VwGH 2013/09/0062

VwGH2013/09/006223.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des D in F, vertreten durch Mag. Martin Winter, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Kinkstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Februar 2013, Zl. KUVS-2375/8/2012, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Angelegenheit nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 11. Juli 2012 wurde der Beschwerdeführer als Verantwortlicher der G-OG der Übertretung von § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz in drei Fällen (wegen unerlaubter Beschäftigung von drei rumänischen Staatsangehörigen) schuldig erkannt und es wurden über ihn drei Geldstrafen von je EUR 1.000,-

(im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen) verhängt. Die vom Steuerberater A als Vertreter des Beschwerdeführers gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung wurde am 31. Juli 2012 - und sohin nach Ablauf der am 30. Juli 2012 endenden zweiwöchigen Rechtsmittelfrist - beim Postamt K aufgegeben (und deshalb von der belangten Behörde mit Bescheid vom 17. September 2012 als verspätet zurückgewiesen).

Den vom Beschwerdeführer erhobenen Antrag vom 4. September 2012 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wies die Bezirkshauptmannschaft F mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 gemäß § 71 Abs. 2 AVG zurück und begründete dies damit, dass der Antrag keine Angaben dazu enthalten habe, weshalb er als rechtzeitig anzusehen sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid - nach Durchführung einer Berufungsverhandlung (mit Einvernahme des Steuerberaters A als Zeugen) ab.

In ihrer Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Verfahrensgang wieder, wonach der Steuerberater A mit (von ihm am 22. August 2012 übernommenen) Schreiben der belangten Behörde vom 6. August 2012 auf die verspätete Einbringung der Berufung hingewiesen worden sei. Daraufhin habe er einen am 11. September 2012 bei der belangten Behörde eingelangten (mit 4. September 2012 datierten) Schriftsatz übermittelt. In diesem habe er unter Vorlage der zur Einbringung der Berufung erteilten Vollmacht vorgebracht, die Berufung sei "aus zeitlichen Gründen in Ermangelung einer anderen Möglichkeit" eingebracht und "die Tätigkeit als Service ohne Verrechnung eines zusätzlichen Honorars" erfolgt. Zur beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wurde vorgebracht, dass die sonst höchst zuverlässige Kanzleimitarbeiterin H irrtümlich die Berufung als Durchschrift einer anderen Berufung angesehen und deshalb nur die letztgenannte zur Post gebracht habe, der Irrtum an nächsten Tag aufgefallen und die (gegenständliche) Berufung dann zur Post gebracht worden sei. Im (am 16. Oktober 2012 eingelangten ) Schriftsatz des nunmehrigen Vertreters des Beschwerdeführers sei ausgeführt worden, dass die verspätete Abgabe der Berufung von A erst bemerkt worden sei, als er das Schreiben der belangten Behörde vom 22. August 2012 gelesen und in seiner Kanzlei recherchiert habe; H habe zwar den Irrtum entdeckt, aber A davon keine Mitteilung erhalten.

Die belangte Behörde setzte fort, dass der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung am 4. September 2012 - und somit fristgerecht - beim Postamt E aufgegeben worden sei; auch die versäumte Handlung sei schon im Vorfeld des Wiedereinsetzungsantrags nachgeholt worden. Im Weiteren führte sie aus, dass der Zeuge A, der vom Beschwerdeführer zur Einbringung der Berufung bevollmächtigt worden sei, "diese Tätigkeit als Service ohne Honorar" geleistet habe, weshalb davon auszugehen sei, dass er als Privatperson und nicht als Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder beauftragt worden sei. Unter Zugrundelegung der Stellungnahmen vom 4. September und 16. Oktober 2012, wonach die Kanzleimitarbeiterin H irrtümlich von nur einer Berufung ausgegangen sei und somit auch nur eine Berufung zur Post gebracht habe bzw. den Irrtum entdeckt, aber A gegenüber keine Mitteilung getätigt habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass beim Bevollmächtigten des Beschwerdeführers kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens vorliegen würde. A, dessen Verschulden demjenigen des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen sei, hätte glaubhaft machen müssen, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Frist verhindert gewesen zu sein. Ein solches Vorbringen sei weder später vom Rechtsvertreter noch von A anlässlich dessen Einvernahme in der Berufungsverhandlung erfolgt. Soweit sich A auf den Irrtum seiner äußerst gewissenhafte Kanzleimitarbeiterin berufe, könne dies keinen minderen Grad des Verschuldens darstellen, da er nicht als Betreiber einer Steuerberatungskanzlei sondern als Privatperson vom Beschwerdeführer bevollmächtigt worden sei und sich daher nicht auf die Kanzleimitarbeiterin habe verlassen bzw. dieser die Übermittlung der Berufungsschriftsätze habe überlassen dürfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein Mindergrad des Versehens trifft. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Im Fall de Versäumung eine Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen (Absätze 2 und 3 dieser Bestimmung).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. der Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0029, mwN, und vom 23. November 2009, Zl. 2009/03/0089).

Wer darüber hinaus einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substanziiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 1996, Zl. 95/08/0259, und vom 15. Oktober 2009, Zl. 2008/09/0225, u.v.a.).

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zlen. 95/08/0259, 96/08/0031).

Im konkreten Fall bringt der Beschwerdeführer zum Vorliegen der von ihm behaupteten Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages im Wesentlichen vor, dass "es der allgemeinen Lebenserfahrung und den geschäftlichen Gepflogenheiten entspricht, dass sich ein Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder auf eine Kanzleimitarbeiterin verlassen bzw. dieser die Übermittlung von Berufungsschriftsätzen überlassen kann" und moniert dazu die Unterlassung der beantragten Einvernahme der namhaft gemachten Mitarbeiterin.

Dem ist zu entgegnen, dass er sich im Verwaltungsverfahren zum Vorliegen eines behaupteten unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis iSd § 71 AVG lediglich auf den "einmaligen Irrtum der höchst zuverlässigen" Kanzleimitarbeiterin H bei der Behandlung zweier Schriftsätze beruft, ohne überhaupt näher darzutun, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft; es unterbleibt auch jegliches Vorbringen zum Vorliegen oder der Handhabung von Kontrollvorkehrungen im Kanzleigefüge von A (so konkret zur Abwicklung der Postaufgabe und deren weiterer Erfassung). Dem Erfordernis eines substanziierten Vorbringens nach der oben zitierten Judikatur wurde damit nicht entsprochen (in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass - wie dem Beschwerdeführer beizupflichten ist - das Tätigwerden von A auch ohne Entgelt seiner Funktion als beruflicher Parteienvertreter zuzurechnen sein wird, ohne Bedeutung). Da ein solches Vorbringen ebenfalls zum Beweisthema der beantragten Zeugin fehlt, und auch in der Beschwerde nicht dargelegt wird, auf Grund welcher konkreter Angaben von H die Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, kann im Unterbleiben der Einvernahme der Zeugin kein Verfahrensmangel erblickt werden. Ebenso ist deshalb aus der in der Beschwerde ins Treffen geführten "allgemeinen Lebenserfahrung bei geschäftlichen Gepflogenheiten in einer Wirtschaftskanzlei in Bezug auf das Vertrauen gegenüber Mitarbeitern" mangels Konkretisierung nichts zu gewinnen und vermag mit diesem Vorbringen keine Ermittlungspflichtverletzung der belangten Behörde aufgezeigt werden. Dasselbe gilt zum Vorwurf einer unzureichenden Befragung des Zeugen A in der Berufungsverhandlung, wozu der (in der Verhandlung mit seinem Rechtsvertreter anwesende) Beschwerdeführer überdies auf die mögliche Ausübung seines Befragungsrechtes zu verweisen ist.

Insgesamt begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde im Ergebnis die Wiedereinsetzung versagte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. Mai 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte