VwGH Ra 2015/22/0112

VwGHRa 2015/22/011212.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl und Hofrätin Mag.a Merl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache des *****, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. Juni 2015, VGW-151/063/34481/2014- 15, betreffend Aufenthaltstitel, den Beschluss gefasst:

Normen

AufG 1992 §6 Abs3 idF 1995/351;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AufG 1992 §6 Abs3 idF 1995/351;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste 1990 oder 1991 im Alter von sechs oder sieben Jahren in das Bundesgebiet ein und verfügte zunächst über Niederlassungsbewilligungen, zuletzt bis 5. November 2004. Nach fünf strafrechtlichen Verurteilungen wurde gegen ihn 2006 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von letztlich fünf Jahren verhängt. Der Revisionswerber kam jedoch seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und war zwischen Mai 2008 bis September 2011 ungeachtet dessen nicht behördlich im Bundesgebiet gemeldet. Nach seiner Heirat mit einer türkischen Staatsangehörigen, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfügt, am 31. Oktober 2007 und der Geburt seiner Tochter am 1. August 2009 beantragte der Revisionswerber die Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes; dieser Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen. Ein Asylantrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16. August 2012 abgewiesen und der Revisionswerber wurde aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 14. März 2013 wurde der Revisionswerber neuerlich strafgerichtlich gemäß § 83 Abs. 1 StGB - unter anderem wegen Verletzung seiner Ehefrau - verurteilt. Er ist nicht in den Arbeitsmarkt integriert. Seine gesamte Familie lebt in Österreich.

Verfahrensgegenständlich ist ein Antrag des Revisionswerbers vom 24. April 2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG), der vom Landeshauptmann von Wien wegen unzulässiger Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen wurde.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte das Verwaltungsgericht die wiederholten strafgerichtlichen Verurteilungen - zuletzt vom März 2013 - die mangelnde Integration am Arbeitsmarkt sowie die kontinuierliche Missachtung fremdenrechtlicher Bestimmungen und den Umstand, dass der Revisionswerber eine Familie zu einem Zeitpunkt gegründet habe, als gegen ihn ein Aufenthaltsverbot aufrecht war; zu Gunsten des Revisionswerbers sprächen sein langer Aufenthalt, seine guten Deutschkenntnisse sowie seine starken familiären Bindungen im Bundesgebiet. Zur Stillhalteklausel gemäß Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsabkommens EWG/Türkei führte das Verwaltungsgericht aus, § 21 Abs. 1 NAG stelle keine Verschärfung dar, weil sowohl gemäß § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz 1992 als auch gemäß § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 Erstanträge vom Ausland aus zu stellen gewesen seien. Eine ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

Die Revision führte in ihrer Zulassungsbegründung gemäß § 28 Abs. 3 VwGG aus, das Verwaltungsgericht weiche von der ständigen hg. Rechtsprechung ab. Auch bei der Anwendung der Stillhalteklausel habe es die Rechtslage verkannt. Der Revisionswerber habe unstrittig bereits rechtmäßig seit Jahren in Österreich gelebt, sei dann seines "Aufenthaltstitels" aufgrund eines Aufenthaltsverbotes verlustig geworden, sei aber durchgehend in Österreich verblieben und habe schließlich neuerlich einen Aufenthaltstitel beantragt; die Rechtslage, wonach Anträge auch bei Personen, die vormals über Aufenthaltsberechtigungen verfügt hätten, nunmehr als Erstanträge zu werten seien, stelle jedenfalls eine massive Verschlechterung im Sinn der Stillhalteklausel dar, sodass zu beurteilen gewesen wäre, ob überhaupt ein Erstantrag vorliege. Zu dieser Frage gebe es noch keine hg. Rechtsprechung.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Der Revisionswerber legte in den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG nicht konkret dar, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des VwGH abweicht (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. Februar 2015, Ra 2014/01/0172, mwN; im Übrigen reicht auch die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen von Entscheidungen des VwGH nicht: vgl. den hg. Beschluss vom 28. Februar 2014, Ro 2014/16/0004). Sofern der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auf die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK bzw. § 11 Abs. 3 NAG abzielt, ist ihm im Übrigen zu entgegnen, dass eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen - sofern sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 26. März 2015, Ra 2014/22/0210, mwN).

Die Revision bringt weiter vor, der Sachverhalt hätte in Bezug auf die "Stillhalteklausel" des Assoziationsabkommen EWG/Türkei und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH und des VwGH beurteilt werden müssen. Auch wenn Erstanträge bereits nach dem Aufenthaltsgesetz 1992 vom Ausland aus einzubringen gewesen seien, habe sich das Verwaltungsgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob dies auch auf die Konstellation des Revisionswerbers zutreffe. Die Rechtslage, wonach Anträge auch bei Personen, die vormals über Aufenthaltsberechtigungen verfügt hätten, nunmehr als Erstanträge zu werten seien, stelle jedenfalls eine massive Verschlechterung im Sinn der "Stillhalteklausel" dar, sodass zu beurteilen gewesen wäre, ob überhaupt ein Erstantrag vorliege.

Dem ist entgegen zu halten, dass sich bereits aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz in der günstigeren Fassung BGBl. Nr. 351/1995 klar ergibt, dass Verlängerungsanträge vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung zu stellen waren. Dies ist vorliegend unstrittig nicht der Fall. Von welcher Rechtsprechung des EuGH und des VwGH das Verwaltungsgericht abgewichen sei, legte die Revision auch zu diesem Punkt nicht konkret dar (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom 17. Februar 2015, Ra 2014/01/0172). Im Übrigen hätte nach jeglicher Rechtslage die rechtskräftige Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Ungültigkeit eines Aufenthaltstitels geführt.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2015

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