VwGH Ra 2016/03/0113

VwGHRa 2016/03/011320.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des A W in H, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. September 2016, Zl LVwG-750385/2/Sr/HG, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
WaffG 1996 §25 Abs1;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffV 02te 1998 §3 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 A. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis entzog das Verwaltungsgericht auf dem Boden des § 28 Abs 1 VwGVG dem Revisionswerber seine Waffenbesitzkarte Nr 2 sowie seinen Europäischen Feuerwaffenpass Nr E0 wegen mangelnder Verlässlichkeit (§ 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 WaffG).

2 B. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

3 C.  Der Revisionsfall betrifft die Frage der waffenrechtlichen Verlässlichkeit. Gemäß § 25 Abs 3 WaffG sind waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass die berechtigte Person nicht mehr verlässlich ist. Von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung ist allerdings abzusehen, wenn (was kumulativ gegeben sein muss) das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird. § 8 Abs 1 WaffG definiert in Form einer Generalklausel die waffenrechtliche Verlässlichkeit im Sinne einer Prognosebeurteilung (vgl etwa VwGH vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0038, mwH). Verlässlich ist ein Mensch gemäß § 8 Abs 1 WaffG ua nur dann, wenn keine Tatsache die Annahme rechtfertigt, dass er Waffen nicht sorgfältig verwahren wird (§ 8 Abs 1 Z 2 zweiter Fall WaffG). Gemäß § 3 Abs 1 der 2. WaffV ist eine Schusswaffe sicher verwahrt, wenn der Besitzer sie in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt. Für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung von Waffen und Munition sind insbesondere die in § 3 Abs 2 der 2. WaffV genannten Umstände betreffend den Schutz von Waffen und Munition maßgeblich. Die Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde gemäß § 25 Abs 3 WaffG stellt keine Ermessensentscheidung dar, vielmehr ist die Behörde bei mangelnder Verlässlichkeit verpflichtet, die waffenrechtliche Urkunde zu entziehen. Mit Entziehung ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Eine bisherige Unbescholtenheit tritt bei dieser Beurteilung in den Hintergrund (vgl VwGH vom 31. März 2005, 2005/03/0030, mwH). Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab (vgl dazu und auch zum Folgenden VwGH vom 30. Juni 2015, Ra 2015/03/0034, mwH). Die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung der Waffen besteht insbesondere auch gegenüber einer im gleichen Haushalt lebenden Person (vgl nochmals VwGH vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0038, unter Bezugnahme auf den im gleichen Haushalt lebenden Ehegatten). Der Inhaber eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte erfüllt seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung gegenüber Personen im privaten Nahebereich nicht, wenn diese Personen zur Waffe jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang haben. Daher erfordert die sorgfältige Verwahrung im Sinn des Gesetzes grundsätzlich auch gegenüber einer im selben Haushalt lebenden Person, die Waffe versperrt zu verwahren, wobei in Bezug auf Personen im privaten Nahebereich des Berechtigten die Anlegung eines überspitzten Maßstabes für die erforderliche Sicherung der Waffe gegen einen möglichen Zugriff aber nicht in Betracht kommen. Bei der Prüfung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit ist angesichts des mit dem Waffenbesitz verbundenen Sicherheitsbedürfnisses ein strenger Maßstab anzulegen; so ist es etwa nicht entscheidend, ob ein Zugriff auf die Waffe durch Unberechtigte tatsächlich erfolgte (vgl VwGH vom 23. November 2009, 2007/03/0180, mwH).

4 D. Ausgehend davon ist die Revision nicht zulässig, zumal das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht verlassen hat.

5 Wenn der Revisionswerber - im Wesentlichen unstrittig - seine Schusswaffen in einem Teil eines Garderobenschrankes, der zur Aufbewahrung von Jacken und Schuhen der Familienmitglieder genutzt wird, versperrt hielt und der Schlüssel hiefür an einem kleinen Nagel an der Seitenwand des Schrankes hing (wobei der Abstand zwischen Wand und Schrank etwa 10 cm betrug), kann nach der dargestellten Rechtslage nicht davon gesprochen werden, dass er seine Schusswaffen sorgfältig verwahrte. Selbst wenn der Aufbewahrungsort des Schlüssels - wie das Verwaltungsgericht feststellte - bei oberflächlicher Betrachtung nicht sofort wahrnehmbar war und damit nicht ins Auge stach, stellt diese Aufbewahrungsart des Schlüssels jedenfalls für Personen im privaten Nahebereich, die mit den Örtlichkeiten grundsätzlich vertraut sind, im Ergebnis kein Hindernis dar, das von ihnen für einen Zugang überwunden werden müsste. Dies auch vor dem Hintergrund, dass nicht zu erkennen ist, dass sich Familienmitglieder, denen die Lage des Schlüssels noch nicht bekannt sein sollte, mit den Gegebenheiten in den Räumlichkeiten nicht noch weiter vertraut machen könnten.

6 Da das Verwaltungsgericht von dem insofern bereits von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn festgestellten, im Wesentlichen vom Revisionswerber ohnehin nicht in Abrede gestellten Sachverhalt ausgegangen ist, ist entgegen der Revision nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinne des § 24 Abs 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Blick auf Art 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn - wie im Revisionsfall - die (maßgeblichen) Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; vgl VwGH vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009, VwGH vom 13. September 2016, Ra 2016/03/0085, mwH). Im Übrigen hat der auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anwaltlich vertretene Revisionswerber auch keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

7 Ferner vermag der Hinweis des Revisionswerbers, er sei sowohl strafgerichtlich als auch verwaltungsstrafrechtlich völlig unbescholten, auf Basis der Leitlinien der Rechtsprechung nicht zu seinen Gunsten auszuschlagen, weshalb er mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang keine Feststellungen getroffen, nichts zu gewinnen vermag. Auch der Umstand, dass das Verwaltungsgericht nach § 8 WaffG eine Prognose zu treffen hatte, erforderte auf dem Boden des Gesagten keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

8 Entgegen der Auffassung der Revision erweist sich die in Rede stehende Verwahrungsart zumindest als grob fahrlässig, zumal die Verwahrung in einem versperrten Kasten mit in unmittelbarer Nähe frei hängendem Schlüssel (wie erwähnt) darauf hinausläuft, dass letztlich kein Hindernis für einen Zugriff auf die Waffen gegeben ist, was jedenfalls für im selben Haushalt wohnende ortskundige Personen zum Tragen kommt. Derart kann der Revisionswerber auch mit dem Hinweis, er habe nunmehr einen Stahlschrank mit Zahlencode als neuen Waffenschrank in Verwendung, nichts gewinnen.

9 Schließlich ist der revisionswerbenden Partei zwar einzuräumen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch der Erörterung strittiger Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht dienen muss, zumal die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens bzw die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts insofern nicht von der Erörterung von Rechtsfragen getrennt werden kann, als sowohl das Ermittlungsverfahren als auch die Feststellungen im Wege der Anwendung prozessualer Rechtsvorschriften zu erfolgen haben und beides mit Blick auf eine subjektiven Rechte und Pflichten begründende Rechtslage materiell-rechtlichen Charakters erfolgt. In der Revision wird allerdings nicht mit Erfolg aufgezeigt, welche Erörterung strittiger Rechtsfragen das Verwaltungsgericht zu einem anderen, für den Revisionswerber günstigen Ergebnis hätte führen können (vgl § 42 Abs 2 Z 3 VwGG).

10 E. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Sie war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2016

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