VwGH 98/04/0083

VwGH98/04/00839.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des F in X, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. März 1998, Zl. 318.770/1-III/A/2a/98, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: Z-AG, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs3;
GewO 1994 §77 Abs1;
StVO 1960 §1 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs3;
GewO 1994 §77 Abs1;
StVO 1960 §1 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. März 1998 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 74, 77, 81 und 356 GewO 1994 die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Die Auflage Nr. 27. hat folgenden Wortlaut:

"Die Aufschließung des Lebensmittelmarktes hat über eine Zufahrt zur B 5, X-straße, bei km 28,822 zu erfolgen. Die Zufahrt selbst und die Linksabbiegespur auf der Bundesstraße sind entsprechend dem ..... Projekt (Lageplan Nr. 9134/3) herzustellen."

Zur Begründung führte der Bundesminister aus, nach Einholung eines (in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Detail wiedergegebenen) Meßberichtes über Lärmimmissionen habe der gewerbetechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, die Messung am Meßpunkt Schlafzimmer um 5.01 bis 5.15 Uhr habe ergeben: L95 = 17,5 dB(A); Leq = 31,8 dB(A); L1 = 42,0 dB(A). Die Immissionen seien maßgeblich von den Fahrzeugen auf der Bundesstraße geprägt gewesen (13 Pkw, 10 Lkw, Spitzen durch Verkehr laut Pegelschrieb bis 47 dB(A)). Am Meßpunkt Garten in der Zeit von

8.15 bis 8.30 Uhr hätten sich ergeben: L95 = 38 dB(A);

Leq = 53,1 dB(A); L1 = 62,5 dB(A). Die Immissionen seien fast

ausschließlich durch den Verkehrslärm geprägt gewesen (142 Pkw, 14 Lkw). Vom Amtssachverständigen seien in einem anderen Betriebsanlagenverfahren die Geräusche einer Anlieferung von Milch- und Molkereiprodukten meßtechnisch ermittelt worden. Rechne man diese Werte auf die gegenständliche Entfernung von 110 m um, so ergäben sich folgende Spitzenwerte:

- Lkw-Zu- und Abfahrt: bis max. 50 db(A)

- Manipulation mit Liefergut: 20 bis 30 db(A)

bis max. 42 db(A)

- Betätigung der elektrischen Ladebordwand: 34 bis 36 dB(A)

- Schlagen der Ladebordwand gegen den

Kastenförmigen Aufbau des Lkws am Ende

der Belieferung: 46db(A)

Der gesamte Liefervorgang dauerte etwa 6,5 Minuten. Die angegebenen Werte gälten für einen Immissionspunkt im Freien. In dem vorliegenden Sachverhalt sei noch zu berücksichtigen, daß der Fensterdurchtritt ins Schrankzimmer und von diesem in das Schlafzimmer eine Schallpegelminderung von etwa 15 dB erwarten lasse. Die angegebenen betriebskausalen Störgeräuschspitzen, verursacht durch die Milchanlieferung um ca. 5.00 Uhr, seien deshalb am Meßpunkt im Schlafzimmer des Beschwerdeführers bei geöffneten Türen und Fenstern um diesen Betrag vermindert zu erwarten. Von den nächstgelegenen Kundenparkplätzen (ca. 50 m Abstand) seien den Erfahrungswerten zufolge Schallpegelspitzen durch Pkw-Geräusche am Meßpunkt im Garten des Beschwerdeführers in folgender Höhe zu erwarten:

.......

- Starten: 32 bis 54 dB(A)

- Standgas: 30 bis 40 dB(A)

- Türenschlagen: 39 bis 55 dB(A)

- Losfahren: 44 bis 56 dB(A)

Durch die Böschung zur Bundesstraße hin könnte zusätzlich eine leichte Abschirmwirkung um wenige Dezibel auftreten. Eine merkbare Erhöhung des vorhandenen energieäquivalenten Dauerschallpegels der Umgebungsgeräusche sei selbst bei einem kompletten Fahrzeugwechsel (63 Pkw) in einer Stunde nicht zu erwarten. Durch den Kundenverkehr würden zwar einzelne Schallpegelspitzen wahrnehmbar sein, die Lärmimmissionen im Garten würden aber durch den Verkehrslärm auf der Bundesstraße geprägt sein. Der Sachverständige habe in einer ergänzenden Äußerung in Erwiderung einer Stellungnahme des Beschwerdeführers ausgeführt, bezüglich der befürchteten Verkehrsbehinderungen sei schon in einer früheren Stellungnahme auf das Ermittlungsergebnis der Vorinstanz verwiesen worden. Zu den tageszeitlichen Schwankungen der Lärmbelastung sowie dem Verkehrslärm an Samstagen sei auszuführen, daß die Immissionen fast ausschließlich durch den Verkehrslärm auf den öffentlichen Verkehrsflächen geprägt würden. Selbst bei einer Halbierung des Verkehrsaufkommens würde sich der energieäquivalente Dauerschallpegel der Umgebungsgeräusche lediglich um 3 dB verringern. Im Normalfall sei selbst dann nicht eine merk- oder meßbare Anhebung des vorhandenen Dauerschallpegels durch die Betriebsgeräusche zu erwarten. Die Einfahrt zum Betriebsgelände liege in größerer Entfernung zur Liegenschaft des Beschwerdeführers als die nächstgelegenen Parkplätze. Es seien daher keinesfalls höhere Immissionswerte, als oben festgestellt, zu erwarten. Zu den Anlieferungen in der Nachtzeit sei darauf zu verweisen, daß laut Auskunft des Vertreters der Konsenswerberin in der Nachtzeit im wesentlichen mit nur einer Anlieferung (Milch) um ungefähr 5.00 Uhr zu rechnen sei (eventuell montags auch Bäckereiwaren). Bezüglich der Kühlanlagen sei auszuführen, daß schon auf Grund der großen Entfernungen (Abstand Betriebsgebäude/Schlafzimmer des Beschwerdeführers ca. 100 m) keine besonderen Lärmauswirkungen zu erwarten seien. Dies werde auch durch die Emissionsangaben über die kältetechnischen Einrichtungen bestätigt. Der berechnete Immissionspegel im Schlafzimmer liege mindestens 10 dB unter dem gemessenen nächtlichen Grundgeräuschpegel.

Zum Einwand nicht berücksichtigter Reflexionen sei zu bemerken, daß durch die Böschung zur Bundesstraße hin zusätzlich eine leichte Abschirmwirkung um wenige Dezibel auftreten könnte. Weitere mögliche Beeinflussungen seien nicht angeführt worden, da diese von untergeordneter Bedeutung seien. So könne beispielsweise der Bewuchs zwischen Emissions- und Immissionsort eine weitere Dämpfung bewirken, ebenso die Bodendämpfung. Umgekehrt könne Reflexion bei physikalisch idealen Verhältnissen eine Erhöhung um 3 dB bewirken. Voraussetzung hiefür sei eine "ideale" schallharte Reflexionsoberfläche, Situierung der Emissionsquelle direkt neben der Reflexionswand etc. In der Praxis seien selbst unter ungünstigen Umständen nur geringere Erhöhungen zu erwarten. Von Emissionsquellen, welche eine größere Entfernung von der Reflexionswand aufwiesen, wie beispielsweise der Bundesstraßenverkehr, trete praktisch überhaupt keine Erhöhung am Immissionsort durch Reflexion mehr auf. Insgesamt betrachtet ändere sich also nichts an den schon bisher angegebenen Immissionswerten. In einer weiteren Stellungnahme habe der Sachverständige ausgeführt, in der Stellungnahme des Beschwerdeführers sei dieser der Behauptung entgegengetreten, die Einfahrt zum Betriebsgelände liege in größerer Entfernung von seiner Liegenschaft als die nächstgelegenen Parkplätze. Dazu sei festzustellen, von der Bundesstraße zweige eine Aufschließungsstraße ab, von welcher in das Betriebsareal eingefahren werden könne. Diese Aufschließungsstraße sei anstelle der alten an anderer Stelle neu errichtet worden und diene nicht nur als Zufahrt zur gegenständlichen Betriebsanlage. In der Verhandlung vom 30. März 1995 sei festgestellt worden, daß diese neue Zufahrtsstraße nach Fertigstellung in das öffentliche Gut übertragen werden solle. Da diese Aufschließungsstraße somit jederzeit für beliebige Fahrzeuge genutzt werden könne, seien dort entstehende Emissionen nicht der Betriebsanlage zuzurechnen. Der Beschwerdeführer meine nun mit "Einfahrt zum Betriebsgelände" offensichtlich den Bereich der Abzweigung der Aufschließungsstraße von der Bundesstraße. Vom Sachverständigen sei jedoch unter diesem Begriff die Einmündung des Parkplatzes der gegenständlichen Betriebsanlage in die Aufschließungsstraße verstanden worden. Zu diesem Ermittlungsergebnis führte der Bundesminister nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage aus, er folge mit seiner Entscheidung den klaren, eindeutigen und den Denkgesetzen entsprechenden gutächtlichen Äußerungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen, fußend auf den Erhebungen der Sachverständigen der Oberösterreichischen Landesregierung. Hieraus ergebe sich, daß die Befürchtung einer Öl- und Treibstoffverschmutzung im Überflutungsfall bereits im wasserrechtlichen Verfahren behandelt worden sei. Seitens der Zu- und Abfahrtssituation sei schon früher von einem verkehrstechnischen Amtssachverständigen keine besondere Schwierigkeit festgestellt worden. Außerdem diene die gegenständliche Aufschließungsstraße nicht allein als Zufahrt zur Betriebsanlage, sie sei daher auch jederzeit von anderen Fahrzeugen benutzbar, weshalb die dort entstehenden Emissionen nicht der Betriebsanlage zuzurechnen seien. Die Einfahrt zum Betriebsgelände selbst liege in größerer Entfernung zur Liegenschaft des Beschwerdeführers als die nächstgelegenen Parkplätze. Hiedurch könnten also keine höheren Immissionswerte erwartet werden. Gleiches gelte für die Kühlanlagen und die große Entfernung zum Haus des Beschwerdeführers (ca. 100 m). Eine merkbare Erhöhung des vorhandenen energieäquivalenten Dauerschallpegels der Umgebungsgeräusche sei selbst bei einem kompletten Fahrzeugwechsel in einer Stunde nicht zu erwarten. Die Lärmimissionen im Garten des Beschwerdeführers seien vor allem durch den Verkehrslärm auf der Bundesstraße geprägt. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren und in dem Recht nach § 77 in Verbindung mit § 74 GewO 1994, nämlich auf Nichtgenehmigung einer Betriebsanlage, die geeignet sei, sein Eigentumsrecht und seine Gesundheit zu gefährden oder durch unzumutbare Immissionen zu belästigen, verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes rügt er vor allem, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Die belangte Behörde sei aber auch trotz einer entsprechenden Einwendung nicht darauf eingegangen, inwieweit durch die Betriebsanlage sein Eigentum gefährdet werde. Die belangte Behörde habe in diesem Zusammenhang bezüglich der Einwendung der erhöhten Überflutungsgefahr und der Gefahr der Öl- und Treibstoffverschmutzung lediglich auf die Prüfung durch die Wasserrechtsbehörde hingewiesen, obwohl sie selbst zu beurteilen gehabt hätte, ob die Betriebsanlage geeignet sei, sein Eigentum zu gefährden. Nicht geprüft habe die Behörde weiters seine Einwendung, wonach durch die erforderlichen verkehrstechnischen Änderungen sein Eigentum bzw. seine Gesundheit gefährdet werde. Insgesamt sei zu bemängeln, daß die gewerbetechnischen Gutachten keine exakten Berechnungen zu den zu erwartenden Immissionen aufwiesen. Inwiefern sich die Betriebsanlage auf den Straßenverkehr und die den Beschwerdeführer betreffenden Immissionen auswirkten, sei nicht erhoben worden. Es hätte eingehend erhoben werden müssen, inwieweit Immissionen, wie insbesondere Überflutungsgefahr, Einfluß der Kühlanlage als Lärmquelle, allfällige Reflexionen, Geruchs- und Lärmbelästigung durch den zunehmenden Verkehr, vermehrte Zu- und Abfahrten, zusätzliche Motor- und Bremsgeräusche durch Fahrten bergauf bzw. bergab, Einfluß des Geländes auf die Immissionssituation, Staugefahr, Schwankungen der Verkehrsdichte und der Lärmbelastung zu erwarten seien. Es wäre auch zu erheben gewesen, inwieweit der Verkehr auf der öffentlichen Bundesstraße beeinflußt werde und dies in der Folge eine Gefährdung bzw. unzumutbare Belästigung für ihn als Nachbar mit sich bringe. Nicht erhoben worden sei auch, zu welchen Zeiten und in welchem Ausmaß Zulieferungen in der Nacht erfolgen würden. Das Projekt enthalte diesbezüglich keine Angaben. Eine Lärmmessung hätte, um die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse und auch Lärmspitzen und Schwankungen in der Verkehrsdichte und der Lärmbelastung zu erfassen, über eine längere Zeit, auch an Wochenenden und durchgehend in der Nacht, erfolgen müssen. Die Behörde hätte auf Grund der Lage- und Baupläne die Immissionen berechnen und eine Schallausbreitungsrechnung erstellen lassen müssen, was ebenfalls nicht erfolgt sei. Auch sei die Aufschließungsstraße, die der Betriebsanlage zuzurechnen sei, vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen nicht in die Immissionsbeurteilung miteinbezogen worden. Es sei objektiv unrichtig, daß, wie der Sachverständige ausgeführt habe, die Aufschließungsstraße jederzeit für beliebige Fahrzeuge genutzt werden könne. Die vom Sachverständigen angenommene Übertragung der Straße ins öffentliche Gut sei bis heute nicht erfolgt. Es hätte daher die Behörde nicht von einer Benutzung durch die Öffentlichkeit ausgehen dürfen, da sie ihrer Entscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde zu legen gehabt hätte. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte bestanden hätten, daß in absehbarer Zeit eine Änderung in den örtlichen Verhältnissen einträte, hätten diese berücksichtigt werden dürfen. Tatsächlich sei die Aufschließungsstraße bereits errichtet worden, es sei jedoch am Beginn der Straße das Verkehrszeichen "Allgemeines Fahrverbot" mit der Zusatztafel "Privatstraße" angebracht worden. Sie diene auch nur dem Betriebsgelände der in Rede stehenden Betriebsanlage und vier Einfamilienhäusern als Zufahrt. Den Eigentümern der Einfamilienhäuser sei ein Geh- und Fahrtrecht eingeräumt. Im Verfahren sei nach der Augenscheinsverhandlung vor der Behörde erster Instanz eine Projektänderung vorgenommen worden, die dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Dadurch sei er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Hätte er Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, hätte er vorbringen können, aus welchen Gründen die Betriebsanlage in seine Rechte eingreife und es wäre die Bewilligung zu versagen gewesen. Schließlich verfüge der Bescheid über eine völlig unzureichende Begründung, die sich in pauschalen Verweisen auf gutachterliche Äußerungen erschöpfe.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden ...

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise zu belästigen,

  1. 3. ...
  2. 4. ...
  3. 5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

    Gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen, die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

    Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe sich nicht mit dem seinem Eigentum drohenden Einfluß der gegenständlichen Betriebsanlage auf das Abflußverhalten der Niederschlagswässer auseinandergesetzt, ist er auf die zitierte Bestimmung des § 74 Abs. 2 Z. 5 GewO 1994 zu verweisen, wonach im gewerberechtlichen Verfahren nachteilige Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer nur dann zu berücksichtigen sind, wenn nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist. Wie sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt, wurde der mitbeteiligten Partei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. März 1996 für die in Rede stehende Betriebsanlage die wasserrechtliche Bewilligung erteilt, sodaß die belangte Behörde zu Recht auf wasserrechtliche Aspekte im vorliegenden gewerberechtlichen Verfahren nicht eingegangen ist.

    Mit dem unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Parteiengehörs erstatteten Vorbringen, die in erster Instanz vorgenommene Projektänderung sei dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden, vermag der Beschwerdeführer schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil, wie sich aus § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ergibt, nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur eine solche, bei deren Vermeidung die Behörde zu einer anderen Entscheidung hätte gelangen können. Sofern diese Relevanz nicht offenkundig ist, ist es Sache des Beschwerdeführers, sie in der Beschwerde darzulegen. Im konkreten Fall hätte der Beschwerdeführer daher zur Darlegung dieser Relevanz in der Beschwerde ausführen müssen, was er vorgebracht hätte, wenn ihm das von ihm vermißte Parteiengehör gewährt worden wäre.

    Im übrigen erweist sich die Beschwerde aber auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

    Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist im Rahmen der nach § 77 Abs. 1 GewO 1994 gebotenen Prüfung zwischen gewerblichen Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 und Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO grundsätzlich zu unterscheiden. Da danach der Ausgangspunkt einer Eignung einer gewerblichen Betriebsanlage zur Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn oder zu deren Belästigung das wesentlich zur dort entfalteten gewerblichen Tätigkeit gehörende Geschehen sein muß, kann das bloße Vorbeifahren von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, auch wenn es sich um die einzige Zufahrtsstraße zur Betriebsanlage handelt, nicht mehr als zu einer gewerblichen Betriebsanlage gehörendes Geschehen gewertet werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1998, Zl. 97/04/0165). Ähnliches gilt für das Zufahren von Kundenfahrzeugen, weil gemäß § 74 Abs. 3 GewO 1994 das Verhalten von Kunden für die Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage nur soweit von Bedeutung ist, als es in der Betriebsanlage gesetzt wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 94/04/0096). Von dieser Rechtslage ausgehend ist für die Beurteilung der Frage, ob die von der sogenannten Aufschließungsstraße herrührenden, insbesondere durch das Zufahren der Kunden verursachten und auf die Liegenschaft des Beschwerdeführers einwirkenden Lärmimmissionen der in Rede stehenden Betriebsanlage zuzurechnen sind, entscheidend, ob diese Aufschließungsstraße einen Teil der gegenständlichen Betriebsanlage bildet oder als (unter anderem) bloß der Zufahrt zu dieser Betriebsanlage dienende Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen ist. Die belangte Behörde hat diese Frage im Sinne einer Eigenschaft dieser Aufschließungsstraße als Straße mit öffentlichem Verkehr gelöst, ohne allerdings die für diese Entscheidung maßgebenden Sachverhaltsgrundlagen offenzulegen. Einer Darstellung dieses Sachverhaltes hätte es umsomehr bedurft, als die Anlegung dieser Aufschließungsstraße der mitbeteiligten Partei im angefochtenen Bescheid als Auflage vorgeschrieben wird, was für die Annahme spricht, daß es sich dabei um einen Teil der Betriebsanlage handelt.

    Mit Recht weist der Beschwerdeführer auch darauf hin, daß der gewerbetechnische Amtssachverständige und ihm folgend offensichtlich auch die belangte Behörde davon ausgegangen ist, daß zur Nachtzeit "im wesentlichen mit nur einer Anlieferung (Milch) um ungefähr 5.00 Uhr zu rechnen (eventuell montags auch Bäckereiwaren)" ist, obwohl sich weder in dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Projekt noch etwa in den vorgeschriebenen Auflagen eine derartige Beschränkung findet. In der von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Betriebsbeschreibung vom 15. Februar 1995 wird hiezu lediglich festgestellt, "die Lieferzeiten für diese Betriebsanlage werden, mit Ausnahme der Frischdienstprodukte, innerhalb der normalen Öffnungszeiten unseres Geschäftes sein", sodaß auch eine mehrmalige Belieferung der Betriebsanlage pro Nacht mit Frischdienstprodukten vom Genehmigungsumfang umfaßt wäre.

    Mit Recht bemängelt der Beschwerdeführer schließlich auch, daß es die belangte Behörde unterlassen hat, zur Prüfung der Frage, ob durch die von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers eine Gesundheitsgefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 oder eine unzumutbare Belästigung im Sinne der Z. 2 dieser Gesetzesstelle zu erwarten ist, das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen. Der Umstand allein, daß "eine merkbare Erhöhung des vorhandenen energieäquivalenten Dauerschallpegels der Umgebungsgeräusche" nicht zu erwarten ist, schließt nämlich das Auftreten derartiger Gefährdungen oder Belästigungen schon deshalb nicht von vornherein aus, weil, wie sich aus dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen zweifelsfrei ergibt, einzelne von der Betriebsanlage ausgehende Schallereignisse jedenfalls deutlich über dem auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers festgestellten Grundgeräuschpegel liegen und damit ihre Wahrnehmbarkeit durchaus gegeben ist.

    Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes in der zitierten Verordnung, die auch die Umsatzsteuer umfaßt, abzuweisen.

    Wien, am 9. September 1998

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