VwGH Ra 2015/22/0008

VwGHRa 2015/22/000830.7.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revision der A V, vertreten durch die CMS Reich-Rohrnig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. Dezember 2014, VGW- 151/081/32311/2014-5, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Revisionswerberin, eine serbische Staatsangehörige, beantragte am 3. Juli 2014 die Erteilung des Aufenthaltstitels für den Zweck "Künstler" gemäß § 61 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Diesen Antrag wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 19. September 2014 mit der Begründung ab, eine Anfrage an das Arbeitsmarktservice Wien habe ergeben, dass eine allfällige Arbeitsleistung als Grafikdesignerin keine künstlerische Tätigkeit im Sinn des Ausländerbeschäftigungsgesetzes darstelle und die Voraussetzungen gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 NAG somit nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde. Begründend führte sie aus, obwohl sie eine Ausbildung als Grafikdesignerin abgeschlossen habe, gehe aus dem (im Zuge der Antragstellung) vorgelegten Werkekatalog klar hervor, dass sie als selbständige Kunstmalerin tätig sei.

Das Verwaltungsgericht Wien forderte die Revisionswerberin mit Schreiben vom 4. November 2014 (dem Rechtsvertreter am 7. November 2014 zugestellt) auf, binnen zwei Wochen den der gegenständlichen selbständigen künstlerischen Tätigkeit zugrunde liegenden Vertrag sowie einen Nachweis über die künstlerische Ausbildung oder eine Beschreibung der bisherigen Tätigkeit im angestrebten Berufsfeld vorzulegen.

Mit Schreiben vom 19. November 2014 teilte der Rechtsvertreter der Revisionswerberin mit, er habe die Revisionswerberin nicht erreichen können. Sie sei wegen der Präsentation ihrer Kunstwerke in einer Galerie von 27. Oktober 2014 bis zum 11. November 2014 in Wien aufhältig gewesen und befinde sich - aufgrund der "3 - Monats - Frist" - nunmehr wieder in Serbien. Es sei ihm daher nicht möglich, die gesetzte Frist von zwei Wochen zur Urkundenvorlage einzuhalten und er ersuche um Fristerstreckung. Er halte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht für sinnvoll, damit die Revisionswerberin über ihre Ausbildung und künstlerischen Pläne sprechen könne.

Über diesen Fristerstreckungsantrag wurde nicht entschieden.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig. Begründend führte es aus, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes treffe den Antragsteller im Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels als Künstler die Obliegenheit, die künftige Einkommenserzielung durch Verträge oder etwa Vorverträge glaubhaft zu machen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 6. August 2009, 2008/22/0639). Die anwaltlich vertretene Revisionswerberin habe weder behauptet noch glaubhaft gemacht, dass sie aufgrund ihrer angestrebten künstlerischen Tätigkeit ein Einkommen erzielen werde, das ihren Unterhalt decke. Der am 7. November 2014 an die Revisionswerberin ergangenen Aufforderung, den der gegenständlichen selbständigen künstlerischen Tätigkeit zugrunde liegenden Vertrag vorzulegen, sei sie nicht nachgekommen. Aufgrund der Ausführungen ihres Rechtsvertreters, er ersuche mangels Kontaktmöglichkeit um Fristerstreckung, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein derartiger Vertrag überhaupt existiere.

Die Revisionswerberin erfülle daher die besonderen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 NAG nicht, weil sie eine zukünftige Einkommenserzielung nicht nachgewiesen habe. Eine Prüfung dahingehend, ob ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegen bestimmter Erteilungshindernisse erteilt werden könne, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei, habe mangels Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzung unterbleiben können (Hinweis u.a. auf das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2009, 2008/22/0209).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können, zumal der gegenständliche Verwaltungsakt erkennen lasse, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse.

Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Revisionswerberin bringt als Zulassungsvoraussetzung unter anderem vor, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es die von ihr beantragte mündliche Verhandlung nicht durchgeführt habe.

Damit zeigt die Revision eine Rechtsfrage auf, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision ist auch berechtigt.

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen, welche der Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Als Ausnahme von dieser Regel kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dies ist dann der Fall, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann (vgl. zu den Voraussetzungen, inwiefern das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt, die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/21/0039, und vom 15. März 2014, Ra 2014/06/0033) und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007).

Dass im vorliegenden Fall kein geklärter Sachverhalt vorlag und auch nicht davon ausgegangen werden konnte, dass eine Verhandlung keine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen hätte erwarten lassen, zeigt allein schon der (Verbesserungs‑)Auftrag vom 4. November 2014, in welchem die Revisionswerberin aufgefordert wurde, einen Vertrag betreffend ihre selbständige künstlerische Tätigkeit sowie einen Nachweis über die künstlerische Ausbildung oder eine Beschreibung der bisherigen Tätigkeit im angestrebten Berufsfeld vorzulegen. Im rechtzeitig eingebrachten Fristverlängerungsantrag wies der Rechtsvertreter der Revisionswerberin auf eine in Wien erfolgte Ausstellung ihrer Bilder hin; darüber hinaus solle die Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung über ihre Ausbildung und künstlerischen Pläne sprechen können. Aufgrund dieses Vorbringens kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verhandlung etwas zur Ermittlung der materiellen Wahrheit hätte beitragen können.

Da die Voraussetzungen vom Absehen einer Verhandlung nicht vorlagen, war das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren hinsichtlich der "Pauschalgebühr" in der Höhe von EUR 240,-- war abzuweisen, weil eine solche auf Grund der zuerkannten Verfahrenshilfe nicht zu entrichten war.

Wien, am 30. Juli 2015

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