lenken eines Kraftfahrzeuges verboten und im Falle einer Wiederausfolgung innerhalb von drei Tagen nach der vorläufigen Abnahme die Entziehungszeit nicht ab dem Tag der Abnahme, sondern, wie bis zur 12. KFG-Novelle, mit Wirkung ex nunc zu bestimmen sein würde, mit der Konsequenz, dass vor dem festzusetzenden Entziehungszeitraum jedenfalls noch ein bis zu drei Tage dauerndes Fahrverbot liegen würde, hat der Gesetzgeber offenkundig wegen der verhältnismäßig kurzen Dreitagesspanne in Kauf genommen. Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass er die für den Betroffenen nachteilige Folge einer mit Wirkung ex nunc bestimmten Entziehungszeit auch in denjenigen Fällen intendiert hat, in denen das Fahrverbot durch eine - aus welchen Gründen und wann immer - erfolgte Wiederausfolgung des Führerscheins erst nach Ablauf der im § 76 Abs. 3 KFG 1967 vorgesehenen Frist endet.

Auch die nachfolgende 18. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 162/1995, durch deren Änderung des § 73 Abs. 3 KFG 1967 erstmals für bestimmte Fälle von Geschwindigkeitsüberschreitungen die Zulässigkeit der Entziehung der Lenkerberechtigung vom Vorliegen eines Straferkenntnisses abhängig gemacht wurde (Z. 3 der 18. KFG-Novelle), sowie die über weite Strecken unveränderte Neuerlassung von Teilen des KFG 1967 als eigenes FSG, das bei erstmaligen gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitungen eine fixe Entziehungszeit von zwei Wochen sowie die vorläufige Abnahme des Führerscheins auch bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen einführte (§ 39 Abs. 1 zweiter Satz FSG), bieten keine Anzeichen dafür, dass von dem durch die 12. KFG-Novelle geschaffenen System abgegangen werden sollte.

Die in § 29 Abs. 4 FSG, wie oben dargestellt, enthaltene Regelung, derzufolge die Entziehungsdauer, wenn der Führerschein gemäß § 39 FSG vorläufig abgenommen und nicht wieder ausgefolgt wurde, ab dem Tag der vorläufigen Abnahme zu berechnen ist, steht freilich in engem Zusammenhang mit § 39 Abs. 5 FSG, worin ein Lenkverbot für die Zeit zwischen der vorläufigen Abnahme des Führerscheines und der Wiederausfolgung normiert ist. Gerade weil dem von der vorläufigen Abnahme Betroffenen gemäß § 39 Abs. 5 FSG bis zur Wiederausfolgung des Führerscheines das Lenken von Kraftfahrzeugen ohnehin verboten ist, soll die Entziehungszeit nach § 29 Abs. 4 FSG vom Zeitpunkt der vorläufigen Abnahme zu berechnen sein. Die Zeitdauer des nach § 39 Abs. 5 FSG bestehenden Lenkverbotes soll im Ergebnis in die Entziehungsdauer eingerechnet werden, damit die Summe der Zeiten, in denen dem Betroffenen das Lenken von Kraftfahrzeugen verwehrt ist, die Entziehungsdauer nicht überschreitet. Aus dieser dem Gesetz zu entnehmenden Zielsetzung ist allerdings auch abzuleiten, dass die Summe der Zeiten, in denen dem Betroffenen das Lenken von Kraftfahrzeugen verwehrt ist, die Entziehungsdauer auch nicht unterschreiten soll. Hat das Lenkverbot nach § 39 Abs. 5 FSG durch eine - aus welchen Gründen immer erfolgte - Wiederausfolgung des Führerscheines geendet und unterschreitet die Dauer des Lenkverbots (gerechnet nach Tagen) die Entziehungszeit, so ist die die Lenkverbotsdauer übersteigende Entziehungszeit wie in denjenigen Fällen, wo eine vorläufige Abnahme des Führerscheines nicht stattgefunden hat, ab Erlassung des Entziehungsbescheides festzusetzen. Nur dadurch ist sichergestellt, dass dem Betroffenen (insgesamt) für die Dauer der Entziehungszeit das Lenken von Kraftfahrzeugen verwehrt ist.

Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer sein am 18. Dezember 1999 vorläufig abgenommener Führerschein am 23. Dezember 1999 - aus welchen Gründen, braucht hier nicht untersucht zu werden - ausgefolgt. Im Zeitpunkt der Wiederausfolgung war die im § 39 Abs. 3 FSG vorgesehene Dreitagesfrist bereits abgelaufen. Im Lichte der bisherigen Ausführungen handelt es sich bei dieser Wiederausfolgung um keine Ausfolgung "gemäß § 39" FSG., weshalb die Entziehungszeit grundsätzlich ab dem Tag der vorläufigen Abnahme zu berechnen gewesen wäre. Da dem Beschwerdeführer aber der vorläufig abgenommene Führerschein, wenn auch erst nach Ablauf der Dreitagesfrist, wieder ausgefolgt worden war, hätte die belangte Behörde bei Ausspruch einer zweiwöchigen Entziehungszeit die Zeitdauer des Lenkverbots einzurechnen und nur für die restliche Dauer die Entziehungszeit ab der Erlassung des Entziehungsbescheides festzusetzen gehabt. Indem die belangte Behörde die durch die Erstbehörde ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung für zwei Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Entziehungsbescheides, bestätigte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Februar 2001

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