VwGH Ra 2016/04/0063

VwGHRa 2016/04/006312.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, in der Revisionssache der P GmbH in W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. April 2016, Zl. W149 2115613- 2/74E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: Bietergemeinschaft G GmbH / H GmbH, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §863;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §53;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BVergG 2006 §78;
BVergG 2006 §79;
VwGVG 2014 §17;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016040063.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die B Gesellschaft mbH (Auftraggeberin) führte im Jahr 2015 ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich mit dem Leistungsgegenstand der Sanierung einer näher bezeichneten Altlast durch. Die Revisionswerberin legte ebenso wie die Bietergemeinschaft G GmbH / H GmbH ein Angebot. Mit Schreiben vom 29. September 2015 gab die Auftraggeberin bekannt, dass das Angebot der Bietergemeinschaft ausgeschieden und der Zuschlag der Revisionswerberin (präsumtive Zuschlagsempfängerin) erteilt werde.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. April 2016 gab das Bundesverwaltungsgericht den Anträgen der Bietergemeinschaft auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung und der Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin jeweils statt und erklärte die beiden genannten Entscheidungen für nichtig. Die Auftraggeberin wurde zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren verpflichtet. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

Begründend hielt das Verwaltungsgericht fest, dass das Angebot der Bietergemeinschaft den bestandfest gewordenen Ausschreibungsunterlagen entspreche und daher nicht gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) auszuscheiden gewesen sei. Der Bietergemeinschaft mangle es auch nicht an der Befugnis oder der technischen Leistungsfähigkeit, weshalb der Ausscheidensgrund des § 129 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 nicht gegeben sei. Da das Angebot der Bietergemeinschaft keiner Bewertung gemäß den in der Ausschreibung niedergelegten Zuschlagskriterien unterzogen worden sei, sei die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Revisionswerberin rechtswidrig.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der präsumtiven Zuschlagsempfängerin.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

6 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit vor, dass für die Ermittlung des objektiven Erklärungswertes einer Ausschreibung Sachverstand erforderlich sei. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher Sachverständige hinzuziehen müssen bzw. es habe sich nur unzureichend mit den vorgelegten Privat-Sachverständigengutachten auseinandergesetzt.

7 Soweit die Revisionswerberin die unterbliebene Hinzuziehung eines Sachverständigen moniert, ist festzuhalten, dass (nach ihrem Vorbringen) im zugrunde liegenden vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren seitens der Revisionswerberin sechs und seitens der Bietergemeinschaft zwei Privat-Sachverständigengutachten vorgelegt worden sind.

Das VwGVG enthält keine eigenen Bestimmungen betreffend die Beiziehung von Sachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Gemäß § 17 VwGVG kommen somit die Bestimmungen der §§ 52 und 53 AVG zum Tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2016, Ra 2016/03/0027, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Aussagen von Sachverständigen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert und es besteht demnach zwischen dem Gutachten eines Amtssachverständigen und dem eines Privatsachverständigen kein verfahrensrechtlicher Wertunterschied; Amtssachverständigengutachten kommt im Rahmen der freien Beweiswürdigung kein erhöhter Beweiswert zu (siehe dazu die hg. Erkenntnisse jeweils vom 31. März 2016, 2013/07/0170 sowie 2013/06/0124, beide mwN). Angesichts der zahlreich vorgelegten Gutachten begründet der Umstand, dass das Verwaltungsgericht die Einholung eines von einem Amtssachverständigen (bzw. von einem nichtamtlichen Sachverständigen) erstellten Gutachtens fallbezogen nicht für notwendig erachtet hat, für sich genommen keinen Verfahrensmangel.

8 Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin ist das Verwaltungsgericht insoweit nicht vom hg. Erkenntnis vom 12. September 2013, 2010/04/0066, abgewichen, weil die jeweils zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen nicht vergleichbar sind.

Im Erkenntnis 2010/04/0066 hat der Verwaltungsgerichtshof der (dort) belangten Behörde vorgehalten, sie hätte das durch ein (privates) Sachverständigengutachten untermauerte Vorbringen des dortigen Beschwerdeführers, wonach das Angebot einer Mitbieterin bestimmte (technische) Anforderungen nicht erfülle, auf fachlicher Ebene überprüfen müssen. Im gegenständlichen Verfahren lagen aber zahlreiche, jeweils gegenteilige Auffassungen vertretende Gutachten vor. Liegen der Behörde einander widersprechende Gutachten vor, so hat sie diese Gutachten nach ihrem inneren Wahrheitsgehalt gegeneinander abzuwägen und in der Begründung der Entscheidung ihre Erwägungsgründe darzulegen (siehe das bereits zitierte Erkenntnis 2013/07/0170). Dies ist im vorliegenden Fall erfolgt.

Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 2010/04/0066 die Beiziehung eines Sachverständigen für die Auslegung der Ausschreibung nicht generell für erforderlich erachtet, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen (wenn sich der Inhalt eines Begriffes aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw. unter Heranziehung der gesamten Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig ermitteln lasse). Dass die Auslegung sämtlicher hier fraglichen Ausschreibungsbestimmungen besondere Fachkenntnisse erforderte, wird von der Revisionswerberin nicht dargelegt.

9 Soweit die Revisionswerberin vorbringt, das Verwaltungsgericht habe sich nur unzureichend mit den von ihr vorgelegten Privat-Sachverständigengutachten auseinandergesetzt, wendet sie sich damit der Sache nach gegen die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass er als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0056, mwN). Eine derartige, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes vermag die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen nicht aufzuzeigen.

10 Im Hinblick auf das dahingehende Vorbringen der Revisionswerberin ist zwar anzuerkennen, dass das Verständnis der an einem Vergabeverfahren teilnehmenden Bieter über eine Ausschreibungsbestimmung für die Ermittlung des objektiven Erklärungswertes dieser Bestimmung von Bedeutung ist. Das führt fallbezogen aber zu keinem anderen Ergebnis, weil das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall in Kenntnis dieses Verständnisses das von ihm erzielte, davon abweichende Auslegungsergebnis in nachvollziehbarer Weise begründet hat.

11 Die Revisionswerberin wirft dem Verwaltungsgericht vor, es habe die Bestandskraft der Ausschreibung negiert und sei somit von der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Dieser Vorhalt basiert allerdings auf der von ihr vertretenen Auslegung der betreffenden Ausschreibungsbestimmungen. Ausgehend von der - davon abweichenden und nicht als unvertretbar anzusehenden - Auslegung durch das Verwaltungsgericht ist ein Widerspruch zur Ausschreibung nicht ersichtlich. Der Sache nach geht es daher nicht um das Abgehen von einer bestandfesten Ausschreibung, sondern um deren Auslegung und somit darum, was bestandfest geworden ist.

Dass sich aus dem von der Revisionswerberin diesbezüglich ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2005, 2005/04/0001, etwas für den vorliegenden Fall ergibt, ist nicht ersichtlich, zumal eine spekulative Preisgestaltung der Bietergemeinschaft in der Revision nicht aufgezeigt wird.

12 Das oben Gesagte gilt im Wesentlichen gleichermaßen für das Revisionsvorbringen, wonach die von der Bietergemeinschaft angebotene Leistungserbringung (in bestimmter Hinsicht) technisch nicht möglich sei, bzw. dass die Eignung der Bietergemeinschaft infolge einer nachträglichen Erklärung eines (notwendigen) Subunternehmers weggefallen sei. Der diesbezüglichen Argumentation der Revisionswerberin liegt jeweils eine bestimmte Auslegung der Ausschreibung bzw. der Bezug habenden Erklärungen zugrunde, die von der ihrerseits als vertretbar anzusehenden Auslegung durch das Verwaltungsgericht abweicht. Dass das Verwaltungsgericht bei dieser im Einzelfall vorgenommenen Auslegung einen Rechtsfehler begangen hätte, der im Sinn der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtssicherheit vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. Februar 2016, Ra 2016/04/0006).

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 14 Von der Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 12. September 2016

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