Normen
ABGB §1188;
ABGB §834;
ABGB §983;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §126 Abs2 impl;
BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §91 impl;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §94 Abs1 Z1;
BDG 1979 §94 Abs1;
BDG 1979 §94 Abs1a;
BDG 1979 §94 Abs2;
BDG 1979 §96;
DaKRÄG 2010;
GO Magistrat Linz 1999 §19 Abs1;
GO Magistrat Linz 1999 §27 Abs2;
GO Magistrat Linz 1999 §32 Abs1;
GO Magistrat Linz 1999 §8 Abs2;
GO Magistrat Linz 1999 §8;
Statut Linz 1992 §32 Abs6;
Statut Linz 1992 §32 Abs7;
Statut Linz 1992 §46 Abs3;
Statut Linz 1992 §48;
Statut Linz 1992 §58;
Statut Linz 1992 §78 Abs1 Z2;
StGB §302;
StGdBG OÖ 2002 §101;
StGdBG OÖ 2002 §104 Abs1 Z1;
StGdBG OÖ 2002 §104 Abs1 Z2;
StGdBG OÖ 2002 §104 Abs1;
StGdBG OÖ 2002 §104 Abs2;
StGdBG OÖ 2002 §104 Abs3;
StGdBG OÖ 2002 §104 Abs6;
StGdBG OÖ 2002 §104;
StGdBG OÖ 2002 §123 Abs2;
StGdBG OÖ 2002 §35 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG 1991 §5 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RO2015090014.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Spruchpunkt I.2., II.1., III. und IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen werden die Revisionen abgewiesen.
Die Landeshauptstadt Linz hat dem Zweitrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission der Landeshauptstadt Linz vom 6. Oktober 2014 wurde der Zweitrevisionswerber wie folgt schuldig erkannt:
"Der (Zweitrevisionswerber) wird im Zusammenhang mit dem Abschluss des SWAP 4175 folgender Dienstpflichtverletzungen für schuldig erkannt:
1. Unterlassung von Informationspflichten gegenüber Herrn
Finanzreferenten der Landeshauptstadt Linz, ... (im Folgenden kurz
‚FR' genannt) (in Teilen) hinsichtlich der vorgeworfenen Tatbestände ‚Restrukturierungsangebote der Bawag' vom 25.11.2008 (Beginn der Unterlassung war 25. 11. 2008), vom 13.3.2009 (Beginn der Unterlassung war 13.3.2009) und vom 26. 6. 2009 (Beginn der Unterlassung war 26.6.2009); Verstoß gegen §§ 8 Abs. 2 und 4 GEOM, § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002
2. Unterlassung von Dokumentationspflichten (Beginn der pflichtwidrigen Unterlassung am 8. 2. 2007); Verstoß gegen §§ 19 Abs. 1 , 27 Abs. 2, § 32 Abs. 1 GEOM; § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002
3. Unterlassung der Einholung der GR-Zustimmung (Beginn der pflichtwidrigen Unterlassung am 18. 1. 2007); Verstoß gegen §§ 8 Abs. 3 Z 3 GEOM, § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002
4. Unterlassung der Einholung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung (Beginn der pflichtwidrigen Unterlassung am 18. 1. 2007); Verstoß gegen § 78 Abs. 1 Ziffer 2 und 3 StL. 1992 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 1/2012, § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002."
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Zweitrevisionswerbers gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich teilweise statt, sodass der Spruch laute:
"I. Der (Zweitrevisionswerber) wird im Zusammenhang mit dem Abschluss des Swap Geschäft 4175 folgender Dienstpflichtverletzungen für schuldig erkannt
1. Informationspflichten gegenüber den zu den Tatzeitpunkten amtierenden Finanzreferenten der Landeshauptstadt Linz hinsichtlich der ‚Restrukturierungsangebote der Bawag' vom 25. November 2008 (Beginn der Unterlassung am 27. November 2008), 23. März 2009 (Beginn der Unterlassung am 19. März 2009) und 26. Juni 2009 (Beginn der Unterlassung am 2. Juli 2009) gem. § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 iVm § 8 Abs. 2 und 4 GEOM und
2. die Einholung der Gemeinderats-Zustimmung (Beginn der Unterlassung am 21. Jänner 2007) gem. § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 iVm § 8 Abs. 3 Z 3 GEOM
unterlassen zu haben.
II. Der (Zweitrevisionswerber) wird im Zusammenhang mit dem Abschluss des SWAP 4175 von den erhobenen Vorwürfen, Dienstpflichtverletzungen durch
1. das Unterlassen der Dokumentationspflicht gem. § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 iVm § 19 Abs. 1 GEOM und
2. das Unterlassen der Einholung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung gem. § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 iVm § 78 Abs. 1 Z 2 Oö. StL. 1992
begangen zu haben, freigesprochen.
III. Über den (Zweitrevisionswerber) wird gemäß §§ 102 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 und 103 Oö. StGBG 2002 eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 Euro verhängt, davon werden 2.500 Euro gem. § 124 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 auf 3 Jahre bedingt nachgesehen.
IV. Der (Zweitrevisionswerber) hat gemäß §§ 123 Abs. 2 und 128 Abs. 2, zweiter Satz, erster Halbsatz Oö. StGBG 2002 die mit dem Verfahrensaufwand verbundenen Kosten des Disziplinarverfahrens in der Höhe von 1.000 Euro zu ersetzen."
3 Die ordentliche Revision sei zulässig. Das Landesverwaltungsgericht führte zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision aus, sie sei hinsichtlich der Frage der Verjährung von Dienstpflichtverletzungen (gemäß § 104 Oö StGBG 2002), die in einem Unterlassen bestehen, zulässig, da diese Rechtsfrage zu lösen gewesen sei und Rechtsprechung dazu fehle.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Zweitrevisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 19. November 2015, E 1940/2015-14, ihre Behandlung ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die Revision des Erstrevisionswerbers wurde direkt beim Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Revisionen aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:
5 Sowohl der Erstrevisionswerber als auch der Zweitrevisionswerber schlossen sich u.a. der Begründung des Landesverwaltungsgerichtes zur Zulässigkeit an.
6 Da zur Frage der Auslegung des § 104 Abs 6 Oö StGBG 2002 Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt und die Revisionen von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängen, sind die Revisionen schon aus diesem Grund zulässig.
7 A) Vorweg werden daher die Auslegung der Verjährungsregel des § 104 Abs. 6 Oö StGBG 2002 und die von deren Ergebnis abhängende Frage der Hemmung gemäß § 104 Abs. 3 Oö StGBG 2002 geklärt.
8 § 104 des Oö StGBG 2002 idF LGBl. Nr. 13/2006 (betreffend Verjährung) lautet:
"(1) Der Beamte (Die Beamtin) darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn (sie) nicht
1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarkommission die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder
2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,
eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Geschäftsstelle der Disziplinarbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 118 Abs. 1), verlängert sich die unter Z. 1 genannte Frist um sechs Monate.
(2) Drei Jahre nach der an den (die) beschuldigte(n) Beamten (Beamtin) erfolgten Zustellung der Entscheidung auf Einleitung des Disziplinarverfahrens (§ 118 Abs. 2) oder der Mitteilung über das eingeleitete Disziplinarverfahren (§ 118 Abs. 3) darf eine Disziplinarstrafe nicht mehr verhängt werden.
(3) Der Lauf der in Abs. 1 und 2 genannten Fristen wird - sofern der der Dienstpflichtverletzung zugrunde liegende Sachverhalt Gegenstand der Anzeige, des strafgerichtlichen Verfahrens oder des Verwaltungsstrafverfahrens ist - gehemmt,
1. für die Dauer eines bei einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde anhängigen Strafverfahrens,
2. für den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Beendigung eines Strafverfahrens und dem Einlangen einer diesbezüglichen Mitteilung bei der Dienstbehörde und
3. für den Zeitraum zwischen der Erstattung der Anzeige und dem Einlangen der Mitteilung
a) über die Beendigung des gerichtlichen oder des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens,
- b) des Staatsanwalts über die Zurücklegung der Anzeige oder
- c) der Verwaltungsbehörde über das Absehen von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens bei der Dienstbehörde.
(4) Der Lauf der in Abs. 1 und 2 genannten Fristen wird weiters gehemmt in den Fällen des § 31 Abs. 5 Oö. Gemeinde-Personalvertretungsgesetz ab Antragstellung der Disziplinarbehörde auf Erteilung der Zustimmung bis zur Entscheidung durch den Personalbeirat.
(5) Hat der Sachverhalt, der einer Dienstpflichtverletzung zugrunde liegt, zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt und ist die strafrechtliche Verjährungsfrist länger als die im Abs. 1 Z. 2 genannte Frist, tritt an die Stelle dieser Frist die strafrechtliche Verjährungsfrist.
(6) Abweichend von Abs. 1 Z. 2 verjähren Dienstpflichtverletzungen, die in einem Unterlassen bestehen, jedenfalls nach fünf Jahren ab Beginn der pflichtwidrigen Unterlassung. Dies gilt nicht in Fällen des Abs. 4."
9 Entgegen der vom Zweitrevisionswerber vertretenen Ansicht enthält die Norm des § 104 Abs. 6 Oö. StGBG 2002 eine abweichende Regelung ausschließlich zu § 104 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. Die anderen Bestimmungen des § 104 Oö. StGBG 2002 bleiben davon unberührt. Im vorliegenden Fall interessiert vor allem Abs. 3 leg. cit., der die Hemmung des Laufs der Verjährungsfristen der Absätze 1 und 2 durch näher genannte Zeiträume regelt.
10 Daher hat das Landesverwaltungsgericht grundsätzlich zu Recht den Hemmungszeitraum des bei Gericht anhängigen Strafverfahrens miteinbezogen. Dies durfte das Landesverwaltungsgericht allerdings nur dann, wenn der der Dienstpflichtverletzung zugrunde liegende Sachverhalt Gegenstand der Anzeige oder des strafgerichtlichen Verfahrens war (§ 104 Abs. 3 Oö. StGBG 2002). Diese Wortfolge entspricht inhaltlich derjenigen im Einleitungssatz des § 94 Abs. 2 BDG 1979, weshalb die hiezu ergangene Rechtsprechung maßgebend ist.
11 Im Erkenntnis vom 17. Dezember 2013, 2013/09/0085, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:
"Der im Einleitungssatz des § 94 Abs. 2 BDG 1979 genannte ‚zugrundeliegende Sachverhalt' führt dann zur Hemmung des Laufes der in § 94 Abs. 1 und 1a genannten Fristen, wenn der Beamte - in Idealkonkurrenz - durch ein und dieselbe Tat sowohl eine Dienstpflichtverletzung nach dem BDG 1979 als auch durch ein Delikt, das strafrechtlich oder verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden ist, begangen haben könnte. Die Voraussetzung der Identität des Sachverhalts bedeutet, dass es sich um dieselbe Tat handeln muss, nicht jedoch, dass sich die entsprechenden Sachverhaltselemente vollständig decken müssen. Auch auf die verbale Umschreibung des Verhaltens und auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Benennung der Tat kommt es nicht an. Umgekehrt tritt bei Realkonkurrenz zwischen den genannten Delikten (wenn also z.B. eine Verfolgung wegen eines anderen Verhaltens erfolgt) eine Hemmung jedenfalls nicht ein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2013, Zl. 2012/09/0112). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der dort belangten Behörde, es reiche, dass ein Sachverhalt in der Strafanzeige erwähnt sei, selbst wenn dieser Sachverhalt den konkreten strafrechtlichen Vorwurf nicht betreffe, verworfen."
12 Der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Linz zur Zl. 9 St 80/11z lagen die Handlungen bzw. Unterlassungen des Zweitbeschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Abschluss des Swap-Geschäfts Nr. 4175 (12. Februar 2007) und seinem Verhalten in der Folge ab 7. Jänner 2008 betreffend Angebote zur "Restrukturierung" sowie Unterlassung eines Angebotes zwecks "Glattstellung" des Swap 4175 zu Grunde zwecks Prüfung, ob der strafrechtliche Tatbestand der Untreue verwirklicht sei.
13 In diesem wirtschaftlich komplexen Sachverhalt ist auch die Unterlassung der gebotenen Informationspflichten (Spruchpunkt I.1.), die Unterlassung der Einholung der Gemeinderats-Zustimmung (Spruchpunkt I. 2.), die Unterlassung des Führens einer Dokumentation (Spruchpunkt II.1.) und das Unterlassen der Einholung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung (Spruchpunkt II.2.) inkludiert. Es ist deshalb im Wesentlichen dasselbe Verhalten sowohl strafrechtlich als auch aus disziplinärem Gesichtspunkt geprüft worden. Das Landesverwaltungsgericht ist zu Recht von Idealkonkurrenz ausgegangen und durfte den Hemmungstatbestand des § 104 Abs. 3 Oö StGBG 2002 in die Berechnung der Verjährung einbeziehen, wobei die Hemmung durch Anhängigkeit des gerichtlichen Strafverfahrens vom 3. Mai 2011 bis 2. April 2014 Bedeutung im gegenwärtigen Verfahrensstand ohnehin nur für den Verjährungszeitraum des Spruchpunktes I.2. hat.
14 B) Im Hinblick auf § 104 Abs. 1 Z. 1 Oö StBGB 2002 bringt der Zweitrevisionswerber vor, das Landesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die Kenntnis des für Disziplinarangelegenheiten zuständigen Disziplinarsenats erst und nur mit der Kenntnis des Leiters der Disziplinarkommission annehme. In der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Kenntnis dahingehend beantwortet worden, dass der Beginn der Verjährungsfrist mit der Kenntnis des Leiters der Dienstbehörde oder jener Fachabteilung/Unterorganisationseinheit der Dienstbehörde, die für die Behandlung von Disziplinarangelegenheiten (für jene Gruppe von Beamten, der der Verdächtige angehöre) zuständig sei, anzunehmen sei. Er weist auf das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, 2003/09/0164, hin.
15 Mit diesem Vorbringen verkennt der Zweitrevisionswerber den entscheidenden Unterschied zwischen § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 (welcher sich auf die Kenntnis der Disziplinarbehörde bezieht, zu der u.a. gemäß § 96 BDG 1979 (vgl. das vom Zweitrevisionswerber genannte Erkenntnis vom 15. Dezember 2004) auch die Dienstbehörde gehört) und dem hier anzuwendenden § 104 Abs. 1 Z. 1 Oö StGBG 2002 (welcher auf die Kenntnis der Disziplinarkommission abstellt). Es ist daher insoweit weder die vom Zweitrevisionswerber noch die vom Landesverwaltungsgericht genannte Rechtsprechung zum BDG 1979 anwendbar.
16 Der Zweitrevisionswerber setzt fort, es gebe keine Rechtsprechung zur Frage, ob die Kenntnis, die ein Mitglied des Disziplinarsenats durch seine parallel ausgeübte Tätigkeit in der Personalfachabteilung erworben habe, der für Disziplinarangelegenheiten zuständigen Fachabteilung zuzurechnen sei.
17 Mit diesem Vorbringen übersieht der Zweitrevisionswerber einerseits wieder den im vorigen Absatz ausgeführten Unterschied zwischen § 104 Abs. 1 Z. 1 Oö StGBG 2002 und § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979. Gegenständlich kommt es nach der unmissverständlichen Norm ausschließlich auf die Kenntnis der Disziplinarkommission in Ausübung dieser Funktion an.
18 Ob eines der Mitglieder der Disziplinarkommission in einer anderen bei der Dienstbehörde ausgeübten Funktion oder etwa privat schon vorher Kenntnis von der Angelegenheit erlangte, ist bedeutungslos.
19 Der Zweitrevisionswerber zeigt keine Umstände auf, dass die Disziplinarkommission Kenntnis im obigen Sinne von den Dienstpflichtverletzungen zu einem vor der von der Dienstbehörde erstatteten Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission, die nach den unbestrittenen Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes am 19. Dezember 2011 bei dieser einlangte, gelegenen Zeitpunkt erlangt habe. Die Begründung des Landesverwaltungsgerichtes, erst mit dem Einlangen der Disziplinaranzeige habe die Disziplinarkommission die fristauslösende Kenntnis gemäß § 104 Abs. 1 Z. 1 Oö StGBG 2002 erlangt, steht daher weder mit der hg. Rechtsprechung im Widerspruch noch ist sie rechtswidrig.
20 C) Der Zweitrevisionswerber rügt als inhaltliche Rechtswidrigkeit, es liege in Punkt I.2. ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vor. Im Spruch gehe das Landesverwaltungsgericht von einem Beginn des Tatzeitraumes 21. Jänner 2007 aus, in der Begründung hingegen vom 31. Jänner 2007. Ab diesem Zeitpunkt habe der Zweitrevisionswerber "die Struktur und die Eckpunkte des Swap 4175" gekannt. Der Beginn der pflichtwidrigen Unterlassung sei daher ab 31. Jänner 2007 anzunehmen. Der vorgeworfene Tatzeitraum werde dadurch eingeschränkt.
21 Widersprüche zwischen dem Spruch und der Begründung, z. B. über konkrete Tatumstände wie die Tatzeit, ziehen die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses in dem davon betroffenen Spruchumfang nach sich (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens6, Seite 695, E 19ff., wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
22 Da im gegenständlichen Fall ein unlösbarer Widerspruch hinsichtlich des Beginnes des Tatzeitraums in Punkt I.2. besteht, waren schon deshalb dieser Spruchpunkt und demzufolge auch die Aussprüche über die Strafe und die Kosten wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
23 D) Der Zweitrevisionswerber bringt gegen Spruchpunkt I.1. vor, es habe sich bei den darin genannten "Restrukturierungsangeboten der BAWAG" nicht um "bedeutsame Angelegenheiten" im Sinne des § 8 Abs. 4 der Geschäftseinteilung und Geschäftsordnung für den Magistrat der Landeshauptstadt Linz (GEOM) und "wichtige Angelegenheiten" im Sinne des in § 8 Abs. 2 GEOM verwiesenen § 84 zweiter Satz des Statuts für die Landeshauptstadt Linz 1992 (StL 1992) gehandelt. Eine Informationspflicht habe daher nicht bestanden.
24 § 8 GEOM legt die Aufgaben der Gruppenleiter fest. Nach § 8 Abs. 2 sechster Satz haben die Gruppenleiter für den wechselseitigen Informationstransfer zwischen den Dienststellen ihrer Geschäftsgruppe und den politischen Organen Sorge zu tragen.
§ 8 Abs. 2 siebenter Satz verweist in diesem Zusammenhang auf § 48 StL 1992. Nach § 48 zweiter Satz StL 1992 haben die zuständigen Dienststellenleiter die Mitglieder des Stadtsenates über alle wichtigen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die mit dem ihnen nach § 32 Abs. 6 und 7 StL 1992 zugewiesenen Geschäftsbereich in sachlichem Zusammenhang stehen, sowie über alle Angelegenheiten, die dem Stadtsenat nach § 46 Abs. 3 StL 1992 übertragen worden seien, unmittelbar rechtzeitig und laufend zu unterrichten.
25 Was unter "bedeutsamen" und "wichtigen" Angelegenheiten zu verstehen ist, ist weder in der GEOM noch im StL 1992 definiert. Als Maßstab ist hiefür zumindest im hier gegebenen Zusammenhang § 1188 iVm § 834 ABGB betreffend Geschäftsführungsmaßnahmen heranzuziehen.
26 Danach zählen zu den Geschäftsführungsagenden der ordentlichen Verwaltung alle Maßnahmen, die dem Zweck der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienen, die sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig oder zweckmäßig erweisen, im Interesse aller Mitglieder liegen und keinen besonderen Kostenaufwand erfordern. Wichtige Veränderungen sind dagegen alle außergewöhnlichen, über die ordentliche Verwaltung hinausgehenden Maßnahmen, die zur Erhaltung oder besseren Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, insbesondere Maßnahmen, die für die jeweilige Gesellschaft wegen des Geschäftsumfangs von außergewöhnlicher Bedeutung sind (Jabornegg/Resch/Slezak in Schwimann/Kodek, ABGB4, V, § 1188, Rz 3, mwN). Für die Beurteilung der "Außergewöhnlichkeit" bzw. "Schwere" des Eingriffs oder der Änderung sind primär wirtschaftliche (finanzielle) Gesichtspunkte maßgebend (Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB4, III § 834, Rz 2).
27 Dass es sich beim SWAP 4175 (dessen genaue Bedingungen im angefochtenen Erkenntnis auf dessen S. 11 wiedergegeben und in den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes auf S. 30 näher ausgeführt werden; hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf das "Nominale" von CHF 195 Millionen in Bezug auf das zu Grunde liegende Darlehen) um ein Geschäft handelt, das von seinem Risiko und den damit verbundenen finanziellen Auswirkungen her gesehen um eine bedeutsame und wichtige Angelegenheit handelte, ist vom Landesverwaltungsgericht richtig begründet worden und wird auch vom Zweitrevisionswerber nicht in Frage gestellt.
28 Der Inhalt der in Spruchpunkt I.1. genannten "Restrukturierungsangebote der BAWAG" ist im angefochtenen Erkenntnis auf S. 12 wiedergegeben und in den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes auf S. 31f näher ausgeführt. Daraus ergibt sich, dass es sich dabei um Finanzgeschäfte im untrennbaren Zusammenhang mit dem SWAP 4175 mit einem jeweiligen (Prämien‑)Volumen für die Absicherung von dem Angebot folgenden Zinsterminen im Ausmaß von knapp unter bis deutlich über einer Million CHF handelt. Bei einem derartigen Volumen ist die Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes, dass es sich bei diesen Restrukturierungsangeboten um "bedeutsame" und "wichtige" Angelegenheiten im Sinne der oben dargestellten Normen handelt, auch vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung an der Finanzgebarung der Stadt L zu messen ist, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
29 Der Zweitrevisionswerber wendet weiters ein, es sei ihm "aus früheren Gesprächen mit dem Finanzreferenten bekannt" gewesen, "dass dieser den Kauf/Verkauf von Optionen von vornherein und im Grundsätzlichen ablehnt, genauso wie die Annahme von solchen Angeboten, welche der Stadt L zusätzlichen Kosten verursachen". Dieser Einwand geht am Tatvorwurf vorbei, weil es hier um die Nichtbeachtung von Informationspflichten geht und nicht um die Einholung einer Zustimmung zum Abschluss dieser "Restrukturierungsangebote".
30 E) Der Zweitrevisionswerber behauptet eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, weil das Landesverwaltungsgericht dem Handeln des Zweitrevisionswerbers einen "überhöhten Sorgfaltsmaßstab zugrunde gelegt" habe.
31 § 101 Oö StGBG 2002 lautet:
"Der Beamte, der (Die Beamtin, die) schuldhaft seine (ihre) Dienstpflichten verletzt, ist nach den folgenden Bestimmungen zur Verantwortung zu ziehen. ..."
32 Damit entspricht diese Bestimmung inhaltlich § 91 BDG 1979. 33 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu
§ 91 BDG 1979 fallen beide Schuldformen Vorsatz und Fahrlässigkeit unter den Schuldbegriff dieser Bestimmung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, 90/09/0192, mwN).
34 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Verwaltungsstrafsachen zur Fahrlässigkeit nach § 5 Abs. 1 VStG in ständiger Rechtsprechung Folgendes ausgeführt:
"Nur eine auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilte, unrichtige Rechtsauskunft durch die zuständige Behörde
kann als Entschuldigungsgrund bei Gesetzesverstößen ... anerkannt
werden. Unterlässt der Beschwerdeführer die Einholung einer solchen Auskunft durch die zuständige Behörde, kann er deswegen einem Schuldspruch nicht mit Erfolg entgegen treten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2013, 2012/09/0133, mwN)."
35 Sinngemäß ist diese Rechtsprechung auf die Beurteilung des Verschuldens bei Dienstpflichtverletzungen anzuwenden. Der Zweitrevisionswerber hat nicht behauptet, er habe Erkundigungen im obigen Sinne über die Auslegung des Begriffes einer "bedeutsamen oder wichtigen Angelegenheit" eingeholt, obgleich ihm - auch nach seinem Revisionsvorbringen - das Fehlen einer expliziten schriftlichen internen Auslegung bewusst war. Angesichts der finanziellen Tragweite der mit dem SWAP 4175 verbundenen weiteren Geschehnisse hätten ihm jedenfalls Bedenken entstehen müssen, dass es sich dabei um "bedeutsame" bzw. "wichtige" und demnach informationspflichtige Angelegenheiten handle. Er wäre deshalb zur Einholung einer Auskunft im obigen Sinne verpflichtet gewesen, dies wäre ihm auch zumutbar gewesen.
Die Revision des Zweitrevisionswerbers gegen Spruchpunkt I.1. war daher abzuweisen.
36 F) Der Zweitrevisionswerber rügt "Aktenwidrigkeit" zu den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts, der Zweitrevisionswerber habe sich in Fragen der Zinsabsicherungsgeschäfte "sattelfest" gefühlt.
37 Eine Aktenwidrigkeit ist lediglich dann anzunehmen, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, 2009/09/0065, mwN).
38 Sogar die Ausführungen des Zweitrevisionswerbers zeigen auf, dass das Landesverwaltungsgericht hier Feststellungen aus dem Akteninhalt getroffen hat. Darüber hinaus bestätigt das weitere Vorbringen des Zweitrevisionswerbers - entgegen seiner Auffassung -
sogar, dass das Landesverwaltungsgericht aus den eigenen Aussagen des Zweitrevisionswerbers schlüssige Feststellungen zur "Sattelfestigkeit" abgeleitet hat.
39 Als weitere "Aktenwidrigkeit" rügt der Zweitrevisionswerber, dass das Landesverwaltungsgericht "wortwörtlich einen angeblichen Inhalt des Aktenvermerkes des PPO/Verfassung vom 1. Dezember 2010" wiedergebe, "obwohl sich diese Textpassage im genannten Aktenvermerk so nicht findet, sondern stattdessen ein Text, der im Ergebnis das Gegenteil zum Ausdruck bringt". Mit diesem Vorbringen ist der Zweitrevisionswerber im Recht. Zwar findet sich der erste wörtlich auf S. 58 vierter Absatz des angefochtenen Erkenntnisses zitierte Text im Aktenvermerk der PPO/Verfassung vom 1. Dezember 2010, nicht jedoch der als sechster Absatz auf S. 58 wörtlich wiedergegebene Text.
40 Allerdings ist dies nicht relevant. Denn dieses Vorbringen betrifft inhaltlich Spruchpunkt I.2. Ihm ist wegen dessen Aufhebung der Boden entzogen. Gleiches trifft auf das Vorbringen gegen die Strafbemessung zu.
41 G) Zu der gegen die Spruchpunkte II.1. und II.2. gerichteten Revision des Erstrevisionswerbers:
42 Mit diesen Spruchpunkten wurde der Zweitrevisionswerber von den im Zusammenhang mit dem Abschluss des SWAP 4175 stehenden, ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen
1. des Unterlassens der Dokumentationspflicht gem. § 35 Abs. 1 Oö StGBG 2002 iVm § 19 Abs. 1 GEOM und
2. des Unterlassens der Einholung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung gem. § 35 Abs. 1 Oö StGBG 2002 iVm § 78 Abs. 1 Z. 2 Oö StGBG 2002
freigesprochen.
43 G.1.) Den Freispruch des Zweitrevisionswerbers gemäß Spruchpunkt II.1. begründete das Landesverwaltungsgericht folgendermaßen:
"Geschäftseinteilung und Geschäftsordnung für den Magistrat der Landeshauptstadt Linz - GEOM
'§ 19 Überprüfbarkeit des Verwaltungshandeln
(1) Die Abwicklung der Dienstgeschäfte ist so zu gestalten, dass sie jederzeit und ohne Schwierigkeiten nachvollzogen und überprüft werden kann.
(...)
§ 27 Besprechungen
(2) Der wesentliche Inhalt einer Besprechung sowie Datum und Teilnehmerkreis sind grundsätzlich in einem Aktenvermerk oder einer Niederschrift festzuhalten. Die Entscheidung darüber obliegt dem Besprechungsleiter; sie ist am Beginn der Besprechung bekannt zu geben.
(...)
§ 32 Formen schriftlicher Aktenbehandlung
(1) Aktenvermerke (AV): Aktenvermerke sind dem Akt anzuschließende Aufzeichnungen über Sachverhalte, die einem Mitarbeiter zur Kenntnis gelangen und für die Behandlung eines Geschäftsfalles von Bedeutung sind.
(...)'
III. 5. 2. Spruchpunkt I. 2. des angefochtenen Erkenntnisses lautet:
‚2. Unterlassung von Dokumentationspflichten (Beginn der pflichtwidrigen Unterlassung am 8.2.2007), Verstoß gegen §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 2, 32 Abs. 1 GEOM; 35 Abs. 1 Oö. StGBG.
Konkrete Vorgaben oder Rahmenbedingungen über die Gestaltung der Abwicklung von Dienstgeschäften und über den zeitlichen Rahmen von erforderlichen Dokumentationen sind in § 19 GEOM nicht enthalten. Auch gab es darüber hinaus keine anderen internen Vorgaben über die Dokumentation von Finanzgeschäften.
§ 27 Abs. 2 GEOM gibt das schriftliche Festhalten des wesentlichen Inhalts von Besprechungen vor, wobei die Entscheidung, ob ein Aktenvermerk oder eine Niederschrift anzufertigen ist, vom Besprechungsleiter zu Beginn der Besprechung festzulegen ist. § 32 Abs. 1 GEOM definiert den Begriff Aktenvermerk.
Eine Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Abwicklung von Dienstgeschäften erfordert, dass der Schriftverkehr (inkl. E-Mails) sowie Aktenvermerke, Protokolle, Niederschriften über wesentliche Schritte, Entscheidungsgrundlagen, Besprechungsinhalte, vorgesehene Mitzeichnungen und Kenntnisnahmen sowie sonstige Unterlagen (z. B. Vertragsentwürfe), etc. so rechtzeitig in einem Akt protokolliert werden, dass eine chronologische Abfolge gewährleistet ist.
§ 19 Abs. 1 GEOM regelt auch nicht, was unter 'Abwicklung' eines Dienstgeschäfts zu verstehen ist, insbesondere wann dieses Dienstgeschäft beginnt und erste Dokumentationen zu erfolgen haben. Bei einem antragspflichtigen Dienstgeschäft wird mit Einlangen des Antrags von einer Dokumentationspflicht auszugehen sein. Wird hingegen von Amts wegen vorgegangen, so kann der Beginn des Dienstgeschäfts jedenfals mit einer nach außen wirkenden Handlung, z.B. Einholung von Angeboten, der Beginn der Dokumentationspflicht angenommen werden.
Wie vom (Zweitrevisionswerber) angegeben hat er über Gespräche mit dem Finanzreferenten nie Aktenvermerke oder Niederschriften angelegt, unabhängig davon, um welche Angelegenheit es sich gehandelt hat. So wurde auch über die wöchentlichen Jour fixe nichts schriftlich festgehalten.
Der (Zweitrevisionswerber) hat somit auch keine Aktenvermerke oder Niederschriften hinsichtlich der im Konnex mit dem SWAP 4175 stattgefundenen Besprechung mit dem Finanzreferenten angefertigt. Auch musste das 'Material' zusammengesucht und geordnet werden.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Abwicklung des Swap-Geschäfts 4175 -insgesamt betrachtet- nicht immer so gestaltet war, dass sie jederzeit und ohne Schwierigkeiten nachvollzogen und überprüft werden konnte.
III. 5. 3. Dienstpflichtverletzung durch Unterlassen der Dokumentationspflicht:
Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass in der Besprechung am 8. Februar 2007 das Swap-Geschäft 4175 Thema war und daher dieses Dienstgeschäft im Sinne der gebotenen Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns nicht vollständig nachvollzogen und überprüft werden kann, weshalb die belangte Behörde als Zeitpunkt für den Beginn der Unterlassung der Dokumentationspflicht die Besprechung am 8. Februar 2007 angenommen hat. Jedoch konnte genau für diese Besprechung nicht festgestellt werden, dass (im Rahmen des wöchentlichen Jour fixe) über das Swap-Geschäft 4175 überhaupt gesprochen wurde. Darüber hinausgehende Anhaltspunkte, ab wann eine ausreichende Dokumentation unterlassen wurde, sind nicht angeführt.
Die Verpflichtung zur nachvollziehbaren und überprüfbaren Dokumentation besteht aber schon für die Anbahnung des Swap-Geschäfts 4175. Gerade bei 'amtswegig' eingeleiteten Dienstgeschäften müssen auch die Gründe für die Notwendigkeit des Geschäfts dargelegt sowie die angebotenen Produkte, Ergebnisse von Vertragsverhandlungen, Vertragsentwürfe, etc. erfasst werden, um belegen zu können, warum gerade dieses Angebot der BAWAG entsprochen hat und angenommen wurde. Die Abwicklung des Swap-Geschäfts 4175 hat somit schon vor dem 8. Februar 2007 begonnen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Dokumentationspflicht bis zum 8. Februar 2007 ordnungsgemäß erfolgte. Der (Zweitrevisionswerber) thematisierte hingegen in - nicht dokumentierten - Besprechungen mit dem Finanzreferenten schon vor dem 8. Februar 2007 das Swap-Geschäft 4175.
Die belangte Behörde hat angenommen, dass der Verstoß gegen das in § 19 Abs. 1 GEOM vorgeschriebenen 'Gestalten' der Abwicklung von Dienstgeschäften im konkreten Fall durch eine tatbestandsmäßige Unterlassung herbeigeführt wurde. Es fehlen aber konkrete Angaben, durch welche Unterlassungen der Verstoß erfolgte. Nur das Anführen der Unterlassung der Anfertigung der Protokollierung von Besprechungen lässt noch nicht auf einen Verstoß des § 19 Abs. 1 GEOM schließen. Es müsste dazu festgestellt werden, dass diese nicht festgehaltenen Besprechungsinhalte wesentlich für die Überprüfung und Nachvollziehbarkeit des Dienstgeschäftes waren. Dies müsste auch für die Zeiträume, die schlecht oder gar nicht dokumentiert waren festgestellt werden. Überdies ergibt sich daraus, dass andere Zeiträume sehr wohl ausreichend dokumentiert waren. Auch dazu hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen. Aus diesen Gründen lässt sich auch nicht feststellen, in welchem Ausmaß ein 'Fehlverhalten' des (Zweitrevisionswerbers) vorlag und ob dadurch die Schwelle der disziplinären Erheblichkeit überschritten wurde.
Das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung gem. § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 wegen Unterlassung der Dokumentationspflicht ist somit nicht erwiesen.'"
44 Das Landesverwaltungsgericht zitiert aus dem Bescheid der Disziplinarkommission der Landeshauptstadt Linz vom 10. Jänner 2011, "es hätten sich keine Hinweise ergeben, dass (der Zweitrevisionswerber) Dokumentationen in Form von Aktenvermerken oder Niederschriften über Besprechungen im Zusammenhang mit SWAP 4175 verfasst habe. Er habe es unterlassen über stattgefundene Besprechungen Aktenvermerke bzw. Niederschriften anzufertigen, weshalb die Abwicklung dieses Dienstgeschäftes im Sinne der gebotenen Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns nicht
vollständig nachvollzogen und überprüft werden könne. ... In der
mündlichen Verhandlung habe (der Zweitrevisionswerber) zugestanden, dass es keine Protokolle gegeben hat. Somit liege ein volles Tatsachengeständnis vor."
45 Dem ist das Landesverwaltungsgericht gefolgt (vgl. S. 53f). 46 Es ist nicht schlüssig, dass das Landesverwaltungsgericht
einerseits davon ausgeht, dass der Zweitrevisionswerber "nie Aktenvermerke oder Niederschriften" im Konnex mit dem SWAP 4175 angelegt hat, andererseits aber ausführt, "dass andere Zeiträume sehr wohl ausreichend dokumentiert waren".
47 Diesen logischen Widerspruch zeigt der Erstrevisionswerber zu Recht auf.
48 Ist aber festgestellt, dass der Zweitrevisionswerber "nie" dokumentiert hat, so ist nicht nachvollziehbar, dass das Landesverwaltungsgericht das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung "wegen Unterlassung der Dokumentationspflicht" als "nicht erwiesen" ansah. Es ist dabei unerheblich, ob das angelastete Verhalten - wie das Landesverwaltungsgericht ausführt - bereits vor dem von der erstinstanzlichen Disziplinarkommission angenommenen 8. Februar 2007 begonnen hätte (und sohin ein längerer Tatzeitraum vorläge als vorgeworfen), weil jedenfalls seit diesem Tag vom Zweitrevisionswerber keine nachvollziehbare und überprüfbare Dokumentation vorgenommen wurde.
49 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich in Spruchpunkt I.1. somit als inhaltlich rechtswidrig.
50 G.2.) Den Freispruch des Zweitrevisionswerbers gemäß Spruchpunkt II.2. begründete das Landesverwaltungsgericht folgendermaßen:
"Unbestritten blieb, dass die erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung für den Abschluss des Swap-Geschäfts 4175 nicht herbeigeführt wurde.
Bis 1. April 2012 gab es keinen expliziten Genehmigungstatbestand der Aufsichtsbehörde für Finanztermingeschäfte, Zinssicherungsgeschäfte, Swap-Geschäfte, etc. Erst mit der Oö. Gemeinderechts-Novelle 2012 (LGBl. Nr. 1/2012) wurde im Sinne einer Gesamtbetrachtung sowie zur Klarstellung der bis dahin bereits bestehenden aufsichtsbehördlichen Genehmigungspflichten ein in sich abgeschlossenes und transparentes Gesamtsystem aller Regelungen über Finanztransaktionen der Städte und Gemeinden in die Gemeindeorganisationsgesetze aufgenommen (vgl. AB 507/2011).
So war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Swap-Geschäfts 4175 im geltenden § 78 Oö. StGBG 1992 unter anderem der Abschluss von Darlehensverträgen (ab einer bestimmten Wertgrenze) als genehmigungspflichtiges Geschäft durch die Landesregierung festgelegt. In § 58 leg. cit. ‚Darlehensaufnahme' war normiert, unter welcher Voraussetzung die Stadt Linz Darlehen aufnehmen darf. ‚Sonstige Finanzgeschäfte' wurden erst mit der Novelle LGBl. Nr. 1/2012 aufgenommen und geregelt.
Im Zuge der Aufarbeitung des Swap-Geschäfts 4175 im Jahr 2011 wurden Rechtsgutachten zum Thema ‚aufsichtsbehördliche Genehmigungspflicht' eingeholt. Es wurde geprüft, ob auch ‚sonstige Finanzgeschäfte' vom Darlehensbegriff des § 78 Abs. 1 Z 2 Oö. StL 1992 erfasst sind. Diese Prüfung ergab, dass Darlehensverträge iSd § 78 Abs. 1 Z 2 Oö. StL 1992 jegliche Art von längerfristigen Fremdfinanzierungen umfassen und diese somit den weiteren Voraussetzungen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung unterliegen.
Für den (Zweitrevisionswerber) war aber zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht erkennbar, dass das ‚Swap-Geschäft 4175' unter den Begriff ‚Darlehen' zu subsumieren ist. Insbesondere deshalb, weil das genehmigte Grundgeschäft (195 Mio. CHF-Anleihe) davon unberührt blieb und es nicht offensichtlich ist - wie auch die Ausführungen in den eingeholten Rechtsgutachten zeigen, dass dieses Geschäft unter den Darlehensbegriff fällt. Es liegt der Unterlassung der Einholung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung keine nach den Umständen unvertretbare Rechtsauffassung zugrunde. Auch eine besondere oder grob fahrlässige Missachtung des Gesetzes wurde von der belangten Behörde nicht ausreichend deutlich vorgeworfen und kann überdies hier auch nicht erkannt werden.
Es liegt somit keine Dienstpflichtverletzung hinsichtlich der Unterlassung der Einholung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für den Abschluss des Swap-Geschäfts 4175 vor.
Außerdem hätte der (Zweitrevisionswerber) das Verfahren für die Einholung einer derartigen Genehmigung nur in Gang setzen können. Der Verkehr mit der Aufsichtsbehörde oblag (und obliegt noch immer noch) der magistratsinternen Geschäftsverteilung der Dienststelle PPO. Auch aus der Geschäftsverteilung des Magistrates der Stadt Linz ist nichts Konkretes über die Zuständigkeit der Prüfung, ob für eine Angelegenheit eine aufsichtsbehördliche Genehmigung einzuholen ist bzw. ob hinsichtlich der Notwendigkeit einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung eine Anfrage an die Aufsichtsbehörde zu richten ist, ersichtlich."
51 Der Erstrevisionswerber wendet im Wesentlichen ein, der Zweitrevisionswerber hätte erkennen müssen, dass der Abschluss des SWAP 4175 einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte. Insofern er sich dabei auf die Erläuternden Bemerkungen zur StL-Novelle LGBl. Nr. 1/2012 bezieht, die von einer "Klarstellung der bisher bereits bestehenden aufsichtsbehördlichen Genehmigungspflichten erfolgte" (Blg 507/2011 zu den Wortprotokollen des Oö Landtags, 27. GP) sprechen, übersieht er, dass mit diesen Erläuterungen eine rückwirkende Änderung einer zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung geltenden Rechtslage nicht rechtmäßig erfolgen konnte. Es ist daher ausschließlich zu prüfen, ob der Zweitrevisionswerber angesichts der zum Zeitpunkt des Abschlusses des SWAP 4175 geltenden Rechtslage Zweifel hätte haben müssen, dass das Geschäft damals der aufsichtsbehördlichen Genehmigungspflicht unterliege und er auf die Einholung einer solchen Genehmigung hätte hinzuwirken gehabt.
52 Die zum Zeitpunkt der Beurteilung der Genehmigungspflicht für den Abschluss des SWAP 4175 maßgebliche Bestimmung des § 78 Abs. 1 Z. 2 StL 1992 (sohin vor der Novelle LGBl Nr 1/2012) lautete:
"(1) Maßnahmen der Stadt, die der Genehmigung der Landesregierung bedürfen, sind außer den in sonstigen gesetzlichen Vorschriften vorgesehenen Fällen folgende:
...
2. der Abschluss von Darlehensverträgen, wenn durch die Aufnahme des Darlehens der jährliche Gesamtschuldendienst der Stadt 15% der Einnahmen des ordentlichen Voranschlages des laufenden Rechnungsjahres übersteigen würde;
3. die Übernahme von Bürgschaften oder sonstigen Haftungen durch die Stadt, wenn dadurch der Gesamtstand der von der Stadt übernommenen Haftungen 30% der Einnahmen des ordentlichen Voranschlages des laufenden Rechnungsjahres übersteigen würde.
..."
53 Diese Bestimmung steht - wie der Erstrevisionswerber richtig ausführt - im Zusammenhang mit § 58 StL 1992:
"Die Stadt darf Darlehen nur aufnehmen, wenn die Amortisationsverpflichtungen die dauernde Leistungsfähigkeit der Stadt nicht überschreiten. Für jene Darlehen, die mit dem gesamten Betrag fällig werden, sind die Tilgungsbeträge planmäßig anzusammeln (Tilgungsrücklagen)."
54 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. September 1979, 255/79, und vom 24. November 2006, 2006/02/0235) erkennt, ist nach dem Auslegungsprinzip der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssprache im Allgemeinen davon auszugehen, dass in der Rechtssprache geprägte Begriffe die gleiche Bedeutung haben. Der Zweitrevisionswerber zeigt nicht auf, dass im StL 1992 vor der Nov LGBl Nr 1/2012 den Begriffen Darlehen und Darlehensvertrag etwa auf Grund einer Legaldefinition eine andere Bedeutung zuzumessen gewesen sei als nach der seit Jahrzehnten in § 983 ABGB verankerten Definition. Der Hinweis darauf, dass bis zum Inkrafttreten des Darlehens- und Kreditrechtsänderungsgesetzes (DaKRÄG), BGBl. I 2010/28, nur Realkontrakte erfasst waren, ist nicht ausreichend, um aufzuzeigen, dass es einem Normunterworfenen zumutbar gewesen wäre, die im StL 1992 vor der Nov LGBl Nr 1/2012 ausdrücklich genannten Begriffe Darlehen und Darlehensverträge mangels jeglichen Hinweises, dass damit auch Zinsswaps wie der SWAP 4175 gemeint sein könnten, anders zu verstehen als nach § 983 ABGB.
55 § 983 definierte unter der Überschrift "Darleihen" seit dem Inkrafttreten am 1. Jänner 1812 bis zur Novelle BGBl. I Nr. 28/2010 wie folgt:
"Wenn jemanden verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben Gattung und Güte zurück geben soll; so entsteht ein Darleihensvertrag. ..."
56 Nur um aufzuzeigen, dass auch die neue Fassung des § 983 ABGB, gültig seit 11. Juni 2010, keine inhaltlichen Änderungen gebracht hat, sei diese erwähnt:
"Im Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, dem Darlehensgeber spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben."
57 Hingegen ist unter einem Zinsswap (wie hier dem SWAP 4175) ein Zinsderivat zu verstehen, bei dem zwei Vertragspartner vereinbaren, zu bestimmten zukünftigen Zeitpunkten Zinszahlungen auf festgelegte Nennbeträge auszutauschen. Der gegenständliche Zinsswap wurde (siehe S. 11 des angefochtenen Erkenntnisses) zur Absicherung gegen steigende Zinsen geschlossen.
58 Selbst wenn man - über die Definition des § 983 ABGB hinausgehend - unter dem Begriff des "Darlehens" iSd vorgenannten Bestimmungen vom Regelungszweck der Überwachung der Verschuldung her auch Kreditaufnahmen oder gleichzuhaltende Geschäfte verstehen wollte, so wären diese von Maßnahmen zur Verringerung damit einhergehender Risiken (hier des Risikos steigender Zinsen) grundsätzlich zu unterscheiden.
59 Derartige Finanzgeschäfte sind erst durch die Oö Gemeinderechtsnovelle 2012 (LGBl. Nr. 1/2012) ausdrücklich erfasst.
60 Es ist dem Landesverwaltungsgericht zu folgen, dass der Zweitrevisionswerber zum Zeitpunkt des Abschlusses des SWAP 4175 keine zumutbaren Zweifel (anders als im Hinblick auf die Normen zur Informationspflicht, siehe oben) daran hegen musste, dass ein derartiges Geschäft nicht als "Darlehen" oder "Darlehensvertrag" anzusehen war.
61 Daher war die Revision gegen Spruchpunkt II.2. als unbegründet abzuweisen.
62 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 26. April 2016
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