VwGH Ro 2014/05/0054

VwGHRo 2014/05/00544.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Höfrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lechner, über die Revision des Ing. Mag. G L in L, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in 4020 Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. Oktober 2013, Zl. IKD(BauR)-014115/15-2013- Gus/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. W N H; 2. D N H; 3. P N R, und 4. E G R), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1994 §35;
BauRallg;
ROG OÖ 1994 §18 Abs5;
ROG OÖ 1994 §18;
ROG OÖ 1994 §22;
ROG OÖ 1994 §30 Abs1;
BauO OÖ 1994 §35;
BauRallg;
ROG OÖ 1994 §18 Abs5;
ROG OÖ 1994 §18;
ROG OÖ 1994 §22;
ROG OÖ 1994 §30 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 16. Dezember 2008 beantragte der Revisionswerber die Erteilung der Baubewilligung für die Änderung des Verwendungszweckes des Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 1484/22, EZ 663, KG L, von Wohnnutzung auf Büronutzung.

2 Bei der mündlichen Bauverhandlung am 4. Februar 2009 erhoben A.N. und M.N., die Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Parteien im Eigentum an der westlich unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Nachbarliegenschaft Grundstück Nr. 1484/21, Einwendungen betreffend Immissionen.

3 Mit Bescheid vom 5. Februar 2009 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde L die beantragte Baubewilligung.

4 Dagegen erhoben A.N. und M.N. Berufung. Diese Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde L vom 27. März 2009 (auf Grund des Beschlusses vom 26. März 2009) als unbegründet abgewiesen.

5 Dagegen erhoben A.N. und M.N. Vorstellung, der mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. September 2009 keine Folge gegeben wurde.

6 Dagegen erhoben A.N. und M.N. Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 6. März 2012, V 116/11, den Flächenwidmungsplan Nr. 3, Änderung Nr. 17, der Gemeinde L, Beschluss des Gemeinderates vom 27. September 2007, soweit dieser für die als Grundstück Nr. 1484/22 bezeichnete Fläche die Widmung als gemischtes Baugebiet ausweist, als gesetzwidrig aufgehoben hat.

7 Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 2012, B 1270/09, wurde der Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. September 2009 aufgehoben, weil die Oberösterreichische Landesregierung eine gesetzwidrige Verordnung angewendet habe und es nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen sei, dass diese Anwendung für die Rechtsstellung der A.N. und M.N. nachteilig gewesen sei.

8 Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 24. September 2012 wurde der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde L vom 27. März 2009 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde L zurückverwiesen. Die Aufhebung und Zurückverweisung erfolgte nach der Bescheidbegründung "in Anlehnung an die Begründung und unter Beachtung der Feststellungen des Verfassungsgerichthofs".

9 Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde L vom 22. März 2013 wurde die Berufung der A.N. und M.N. gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde L vom 5. Februar 2009 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, auf Grund der Aufhebung des Flächenwidmungsplanes durch den Verfassungsgerichtshof sei keine Widmung vorhanden ("derzeit weißer Fleck") und es werde keine Widmungswidrigkeit des Bauvorhabens gesehen.

10 Dagegen erhoben A.N. und M.N. Vorstellung. Darin führten sie im Wesentlichen aus, dass eine ausschließliche Büronutzung, die beantragt sei, nicht zulässig sei. Die frühere Flächenwidmung sei nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof wieder aufgelebt. Es wäre willkürlich, nach Aufhebung der Flächenwidmung eine neuerliche Entscheidung damit zu begründen, dass keine Flächenwidmung vorliege. Die Verordnungsprüfung durch den Verfassungsgerichtshof wäre damit sinnlos. Es sei somit wieder "Wohngebiet" gegeben und die Baubewilligung unzulässig. Zu den lärmmäßigen und gesundheitsschädlichen Emissionen werde auf die im Verfahren bereits gemachten Äußerungen der Vorstellungswerber verwiesen und diese würden aufrecht erhalten.

11 Mit dem angefochtenen Vorstellungsbescheid wurde der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde L vom 22. März 2013 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde L zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Annahme eines "weißen Flecks" im Flächenwidmungsplan würde im Ergebnis bedeuten, dass der behördlichen Willkür Tür und Tor geöffnet wären, an dieser Stelle "irgend etwas" errichtet werden könnte und die Rechte der Nachbarn mangels möglicher Widmungswidrigkeit sehr eingeschränkt wären. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Verfassungsgerichtshof ein Wiederaufleben der vormaligen Widmung habe ansprechen wollen. Da er eine solche Aussage nicht getroffen habe, bleibe diese Schlussfolgerung der A.N. und M.N. "durchaus gewagt". Es seien aber verfassungsgesetzliche Grenzen mitzubedenken. Mangels ausdrücklicher Regelungen im Oberösterreichischen Raumordnungsgesetz 1994 (ROG) käme es zu dem widersinnigen Ergebnis, dass der erfolgreiche Beschwerdeführer nunmehr viel schlechter gestellt wäre als vor dem Normprüfungsverfahren. Dies verstieße gegen das Sachlichkeitsgebot. Allerdings handle es sich um keinen "weißen Fleck", da der Flächenwidmungsteil nur Teil der örtlichen Raumordnung sei und daneben jedenfalls das örtliche Entwicklungskonzept als Teil des Flächenwidmungsplanes gemäß § 18 Abs. 1 ROG zu beachten sei. Der Verfassungsgerichtshof habe nur die konkrete Flächenwidmung im planerischen Flächenwidmungsteil aufgehoben, auf das örtliche Entwicklungskonzept wirke diese Aufhebung nicht durch. Den Festlegungen im örtlichen Entwicklungskonzept komme normativer Charakter zu. Manche Bestimmungen würden sogar unmittelbar auf ein konkretes Bauverfahren durchschlagen und ein subjektives Nachbarrecht begründen. Gewisse Festlegungen, selbst wenn sie an sich im Flächenwidmungsteil des Flächenwidmungsplanes stehen sollten, seien auch dann verbindlich, wenn sie lediglich im örtlichen Entwicklungskonzept festgelegt wären. Sodann müsse die Bestimmtheit geprüft werden, ob nämlich diese Regelungen vollzogen werden könnten. Eine Prüfung der Zulässigkeit des Bauvorhabens auf Grund der Vorgaben des örtlichen Entwicklungskonzeptes sei durch den Gemeinderat nicht erfolgt. Die Festlegungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr. 1 (Beschluss des Gemeinderates vom 20. Juli 2000 bzw. 8. Februar 2001) wären jedoch zu beachten gewesen, und das Bauvorhaben wäre auch an ihnen zu messen gewesen. Mangels jeglicher Ermittlungstätigkeit zu dieser Frage sei der Bescheid des Gemeinderates aufzuheben gewesen, da eine Verletzung von subjektiven Rechten der Nachbarn durch Unterlassung jeglicher Prüfung des Bauvorhabens an den (mehr oder weniger bestimmten) Vorgaben des örtlichen Entwicklungskonzeptes durchaus wahrscheinlich sei und auch eine Prüfung der erteilten Bewilligung nach Maßgabe der Kriterien des örtlichen Entwicklungskonzeptes durch die Vorstellungsbehörde auf Grund des Fehlens jeglicher Ermittlungsschritte bzw. darauf aufbauender rechtlicher Aussagen der Gemeindebehörde nicht möglich sei.

12 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 3. März 2014, B 1301/2013, die Behandlung der Beschwerde ab. Begründend führte er aus, er habe mit seinem Vorerkenntnis nur den Flächenwidmungsteil des Flächenwidmungsplanes Nr. 3, Änderung Nr. 17, nicht aber das örtliche Entwicklungskonzept dieses Flächenwidmungsplanes aufgehoben, weshalb der belangten Behörde - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht vorzuwerfen sei, sie habe die Rechtswirkung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes verkannt.

13 Mit dem weiteren Beschluss vom 10. April 2014, B 1301/2013, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof ab.

14 In seinem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten, die als Revision geltende Beschwerde ergänzenden Schriftsatz stellte der Revisionswerber den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

15 Das an die Stelle der Oberösterreichischen Landesregierung getretene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte Ersatz für den Vorlageaufwand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Vorauszuschicken ist, dass in sinngemäßer Anwendung des § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013, vorzugehen ist, wenn der Verfassungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung erst nach dem Ablauf des 31. Dezember 2013 an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, sodass die Beschwerde als Revision gilt und für deren Behandlung nach § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß gelten (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 24. November 2015, Zl. Ro 2014/05/0073, mwN).

17 § 31 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66 (im Folgenden: BO), idF LGBl. Nr. 96/2006 lautet auszugsweise:

"§ 31

Einwendungen der Nachbarn

...

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.

..."

18 § 18 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 114/1993 (im Folgenden: ROG), idF LGBl. Nr. 1/2007 lautet auszugsweise:

"§ 18

Flächenwidmungsplan mit örtlichem Entwicklungskonzept

(1) Jede Gemeinde hat in Durchführung der Aufgaben der örtlichen Raumordnung durch Verordnung den Flächenwidmungsplan zu erlassen, weiterzuführen und regelmäßig zu überprüfen. Der Flächenwidmungsplan besteht aus

  1. 1. dem Flächenwidmungsteil und
  2. 2. dem örtlichen Entwicklungskonzeptteil (örtliches Entwicklungskonzept).

    Das örtliche Entwicklungskonzept ist auf einen Planungszeitraum von zehn Jahren, der Flächenwidmungsteil auf einen solchen von fünf Jahren auszulegen.

(2) Das örtliche Entwicklungskonzept hat als Grundlage der übrigen Flächenwidmungsplanung die längerfristigen Ziele und Festlegungen der örtlichen Raumordnung zu enthalten.

(3) Das örtliche Entwicklungskonzept besteht aus einer zeichnerischen Darstellung (Funktionsplan) und ergänzenden textlichen Festlegungen; es hat jedenfalls grundsätzliche Aussagen zu enthalten über:

1. das Baulandkonzept, das

a) den künftigen Baulandbedarf,

b) die räumliche und funktionelle Gliederung des Baulands

im Hinblick auf die künftige Siedlungs- und Wirtschaftsentwicklung

einschließlich der Festlegung von Funktionen und Entwicklungszielen,

c) die technische und soziale Infrastruktur und

d) die Sicherung eines wirksamen Umweltschutzes

festlegt; die abschätzbare Entwicklung möglicher

Baulanderweiterungen ist im Funktionsplan darzustellen;

2. das Verkehrskonzept mit den geplanten

Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinde im Bereich der örtlichen

Verkehrserschließung;

3. das Grünlandkonzept, das

a) die natürlichen Voraussetzungen und Umweltbedingungen,

b) die landschaftlichen Vorrangzonen unter besonderer

Berücksichtigung der Ökologie, des Landschaftsbildes und der

Landwirtschaft,

c) die Frei- und Erholungsflächen und

d) die Neuaufforstungsgebiete

festlegt.

(4) Der Flächenwidmungsplan darf den Raumordnungsprogrammen und Verordnungen gemäß § 11 Abs. 6 nicht widersprechen.

(5) In Übereinstimmung mit den Zielen und Festlegungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes ist im Flächenwidmungsteil (Abs. 1 zweiter Satz Z 1) für das gesamte Gemeindegebiet auszuweisen, welche Flächen als Bauland (§ 21 bis § 23), als Verkehrsflächen (§ 29) oder als Grünland (§ 30) gewidmet werden. Die Gemeinde hat dabei auf Planungen benachbarter Gemeinden und anderer Körperschaften öffentlichen Rechtes sowie auf raumbedeutsame Maßnahmen anderer Planungsträger möglichst Bedacht zu nehmen.

..."

19 § 30 ROG idF LGBl. Nr. 115/2005 lautet auszugsweise:

"§ 30

Grünland

(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen sind als Grünland zu widmen.

..."

20 Das Oberösterreichische Bautechnikgesetz, LGBl. Nr. 67/1994 (im Folgenden: BTG), in der Fassung

LGBl. Nr. 68/2011 lautet auszugsweise:

21 "...

§ 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

...

36. Schädliche Umwelteinwirkungen: Einwirkungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im besonderen für die Benützer der baulichen Anlagen und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung, Lärm oder Erschütterungen;

...

§ 3

Allgemeine Erfordernisse

Bauliche Anlagen müssen in allen ihren Teilen nach dem jeweiligen Stand der Technik so geplant und errichtet werden, daß

...

4. durch ihren Bestand und ihre Benützung schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden;

..."

22 Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, Nachbarn könnten aus dem örtlichen Entwicklungskonzept keine subjektiven Rechte ableiten. Das örtliche Entwicklungskonzept sei unselbstständiger Bestandteil des Flächenwidmungsplanes. Werde dieser aufgehoben, falle auch das örtliche Entwicklungskonzept weg. Im vorliegenden Fall bestehe somit keine Widmung, sondern ein "weißer Fleck". Fehle es demnach an einer Widmung, so gebe es keine Beschränkungen, die allenfalls im Interesse der Nachbarn gelegen sein könnten. Das örtliche Entwicklungskonzept sei nicht ausreichend bestimmt, um daraus subjektive Rechte ableiten zu können. Es werde als Verordnung erlassen und richte sich ausschließlich an die Gemeinde. Da keine Widmungen der Grundstücke im örtlichen Entwicklungskonzept festgelegt würden, entfalte es für den Grundeigentümer auch keine unmittelbare Bindungswirkung. Die gegenständliche Vorstellung wäre daher zurückzuweisen gewesen. Durch die meritorische Entscheidung habe die Oberösterreichische Landesregierung eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen. Außerdem hätten die Nachbarn in der Vorstellung gar kein subjektives Recht genannt, in dem sie hätten verletzt werden können. Die Nachbarn hätten in der Vorstellung auch nicht behauptet, dass das örtliche Entwicklungskonzept weiterhin gelte und ihnen ein subjektives Recht einräume. Auf die objektive Rechtswidrigkeit allein könne sich aber die Aufhebung eines Bescheides im Vorstellungsverfahren nicht stützen. Die belangte Behörde habe den Prüfungsumfang verletzt und dem Gemeinderat aufgetragen, den Bescheid an einer nicht in Geltung stehenden Norm zu messen. Bei Aufhebung eines Flächenwidmungsplanes durch den Verfassungsgerichtshof lebe der vorher in Kraft gestandene Flächenwidmungsplan nicht wieder auf. Für die betroffenen Grundstücke bestehe vielmehr Baufreiheit. Eigenständig gelten könne das örtliche Entwicklungskonzept nach der Aufhebung des Flächenwidmungsplanes nicht. Auch ein Bauverbot bis zur Neufestsetzung einer Widmung bestehe nicht.

23 Soweit der Revisionswerber eine Unzuständigkeit der Oberösterreichischen Landesregierung anspricht, ist zu bemerken, dass diese über eine Vorstellung im Rahmen des gemeinderechtlichen Aufsichtsverfahrens entschieden hat. Dabei kann ihr nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des Vorstellungsvorbringens von einer zulässigen Vorstellung ausgegangen ist. Die Frage, ob sie zu Recht von einer Verletzung der Vorstellungswerber in ihren subjektiven Rechten ausgegangen ist, betrifft nicht die Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde, sondern allenfalls die Rechtmäßigkeit ihres Bescheides.

24 Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem Erkenntnis vom 6. März 2012, V 116/11, den Flächenwidmungsplan aufgehoben, "soweit dieser für die als Grundstück Nr. 1484/22 bezeichnete Fläche die Widmung als ‚gemischtes Baugebiet' ausweist". Aufgehoben wurde somit nur die Widmung als "gemischtes Baugebiet", andere Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes wurden nicht aufgehoben.

25 Mit der Aufhebung traten die Widmungsbestimmungen, die vor der aufgehobenen Widmung gegolten haben, nicht wieder in Wirksamkeit (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Juni 2015, E 666/2015).

26 Mit der Aufhebung trat auch nicht die Widmung als Grünland gemäß § 30 Abs. 1 ROG in Kraft, weil dies einen entsprechenden Willensakt des zuständigen Gemeindeorganes zur Festlegung einer solchen Widmung vorausgesetzt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/05/0005).

27 Die somit fehlende Widmung kann der Erteilung einer Baubewilligung nicht entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, Zl. Ro 2015/05/0019).

28 Die Oberösterreichische Landesregierung ist allerdings davon ausgegangen, dass das örtliche Entwicklungskonzept von der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nicht betroffen sei und dass dieses Regelungen beinhalte, welche den Nachbarn in Bezug auf Immissionen subjektiv-öffentliche Rechte vermittelten.

29 Das örtliche Entwicklungskonzept bildet einen Teil des Flächenwidmungsplanes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 2007, Zl. 2006/05/0235, sowie vom 31. Juli 2012, Zl. 2010/05/0001). Das örtliche Entwicklungskonzept entfaltet jedenfalls Bindungswirkungen gegenüber der Gemeinde, die bei der Erstellung und Erlassung des Flächenwidmungsplanes die in ihm festgelegten Ziele zu berücksichtigen hat (vgl. § 18 Abs. 5 ROG). Im Hinblick auf die Einheit des Flächenwidmungsplanes mit dem örtlichen Entwicklungskonzept haben allfällige, eigentlich im Flächenwidmungsplan zu treffende Regelungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes die normativen Wirkungen eines Flächenwidmungsplanes. Sie sind daher bei der Prüfung im Baubewilligungsverfahren unter den im Folgenden genannten Voraussetzungen heranzuziehen (vgl. die zitierten hg. Erkenntnisse vom 31. Juli 2012 und vom 14. Dezember 2007 sowie das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2011, Zl. 2009/05/0343).

30 Ob das örtliche Entwicklungskonzept im Baubewilligungsverfahren beachtet werden muss, hängt jedoch vom Inhalt der jeweiligen Regelung des örtlichen Entwicklungskonzeptes ab: Regelungen, die sich nur an die Gemeinde richten und keine entsprechend konkreten Festlegungen beinhalten, sodass sie in einem Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen sein könnten, kommen als Prüfungsmaßstab im Baubewilligungsverfahren nicht in Frage (vgl. den hg. Beschluss vom 29. September 2015, Zl. Ra 2015/05/0055).

31 Die Oberösterreichische Landesregierung hat im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt, weshalb sie davon ausgegangen ist, dass - insbesondere vor dem Hintergrund des § 18 ROG - das örtliche Entwicklungskonzept Regelungen beinhaltet, die im Sinne der obigen Darlegungen den Mitbeteiligten ein subjektiv-öffentliches Recht in Bezug auf den Immissionsschutz allenfalls einräumten. Es wäre ihr aber oblegen, diese Frage zu behandeln, um ausreichend nachvollziehbar und nachprüfbar zu begründen, dass die Mitbeteiligten durch den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde L vom 22. März 2013 in ihren subjektivöffentlichen Rechten verletzt sind.

32 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

33 Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, dass dann, wenn sich aus dem örtlichen Entwicklungskonzept kein Immissionsschutz der Nachbarn ergeben sollte, zu überprüfen wäre, ob durch das Bauvorhaben an der Grundgrenze schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 2 Z. 36 BTG auftreten, weil diesbezüglich in Verbindung mit § 3 Z. 4 BTG auch ein Schutz der Nachbarn gegen Immissionen besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2016, Zl. Ro 2014/05/0065, mwN).

34 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.

35 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den verordnungsmäßigen Pauschalbeträgen bereits berücksichtigt ist und weil die beantragten Beträge zum Teil in den verordnungsmäßigen Pauschalbeträgen keine Deckung finden. Wien, am 4. November 2016

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