VwGH Ra 2016/05/0015

VwGHRa 2016/05/001527.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über den Antrag 1. der S L und 2. des H L, beide in L, beide vertreten durch Mag. Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 11, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 9. November 2015, Zlen. LVwG-150709/2/MK/MSch und LVwG-150710/2/MK/MSch, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz, 4041 Linz, Hauptplatz 1; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), und die von den Wiedereinsetzungswerbern gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (unter Spruchpunkt I.) die von den Revisionswerbern gegen einen (näher bezeichneten) Berufungsbescheid erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt II.) eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis für nicht zulässig erklärt.

2 Gegen dieses Erkenntnis, das nach Ausweis der diesbezüglichen Rückscheine am 12. November 2015 an die Erstrevisionswerberin und am 13. November 2015 an den Zweitrevisionswerber, und zwar jeweils an den Rechtsanwalt Dr. B. als (damaligen) Rechtsvertreter der beiden Revisionswerber, zugestellt wurde, richtet sich die am 31. Dezember 2015 zur Post gegebene Revision.

3 Mit hg. Verfügung vom 4. März 2016 wurde den Revisionswerbern die Gelegenheit geboten, sich zur Annahme, dass die Revision erst nach Ablauf der Revisionsfrist von sechs Wochen erhoben worden und im Hinblick darauf zurückzuweisen wäre, binnen zwei Wochen zu äußern.

4 Mit Schriftsatz vom 29. März 2016 stellten die Revisionswerber den Antrag, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist zu bewilligen. Mit diesem Antrag wiederholten sie die bereits erhobene Revision.

5 Ihren Wiedereinsetzungsantrag begründen die Revisionswerber wie folgt (Fehler im Original):

"Anlässlich der Verfügung vom 04.03.2016 des Verwaltungsgerichtshofes, eingegangen am 14.03.2016, wird Nachfolgendes vorgebracht:

Die Erkenntnisse des oö Landesverwaltungsgerichtes sind beim (damaligen) rechtsfreundlichen Vertreter RA Dr. (B.)) des Erst- und Zweitrevisionswerbers eingegangen.

Die Beschwerden wurden allerdings, wie sich aus Anlass der Verfügung des Verwaltungsgerichtes herausgestellt hat nicht unmittelbar an die Antragsteller übermittelt worden , sondern per E-Mail mit einer zeitlichen Verzögerung von einer Woche am Freitag den 19.11.2016.

Der Mailverkehr wurde vom Vater der Revisionswerber, (L.) bearbeitet.

Vom Rechtsanwalt wurde dabei bekannt gegeben, dass ausschließliche eine außerordentliche Revision an den OÖ. Verwaltungsgerichthof möglich sei, er aber infolge des Weihnachtsurlaubes eine Entscheidung betreffend dieser a. o.Revision bis längstens 18.12.2015 benötigt.

Das übermittelte Exemplar des Erkenntnisses des OÖ. Landesverwaltungsgerichtes enthielt keinen Eingangsstempel der Kanzlei Dr. (B.), sodass bei der Weitergabe des Auftrages an RA Dr. (P.) nicht vom Eingang bei RA Dr. (B.), sondern vom Eingang der E-Mail bei der Berechnung der Frist als Zustellungsdatum ausgegangen wurde. Davon ausgehend wurde das Ende der Frist mit 31.12.2015 berechnet.

Dem stand nicht entgegen, dass die Entscheidung RA Dr. (B.) eine Entscheidung über eine a.o. Revision bis 18.12.2015 begehrte, da das unrichtig beendete Ende der Frist innerhalb des Weihnachtsurlaubes von RA Dr. (B.) gelegen ist.

Nachdem die verzögerte Weiterleitung für RA Dr. (B.) ebenfalls unüblich war, ist es auch aus diesem Grunde nicht weiter aufgefallen.

Das Versäumen der Frist ist daher auf den minderen Grad des Versehens auf unglücklich manipulative Irrtümer und auf einen geringen Grad des Versehens zurückzuführen."

6 Zur Bescheinigung dieses Vorbringens beriefen sich die Revisionswerber auf eine eidesstättige Erklärung des L. vom 29. März 2016, die in Kopie ihrem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossen ist.

II.

7 Zum Wiedereinsetzungsantrag:

8 § 46 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet auszugsweise:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 46. (1) Wenn eine Partei durch ein

unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

...

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

..."

9 Gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen. Sie beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

10 Im Hinblick darauf, dass das angefochtene Erkenntnis am 12. November 2015 an die Erstrevisionswerberin und am 13. November 2015 an den Zweitrevisionswerber zugestellt worden war und die Revision erst am 31. Dezember 2015, somit nach Ablauf der sechswöchigen Revisionsfrist (§ 26 Abs. 1 Z 1 VwGG), zur Post gegeben wurde, ist die in § 46 Abs. 1 erster Satz VwGG normierte Voraussetzung des Vorliegens einer Fristversäumung erfüllt.

11 Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa den Beschluss vom 24. November 2015, Ra 2015/05/0062, mwN) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt.

12 Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Wer darüber hinaus einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substanziiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat. Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2013, Zl. 2013/09/0062, mwN).

13 Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag enthält kein ausreichend substanziiertes Vorbringen, um einen Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG darzulegen.

14 So wird darin von den Revisionswerbern vorgebracht, dass die "Beschwerden" an sie nicht unmittelbar, sondern per E-Mail mit einer zeitlichen Verzögerung von einer Woche am Freitag, dem 19. November "2016", (offenbar gemeint: 2015, von ihrem Rechtsvertreter Dr. B.) übermittelt worden seien, nachdem das angefochtene Erkenntnis bei Dr. B. eingegangen sei, und dass der Mailverkehr vom Vater der Revisionswerber, L., bearbeitet worden sei. Ferner ist die Rede davon, dass der (nunmehrige) Revisionsvertreter vom Eingang der E-Mail (offenbar gemeint: bei L.) als Zustelldatum ausgegangen sei, weil die übermittelte Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses keinen Eingangsstempel des Dr. B. enthalten habe.

15 Abgesehen davon, dass aus dem genannten Vorbringen nicht hervorgeht, auf Grund welcher (mündlicher oder schriftlicher) Erklärungen der Revisionsvertreter vom 19. November 2015 als Zustellzeitpunkt ausgegangen ist, ergibt sich aus diesem Vorbringen insbesondere auch nicht, dass und - zutreffendenfalls - in welcher Weise der Revisionsvertreter irgendwelche Nachforschungen angestellt hat, um sich über den angenommenen Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses zu vergewissern. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige hg. Judikatur (vgl. etwa den Beschluss vom 22. November 1995, Zlen. 95/15/0055, 0098, mwN) hinzuweisen, wonach es dem Vertreter einer Partei obliegt, die ihm von einem Klienten mitgeteilten Umstände über den für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgebenden Zustelltag der angefochtenen Entscheidung nicht ungeprüft seiner Fristvormerkung zugrunde zu legen.

16 Geht man von der Annahme aus, dass das angefochtene Erkenntnis von L. dem Revisionsvertreter übermittelt und dieser von L. namens der Revisionswerber zur Erhebung der Revision beauftragt wurde - auch hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Beauftragung des Revisionsvertreters abgegebenen Erklärungen enthält der Wiedereinsetzungsantrag kein ausreichend detailliertes sachverhaltsbezogenes Vorbringen -, so hätte der Revisionsvertreter bei Einhaltung der im Zusammenhang mit der Wahrung von Rechtsmittelfristen gebotenen besonderen Prüfpflicht in Bezug auf das Zustelldatum (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1990, Zl. 89/03/0254, mwN; ferner dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 51) im Hinblick darauf, dass aus dem angefochtenen Erkenntnis die Anordnung der Zustellung an den (früheren) Rechtsvertreter der Revisionswerber, Dr. B., hervorgeht, Zweifel daran haben müssen, dass es sich beim Tag des Einganges der genannten E-Mail bei L. um den Tag der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an die Revisionswerber handelt.

17 Im Übrigen stellte auch ein allfälliger Mangel in der Kommunikation zwischen den Revisionswerbern und deren Vertreter kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im oben genannten Sinn dar (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. 2009/05/0078, mwN).

18 Den Revisionswerbern ist es somit nicht gelungen, einen Sachverhalt darzustellen und glaubhaft zu machen, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG erfüllen könnte, weshalb gemäß § 46 Abs. 1 und 4 leg. cit. der Wiedereinsetzungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen war.

19 Zur Revision:

20 Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hat zur Folge, dass die - wie oben dargestellt - verspätet erhobene Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 27. April 2016

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