VwGH Ra 2016/09/0099

VwGHRa 2016/09/009913.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision 1. des N A, und

2. der M A, beide in R, beide vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 29. Juni 2016, 1) Zl. LVwG-7/623/5-2016 und 2) Zl. LVwG-7/626/5- 2016, betreffend Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:

Normen

AuslBG §18;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 litb;
AuslBG §28 Abs1 Z1;
AuslBG §28 Abs1 Z4 litb;
AuslBG §28 Abs1;
AuslBG §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die Revisionswerber schuldig erkannt, sie hätten als Auftraggeber für Bauleistungen an die X S.P. mit Betriebssitz in Slowenien in einem näher bezeichneten Objekt die Arbeitsleistung des bosnischen Staatsangehörigen Z zumindest am 18. Juni 2015 (Tag der Kontrolle) in Anspruch genommen, obwohl die Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 Z 1 und 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) nicht erfüllt gewesen seien und für den Arbeitnehmer auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt gewesen sei. Wegen der dadurch begangenen Verwaltungsübertretungen wurde über die Revisionswerber gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 lit. b iVm § 18 Abs. 12 AuslBG jeweils eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, Z sei bei der slowenischen Firma weder ordnungsgemäß im Betrieb noch über die Entsendung hinaus dauerhaft beschäftigt; er sei bei der Kontrolle im Keller des Objekts angetroffen worden, wo er einen Thermostat gereinigt und dabei von der Arbeit verschmutzte Kleidung getragen habe. Die Behauptung, dass Z seinen "Schwiegervater in spe" (Anm.: den Inhaber des slowenischen Unternehmens) lediglich aus Langeweile begleitet habe, sei lebensfremd und unglaubwürdig. Für die für diesen Tag auf der Baustelle vorgesehene Installation eines deutlich über 100 kg schweren Wasserspeichers sei der Einsatz von zumindest zwei Arbeitskräften notwendig und zweckmäßig gewesen. Ob Z diese Tätigkeit unentgeltlich in der Freizeit ausgeübt habe oder ob ein Entgelt vereinbart worden sei, sei unerheblich, weil nur zu prüfen sei, inwiefern eine unselbständige Arbeit im Rahmen einer grenzüberschreitenden Dienstleistung erbracht worden sei. Z sei zweifelsfrei im Interesse des mit den Installationen beauftragten slowenischen Unternehmens tätig gewesen, weshalb im Sinne der gesetzlichen Vermutung des § 28 Abs. 7 AuslBG von einer Entsendung bzw. Beschäftigung gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG auszugehen sei. Um die Einhaltung dieser Vorschriften hätten sich die Revisionswerber als Auftraggeber kümmern und diese kontrollieren müssen.

3 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

5 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, so hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl. die hg. Beschlüsse vom 20. Juni 2016, Ra 2016/09/0071, und vom 25. Jänner 2016, Ra 2015/09/0144).

6 Die Revisionswerber wenden in ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision zunächst im Wesentlichen ein, das Verwaltungsgericht habe seine Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung dahingehend aufgebaut, dass es "denkunmöglich" die von den Revisionswerbern aufgezeigten Fakten bewusst nicht behandelt habe. Bei der Fahrt von Z zur Baustelle habe es sich um eine reine "Gefälligkeit" gehandelt, was das Verwaltungsgericht unbeachtet gelassen habe. Die Revisionswerber hätten von Anfang an die "atypische Fallkonstellation" gegenüber der erkennenden Behörde dargetan, welche ein "Gefälligkeitsverhältnis geradezu nahegelegt" hätte. In Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe das Verwaltungsgericht die Notwendigkeit der Prüfung, ob ein Gefälligkeitsdienst iSd § 2 Abs. 2 AuslBG vorgelegen habe, wie auch des wahren wirtschaftlichen Gehalts "ignoriert".

7 Dazu ist auszuführen: Die Revisionswerber weisen zwar zutreffend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hin, wonach für den Beschäftigtenbegriff des § 2 Abs. 2 AuslBG grundsätzlich maßgebend ist, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird. Als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG ist auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2010/09/0048). Sogenannte Gefälligkeitsdienste fallen dann nicht unter den Begriff der bewilligungspflichtigen Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG, wenn sie nicht nur kurzfristig, freiwillig und unentgeltlich, sondern auch aufgrund spezifischer Bindungen zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger erbracht werden. Dabei trifft die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhalts - eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei den zur Beantwortung der Frage, ob ein Gefälligkeitsdienst vorliegt, erforderlichen Umständen um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2010, 2008/09/0257). Nach ständiger Rechtsprechung könnte allenfalls eine Tätigkeit im Rahmen und wegen eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Beschäftiger und Beschäftigten als Freundschaftsdienst zählen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2012, 2012/09/0010). Ein solches Naheverhältnis wurde im Revisionsfall jedoch nicht aufgezeigt, zumal Z der Lebensgefährte der Tochter des slowenischen Unternehmers ist und vom Ausland zum Arbeitseinsatz mitgereist ist.

8 Für weitere Erhebungen des Verwaltungsgerichts bestand angesichts des Umstandes, dass Z auf der auswärtigen Arbeitsstelle des slowenischen Unternehmens im Objekt der Revisionswerber angetroffen wurde und damit die gesetzliche Vermutung des § 28 Abs. 7 AuslBG zum Tragen kam, keine Notwendigkeit. Außerdem wurde Z beim Reinigen eines Thermostats auf der Baustelle in Arbeitskleidung angetroffen.

9 Soweit mit dem Zulässigkeitsvorbingen in der Revision auch die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts bekämpft wird, ist zu sagen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung berufen ist. Diese ist nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen bzw. ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 2. August 2016, Ra 2016/20/0054 und vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0056). Eine solche die Rechtssicherheit beeinträchtigende, unvertretbare Beweiswürdigung vermochten die Revisionswerber mit ihrem Vorbringen, worin lediglich ihr bisheriger Standpunkt widerholt wird, jedoch nicht aufzuzeigen.

10 Die Revisionswerber monieren außerdem, es fehle zur vorliegenden Fallkonstellation Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, da nicht geklärt sei, wie weit die Kontrollpflichten eines privaten Auftraggebers reichen würden und inwieweit ein solcher während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit ein Kontrollorgan beauftragen müsse, das sicherzustellen habe, dass auch weiterhin alle behördlichen Verpflichtungen eingehalten würden.

11 Dazu ist ihnen zu antworten: Übertretungen nach § 28 Abs. 1 AuslBG sind Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. In einem solchen Fall ist der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche strafbar, wenn es nicht genügende Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es liegt ihm daher eine Unterlassung zur Last. In einem solchen Fall hat bei Erfüllung des objektiven Tatbildes der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Solange dies nicht der Fall ist, hat die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 2013, 2011/09/0212 und vom 24. Februar 2011, 2009/09/0022).

12 Jedermann, also auch eine Privatperson, kann als Beschäftiger im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG belangt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 2013, 2011/09/0098, vom 8. August 2008, 2008/09/0119, sowie vom 23. November 2005, 2004/09/0176). Nach dem Wortlaut der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b AuslBG ist jede Inanspruchnahme ausländischer Arbeitnehmer eines ausländischen Vertragspartners, der nicht über einen im Bundesgebiet liegenden Betriebssitz verfügt, strafbar, wenn für die Arbeitnehmer entgegen § 18 AuslBG weder eine Beschäftigungsbewilligung noch eine Entsendebewilligung oder eine Anzeigebestätigung erteilt wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. November 2013, 2012/09/0070 sowie vom 26. Februar 2009, 2007/09/0363). Dass der Empfänger der Arbeitsleistung auf Grund des Inhaltes des mit dem ausländischen Unternehmen abgeschlossenen Werkvertrages auf das Vorliegen arbeitsmarktbehördlicher Bewilligungen vertraut hat, reicht nicht aus, die gesetzliche Vermutung eines ihn treffenden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG zu widerlegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2011, 2010/09/0205). Dies gilt für die gleichartige Vorschrift des § 28 Abs. 1 Z 4 lit. b AuslBG.

Verfassungsrechtliche Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gegen eine solche Regelung hat der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 11. Oktober 2007, G 41/07, u.a. verworfen.

13 Es wäre sohin Sache der Revisionswerber gewesen, glaubhaft zu machen, dass sie an der Übertretung kein Verschulden trifft. Diese haben lediglich darauf hingewiesen, die bisher erbrachten Arbeitsleistungen des slowenischen Unternehmens seien ordnungsgemäß erfolgt und man sei davon ausgegangen, bei offizieller Beauftragung eines Werkunternehmers mit Installationsarbeiten würde dieser die Arbeiten in Übereinstimmung mit den Gesetzen ausführen. Überdies seien die Revisionswerber im Kontrollzeitpunkt auf Urlaub im Ausland gewesen und hätten die Arbeiten auf der Baustelle daher nicht beaufsichtigen können. Selbst die Erteilung entsprechender Weisungen entschuldigt den Inanspruchnehmer der Leistungen aber nur dann, wenn er darlegt und glaubhaft macht, dass er darüber hinaus Maßnahmen ergriffen hat, um die Einhaltung der erteilten Anordnungen betreffend die Beachtung der Rechtsvorschriften über die Beschäftigung von Ausländern zu gewährleisten, insbesondere welche Kontrollen er eingerichtet hat und wie er sich vom Funktionieren des Kontrollsystems informiert hat (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2013 sowie das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, 2002/09/0173, und - in einem Fall einer Bestrafung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b AuslBG - das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 2011, 2009/09/0072). Die Revisionswerber haben nicht einmal behauptet, ein die tatsächliche Einhaltung der Ausländerbeschäftigungsvorschriften sicherstellendes Kontrollsystem eingerichtet zu haben.

14 Wenn das Verwaltungsgericht angesichts dessen von der schuldhaften Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 28 Abs. 1 Z 4 lit. b AuslBG ausgegangen ist und den Nachweis eines wirksamen Kontrollsystems verneint hat, bewegt sich diese im Einzelfall zu treffende Beurteilung im Rahmen der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (siehe zur Erforderlichkeit eines wirksamen Kontrollsystems etwa die Erkenntnisse vom 25. Februar 2010, 2008/09/0224, vom 18. Mai 2010, 2006/09/0236, vom 15. September 2011, 2011/09/0120).

15 Die Revisionswerber erblicken zudem eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin, dass "aufgrund der europäischen Arbeitsmarktsituation" mit einer Häufung "solcher verwaltungsrechtlicher Bestrafungen" zu rechnen sei. Der Umstand allein, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten können, bewirkt aber nicht deren Erheblichkeit im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. den hg. Beschluss vom 26. März 2014, Ro 2014/03/0024).

16 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2016

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