VwGH Ra 2015/11/0004

VwGHRa 2015/11/000427.4.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision der A L, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2014, Zl. W141 2012322-1/3E, betreffend Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz (belangte Behörde: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Sozialministeriumservice), zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
MRK Art6;
VOG 1972 §2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Erkenntnis wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) durch Ersatz des Verdienstentganges als unbegründet abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht erklärte die Erhebung einer Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-Verwaltungsgericht für unzulässig.

In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht nach ausführlicher Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere der eingeholten Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. fest, die (im Jahr 1965 geborene) Revisionswerberin sei in den Jahren 1969 bis 1982 im Kloster X. und danach im Heim Y. untergebracht gewesen und dort mit Wahrscheinlichkeit Opfer körperlicher und psychischer Gewalt geworden. Außerdem sei die Revisionswerberin mit Wahrscheinlichkeit Opfer sexueller Übergriffe durch ihren Vater gewesen. Zu den näheren Details wurde auf die Darstellung des Verfahrensganges verwiesen.

Sodann führte das Verwaltungsgericht aus, dass die (verbrechens-)kausalen Gesundheitsschädigungen der Revisionswerberin (nach den erwähnten Gutachten: generalisierte Angststörung) keine wesentliche Ursache für die Berufsunfähigkeit der Revisionswerberin seien. Vielmehr wäre aus medizinischer Sicht eine kontinuierliche Beschäftigung der Revisionswerberin auch ohne diese Gesundheitsschädigungen nicht möglich gewesen, weil diese aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, eine Berufsausbildung zu absolvieren.

In der Beweiswürdigung verwies das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf die erwähnten neurologisch-psychiatrischen Gutachten, wonach die Revisionswerberin einer geregelten Arbeit nur in besonders geschütztem Rahmen, wie etwa einer geschützten Werkstätte oder bei der Lebenshilfe, hätte nachgehen können. Nach den Gutachten habe die Revisionswerberin eine angelernte Tätigkeit als Büglerin über kurze Zeit ausüben können. Die bei der Revisionswerberin fachärztlich festgestellten Störungen, nämlich die im Gutachten beschriebene "leichte Intelligenzminderung", hätten zwar eine Ausbildung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verhindert, diese aber möglicherweise erschwert. Daher sei das Hauptproblem der Schul- und Berufsausbildung der Revisionswerberin jedenfalls in ihrer "geistigen Behinderung" gelegen. Die Arbeitsunfähigkeit der Revisionswerberin resultiere somit insbesondere aus der "intellektuellen Minderbegabung" der Revisionswerberin, eine kontinuierliche Beschäftigung wäre aus medizinischer Sicht auch ohne die (verbrechens-)kausale Gesundheitsschädigung nicht möglich gewesen.

Vor diesem Hintergrund gelangte das Verwaltungsgericht nach der Wiedergabe der maßgebenden Bestimmungen des VOG in seiner rechtlichen Beurteilung zur Ansicht, dass die verbrechenskausale Gesundheitsschädigung der Revisionswerberin nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als wesentliche Ursache für die Berufsunfähigkeit und den Verdienstentgang der Revisionswerberin angenommen werden könne.

Vielmehr hätten der Revisionswerberin schon nach früheren ärztlichen Beurteilungen aufgrund ihrer geistigen Behinderung nur "vereinfachte" körperliche und geistige Tätigkeiten bei gleichzeitiger Notwendigkeit überdurchschnittlicher Pausen zugemutet werden können. Ergänzend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Revisionswerberin laut Mitteilung des Arbeitsmarktservice an einer Arbeitstrainingsmaßnahme für Sonderschulabgängerinnen und an einer Arbeitserprobung im Verein J. teilgenommen habe. Eine "weitere Maßnahme" des Arbeitsmarktservice sei im Jahr 1988 noch am selben Tag beendet worden, weil laut amtsärztlichem Vermerk ein schwerer geistiger Entwicklungsrückstand bestehe, wodurch die Revisionswerberin nicht in der Lage sei, selbständig eine Arbeit anzunehmen.

Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf § 24 Abs. 4 VwGVG damit, dass eine Verhandlung auch gemäß Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC nicht erforderlich gewesen sei, weil die gegenständliche Frage auf gutachterlicher Basis zu beantworten und der Fall daher durch seine "technische" Natur im Sinne näher zitierter Judikatur des EGMR gekennzeichnet sei. Daher habe das Verwaltungsgericht unter Beachtung der Verfahrensökonomie und -effizienz von der Durchführung der Verhandlung, von der eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten gewesen sei, Abstand genommen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Das Verwaltungsgericht legte die Akten des bisherigen Verfahrens vor, die belangte Behörde (Sozialministeriumservice) erstattete eine Gegenschrift.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Verbrechensopfergesetz (VOG), BGBl. Nr. 288/1972 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 71/2013 lautet auszugsweise:

"§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

...

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre

Erwerbsfähigkeit gemindert ist. ...

(3) Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn

1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder

2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird.

...

§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;

...

§ 3. (1) Hilfe nach § 2 Z 1 ist monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst oder den Hinterbliebenen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt entgangen ist oder künftighin entgeht. Sie darf jedoch zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 den Betrag von monatlich 2 068,78 Euro nicht überschreiten. ...

...

§ 3a. Zum Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges gebührt eine einkommensabhängige Zusatzleistung in dem Ausmaß, als die Ersatzleistung und das Einkommen im Sinne des § 292 ASVG die Höhe des jeweiligen dem Familienstand des Antragstellers entsprechenden aktuellen Richtsatzes gemäß § 293 ASVG nicht erreicht, sofern kein Anspruch auf eine Ausgleichszulage besteht. ...

...

§ 10. (1) Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist.

..."

2.1. Die Revisionswerberin erachtet ihre Revision trotz des gegenteiligen Ausspruches durch das Verwaltungsgericht u. a. deshalb für zulässig, weil Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung in Verfahren nach dem Verbrechensopfergesetz fehle, speziell wenn es, wie im vorliegenden Fall, um die Frage der Ursächlichkeit der Arbeitsunfähigkeit gehe, für deren Beantwortung nach Ansicht der Revisionswerberin auch der persönliche Eindruck entscheidend sei.

Die Revision sei außerdem zulässig, weil das Verwaltungsgericht abweichend von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angebotene Beweise (Einvernahme der Revisionswerberin und ihres Sachwalters, Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens) nicht aufgenommen habe.

2.2. Die Revision ist wegen noch fehlender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Verhandlungspflicht gemäß § 24 VwGVG in Verfahren über Ansprüche, wie sie u.a. nach dem VOG vorgesehen sind, zulässig.

2.3. Die Revision ist auch begründet:

2.3.1. Der § 24 VwGVG lautet:

"§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

2.3.2. Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin unstrittig die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht beantragt. Daher durfte das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Verhandlung nur dann absehen, wenn die Akten erkennen ließen, dass durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstanden.

Ein Entfall der Verhandlung kommt regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2014, Zl. Ro 2014/09/0049, mwN und mit Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien).

2.3.3. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts seien gegenständlich die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG für den Entfall der mündlichen Verhandlung erfüllt, weil einerseits durch eine Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten und andererseits der entscheidungsrelevante Sachverhalt auf Basis von Gutachten zu klären gewesen sei, sodass aufgrund der "technischen Natur" des Falles das Unterbleiben der Verhandlung nach der Judikatur des EGMR zu keinem Verstoß gegen Art. 6 EMRK führe.

2.4. Die Rechtsansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof aus nachstehenden Überlegungen nicht geteilt:

Vorangestellt sei, dass die Revisionswerberin und das Verwaltungsgericht (zu Recht) übereinstimmend davon ausgehen, dass es sich beim gegenständlichen begehrten Ersatz des Verdienstentganges um ein "civil right" im Sinne des Art. 6 EMRK handelt, weil es um ein wirtschaftlich signifikantes Recht geht, das in die Existenzgrundlage der Revisionswerberin eingreift (vgl. EGMR vom 24. Juni 1993, Schuler-Zgraggen v. Switzerland, Application no. 14518/89).

2.4.1. Soweit sich das Verwaltungsgericht auch zur Zulässigkeit des Entfalls der Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK auf das genannte Urteil des EGMR vom 24. Juni 1993, Schuler-Zgraggen v. Switzerland, beruft, so war der diesem Urteil zugrunde liegende Fall dadurch gekennzeichnet, dass die dortige Beschwerdeführerin eine Verhandlung gar nicht beantragt hatte. Schon deshalb ist dieser Fall mit dem gegenständlichen nicht vergleichbar.

2.4.2. Auch aus dem Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 12. April 2012, Eriksson gegen Schweden, Application no. 60437/08, ist für die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts nichts zu gewinnen. Das Unterbleiben der Verhandlung führte in diesem Fall nur deshalb zu keiner Verletzung des Art. 6 EMRK, weil es der Beschwerdeführer verabsäumt hatte, schon vor dem erstinstanzlichen Gericht eine Verhandlung zu beantragen (vgl. Rz 67 ff des Urteils). Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin jedoch bereits in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Durchführung einer Verhandlung beantragt.

2.4.3. In dem dem Urteil des EGMR vom 7. Dezember 2010, Andersson v. Sweden, Application no. 17202/04, zugrunde liegenden Fall, in dem eine Verhandlung beantragt worden war, ging es um die durch medizinische Gutachten zu klärende Frage, ob die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers kausal für seine Gesundheitsschädigung war und der Beschwerdeführer daher Anspruch auf Entschädigung hatte. Der EGMR bejahte das Vorliegen eines "civil right", trat aber der Ansicht entgegen, dass es sich dabei um einen Fall handle, der nur technischer Natur und daher ausnahmsweise von der Verhandlungspflicht des Art. 6 EMRK ausgenommen sei. Nach Ansicht des EGMR sei gerade die Frage der Kausalität von Gesundheitsschädigungen sehr sorgfältig zu erörtern. Die Durchführung einer Verhandlung könne dabei sehr wohl zur Klärung beitragen, weil die medizinischen Sachverständigen in einer Verhandlung ihre Gutachten präzisieren können und der Betroffene seine persönliche Situation darlegen könne (vgl. Rz 56 ff des Urteils).

2.4.4. Wie erwähnt hat die Revisionswerberin schon in ihrer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht die Durchführung einer Verhandlung beantragt. Unstrittig ist, dass die Revisionswerberin bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses berufsunfähig war. Gegenständlich geht es im Kern um die Frage, ob die Berufsunfähigkeit der Revisionswerberin mit Wahrscheinlichkeit (erst) durch die genannten Straftaten verursacht wurde oder schon davor (insbesondere wegen der festgestellten leichten Intelligenzminderung der Revisionswerberin) gegeben war. Diese Beurteilung hängt entscheidend davon ab, ob nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 2014, Zl. 2013/11/0219, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 26. April 2013, Zl. 2012/11/0001). Die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges, die Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 2008, Zl. 2006/09/0043, mwN), ist daher auf der Grundlage der ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu beurteilen. Da es sich dabei, wie sich aus dem zitierten Urteil des EGMR, Andersson v. Sweden, ergibt, nicht bloß um eine Frage technischer Natur handelt und auch nicht von vornherein anzunehmen ist, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nichts zur Klärung der Rechtssache beitragen kann, hätte das Verwaltungsgericht nicht davon ausgehen dürfen, dass das Unterbleiben der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung nicht gegen Art. 6 EMRK verstößt.

2.4.5. Im vorliegenden Fall ist sogar evident, dass die Durchführung einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG zur weiteren Klärung der Rechtssache und zu einem für die Revisionswerberin allenfalls günstigeren Ergebnis hätte führen können. So ist die medizinische Sachverständige in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, die Revisionswerberin leide unter einer "leichten Intelligenzminderung F70", wobei die Mehrzahl der davon Betroffenen "für eine Arbeit anlernbar" sei. Auch der (im angefochtenen Erkenntnis auf Seite 13 zitierte) psychopathologische Status der Revisionswerberin spricht nicht offensichtlich für eine Arbeitsunfähigkeit schon aufgrund der leichten Intelligenzminderung der Revisionswerberin. Es ist daher ohne weitere Befragung der Sachverständigen im Rahmen einer Verhandlung nicht nachvollziehbar, weshalb schon alleine die "leichte Intelligenzminderung" der Revisionswerberin - die nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bereits als Büglerin gearbeitet hat - zur (gänzlichen) Arbeitsunfähigkeit (also nicht bloß zur Minderung ihrer Arbeitsfähigkeit) geführt haben sollte und die verbrechenskausale Gesundheitsschädigung der Revisionswerberin (Angststörung) als mögliche weitere wesentliche Ursache ausscheidet (vgl. zur Frage der Kausalität bei mehreren möglichen Ursachen und zur sog. Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2015, Zl. 2013/11/0021, mwN).

2.4.6. Da es im Übrigen nicht in den alleinigen Fachbereich des medizinischen Sachverständigen fällt, die Chancen einer unter Intelligenzminderung leidenden Person auf dem Arbeitsmarkt zu beurteilen, hätte außerdem, wie die Revisionswerberin zutreffend einwendet, das Gutachten eines für den Arbeitsmarkt zuständigen Sachverständigen eingeholt werden müssen. Hätte die Revisionswerberin nämlich trotz ihrer leichten Intelligenzminderung (deren medizinische Auswirkungen, insbesondere was die Verhaltensweisen der davon betroffenen Person anlangt, im ärztlichen Gutachten zu beschreiben sind) am Arbeitsmarkt wenigstens einer einfachen Beschäftigung nachgehen können, so spräche einiges dafür, dass ihre nunmehrige gänzliche Berufsunfähigkeit zumindest mit Wahrscheinlichkeit durch die verbrechenskausale Gesundheitsschädigung (Angststörung) (mit-)verursacht ist.

3. Da das Unterlassen der Verhandlung nach dem Gesagten auf einer unrichtigen Beurteilung der Rechtslage durch das Verwaltungsgericht beruht, war das angefochtene Erkenntnis (unbeschadet des erwähnten zusätzlichen Verfahrensmangels) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Das Begehren auf Ersatz der Eingabegebühr nach § 24a Z 1 VwGG war abzuweisen, weil diese Gebühr gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nur zu ersetzen ist, wenn sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten war, was gegenständlich zufolge § 11 Abs. 2 VOG nicht der Fall ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2015, Zl. 2012/11/0209, mwN).

Wien, am 27. April 2015

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