VwGH Ra 2015/19/0149

VwGHRa 2015/19/014915.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, den Hofrat Mag. Feiel und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Revision der D N in W, vertreten durch Mag. Markus Adam, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Färbergasse 10/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 2015, G308 2014403-1/5E, betreffend AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige von Serbien, stellte am 27. August 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie gab an, dass sie in Serbien als im Kosovo Geborene keine Arbeit bekomme und schlecht behandelt werden würde. Zuletzt habe sie in Montenegro gelebt. Außerdem wolle sie bei ihrer Mutter und ihrem Bruder sein, die ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt hätten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 1. November 2014 den Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde machte die Revisionswerberin geltend, dass ihr Vorbringen, in Serbien keine ausreichende Lebensgrundlage zu haben, nicht ohne konkrete Recherchen als irrelevant zurückgewiesen werden hätte dürfen. Die Behörde habe sich mit der persönlichen Situation der Revisionswerberin in Österreich nicht ausreichend auseinandergesetzt und nicht berücksichtigt, dass sich die Mutter und der minderjährige Halbbruder der Revisionswerberin in Österreich befinden würden. Die psychisch kranke Mutter könne ihren Sohn nicht adäquat betreuen.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde zur Gänze als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Begründend führte es aus, dass im Hinblick auf die ausschließlich persönlichen und wirtschaftlichen Beweggründe für das Verlassen des Herkunftsstaates nicht von einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen sei. Bei der Revisionswerberin handle es sich um eine gesunde, junge Frau, bei der die Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, zumal sie über eine mehrjährige Schulausbildung verfüge und als Krankenschwester und Kassiererin gearbeitet habe. Sie werde in der Lage sein, sich mit den bislang ausgeübten Tätigkeiten, allenfalls mit Gelegenheitstätigkeiten, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Die Revisionswerberin habe in ihrer Beschwerde nicht dargelegt, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf ihre individuelle Situation auswirken würde und sie einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Subsidiärer Schutz sei daher nicht zu gewähren gewesen. Die Behörde habe auch zu Recht keinen Aufenthaltstitel erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung für zulässig erklärt. Die Revisionswerberin habe keine in Österreich lebenden Verwandten, denen ein Aufenthaltsrecht zukomme, ihre Mutter und ihr Halbbruder hätten lediglich einen Status als Asylwerber und würden mit der Revisionswerberin nicht im selben Haushalt wohnen. Es gebe, schon im Hinblick auf die äußerst kurze Aufenthaltsdauer, keine Anhaltspunkte für eine besonders berücksichtigungswürdige Integration der Revisionswerberin in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Die Revision bringt zur Zulässigkeit zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es sich mit den Angaben der Revisionswerberin zur Fluchtgeschichte, insbesondere zu ihrer mangelnden Existenzgrundlage, und der formelhaften Aufnahme der Länderfeststellungen in sein Erkenntnis begnügt, keine konkreten fallbezogenen Ermittlungen durchgeführt und somit keinen eine Plausibilitätsprüfung erst ermöglichenden Bezug der Länderfeststellungen zum Vorbringen der Revisionswerberin hergestellt habe.

Wenn die Revisionswerberin vermeint, dass das Bundesverwaltungsgericht weitere Ermittlungen zu ihrem Vorbringen durchführen sowie fallbezogene Recherchen hätte anstellen müssen, ist dem zu entgegnen, dass die Zulässigkeit einer Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass es abstrakt möglich sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren -

Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 6. Juli 2015, Ra 2015/19/0141, mwN). Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision nicht, weil sie nicht ansatzweise aufzeigt, welche Ergebnisse bei der Durchführung der von ihr geforderten Ermittlungen zu erwarten gewesen wären.

Dem Bundesverwaltungsgericht kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn es unter dem allgemein gehaltenen Vorbringen der Revisionswerberin, dass sie in Serbien als im Kosovo Geborene keine Arbeit finden und keine "Lebensgrundlage" haben würde, eine Asylgewährung abgelehnt hat. Auch für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz bieten der festgestellte Sachverhalt und das Vorbringen der Revisionswerberin keine Grundlage, zumal daraus nicht hervorgeht, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

2.2. Die Revision bringt zur Zulässigkeit weiters vor, dass das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verhandlung durchgeführt habe. Die Revisionswerberin habe in ihrer Beschwerde besonders auf ihre persönliche und familiäre Situation, nämlich ihre psychisch kranke Mutter und den minderjährigen Halbbruder mit anhängigen Asylverfahren in Österreich hingewiesen. Der von der Behörde festgestellte Sachverhalt sei somit nicht nur unsubstantiiert bestritten worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, näher mit den - die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung regelnden - Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ("wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint") auseinandergesetzt (vgl. insoweit auch den hg. Beschluss vom 18. Juni 2014, Ra 2014/20/0002). Dass das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung im gegenständlichen Fall abgewichen wäre, vermag die Revision nicht mit Erfolg aufzuzeigen.

In der Beschwerde wurde geltend gemacht, der Halbbruder sei derzeit durch die Mutter rechtlich vertreten, diese könne jedoch dieser Verpflichtung nicht nachkommen, weil sie psychisch krank sei. Der Halbbruder (Anmerkung: geboren 1997) sei deshalb verzweifelt und habe keine für ihn notwendige Betreuung. Aufgrund der Krankheit der Mutter sei die Anwesenheit der Revisionswerberin dringend geboten.

Die Frage, ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. den hg. Beschluss vom 2. Dezember 2014, Ra 2014/18/0100).

Vor diesem Hintergrund wurde in der Beschwerde kein für die rechtliche Beurteilung relevanter Sachverhalt substantiiert behauptet, aus dem ein Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK als unverhältnismäßig ableitbar qualifiziert werden könnte. Die Revisionswerberin legte insbesondere nicht dar, inwieweit sie ihre Angehörigen derzeit betreue oder weshalb die Betreuung ausschließlich durch sie erfolgen müsse.

Im Ergebnis zeigt die Revision nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob es von der Durchführung einer Verhandlung Abstand nehmen durfte, die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien nicht eingehalten hätte.

Die Revision war daher mangels Aufzeigen von Rechtsfragen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2015

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