VwGH Ra 2016/11/0053

VwGHRa 2016/11/00534.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick sowie Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen des A Z in L, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 11/1, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 20. Jänner 2016,

1.) Zl. LVwG-S-1416/001-2015 (zu Ra 2016/11/0053), 2.) Zl. LVwG-S- 1417/001-2015 (zu Ra 2016/11/0054), 3.) Zl. LVwG-S-1419/002-2015 (zu Ra 2016/11/0055) und 4.) Zl. LVwG-S-1421/002-2015 (zu Ra 2016/11/0056), jeweils betreffend Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes - AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Krems), den Beschluss gefasst:

Normen

AVRAG 1993 §7b Abs5;
AVRAG 1993 §7b Abs9;
AVRAG 1993 §7d Abs1;
AVRAG 1993 §7i Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016110053.L00

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit den nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnissen wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufenes Organ eines Unternehmens (als Arbeitgeber) mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu verantworten, dass bei den Kontrollen durch Organe der Abgabenbehörde am 14. Oktober 2013 (Zlen. Ra 2016/11/0054, 0056) und am 19. Februar 2014 (Zlen. Ra 2016/11/0053, 0055) Sozialversicherungsdokumente (Zlen. Ra 2016/11/0054, 0055) und Lohnunterlagen (Zlen. Ra 2016/11/0053, 0056) hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer entgegen § 7b Abs. 5 und § 7d Abs. 1 AVRAG am Arbeitsort nicht bereitgehalten wurden. Gemäß §§ 7b Abs. 9 und 7i Abs. 2 AVRAG wurden über den Revisionswerber drei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 1.000,-- (Zlen. Ra 2016/11/0053, 0054, 0056) und eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 4.000,-- (Zl. Ra 2016/11/0055) verhängt.

Unter einem wurde jeweils gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

2 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 2.2.1.1. § 7b AVRAG in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 98/2012 lautet (auszugsweise):

"§ 7b

...

(5) Arbeitgeber im Sinne des Abs. 1 oder in Abs. 1 Z 4 bezeichnete Beauftragte oder der Arbeitnehmer (Abs. 3) haben, sofern für den entsandten Arbeitnehmer in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Sozialversicherungsdokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten. Sofern für die Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitgebers eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, ist auch die Genehmigung bereitzuhalten.

(6) Die Organe der Abgabenbehörden sind berechtigt, die Arbeitsstelle zu betreten, das Bereithalten der Unterlagen nach Abs. 5 zu überwachen sowie Abschriften von diesen Unterlagen anzufertigen. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits (Einsatz)orten sind die erforderlichen Unterlagen am ersten Arbeits (Einsatz)ort bereitzuhalten. Erfolgt eine Kontrolle an einem der anderen Arbeits(Einsatz)orte, sind die Unterlagen binnen 24 Stunden dem Kontrollorgan nachweislich zu übermitteln.

...

(9) Wer als Arbeitgeber oder als in Abs. 1 Z 4 bezeichneter Beauftragter

  1. 1. die Meldung nach Abs. 3 nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. 2. die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 nicht bereithält,

    begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Bei grenzüberschreitender Entsendung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten Arbeitnehmer/innen liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatz)orten am Ort der Kontrolle.

    ..."

    6 2.2.1.2. § 7d Abs. 1 in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 24/2011 lautet:

"(1) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 haben jene Unterlagen, die zur Überprüfung des dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer/innen am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen binnen 24 Stunden nachweislich zu übermitteln."

2.2.1.3. § 7i Abs. 2 in den maßgeblichen (und gleichlautenden) Fassungen BGBl. I Nr. 24/2011 (hinsichtlich des Tatzeitpunkts 14. Oktober 2013) und BGBl. I Nr. 71/2013 (hinsichtlich des Tatzeitpunkts 19. Februar 2014) lautet:

"(2) Wer als Arbeitgeber/in im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 oder als Beauftragte/r im Sinne des § 7b Abs. 1 Z 4 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält oder als Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht bereitstellt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen."

7 2.2.2. Zur Zulässigkeit der Revision macht der Revisionswerber geltend, es fehle Rechtsprechung zur Rechtsfrage, in welcher Form Lohnunterlagen bzw. das Sozialversicherungsdokument A1 sowie eine Abschrift der Meldung in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung am Arbeitsort bereit gehalten werden müssten.

8 2.2.3. Der Revisionswerber hat im Verfahren vorgebracht, die erforderlichen Unterlagen seien auf einem am Arbeitsort befindlichen Laptop gespeichert gewesen, er hat jedoch nicht behauptet, dass bei den Kontrollen den Organen der Abgabenbehörden die Unterlagen in elektronischer Form gezeigt worden wären bzw. auf elektronisch gespeicherte Unterlagen hingewiesen worden wäre. Da unbedenklich davon ausgegangen werden konnte, dass die erforderlichen Unterlagen bei den Kontrollen den zur Überwachung des Bereithaltens der Unterlagen berechtigten Organen der Abgabenbehörden weder in gedruckter noch in elektronischer Form gezeigt wurden, hängt die Revision nicht von der Beantwortung der in den Revisionen aufgeworfenen Rechtsfrage ab.

9 Die Übermittlung der Unterlagen an die Abgabenbehörde kurze Zeit nach den Kontrollen änderte nichts an der Verletzung der Bereithaltungspflicht. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Bereithaltung der Lohnunterlagen nicht zumutbar im Sinne des § 7d Abs. 1 AVRAG gewesen wäre.

10 2.3. In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der erkennende Senat hat daher beschlossen, die - auf Grund ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Revisionen zurückzuweisen.

Wien, am 4. Mai 2016

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