VwGH Ra 2015/05/0039

VwGHRa 2015/05/003929.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der S S in G, vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in 1010 Wien, Kärntner Straße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 8. April 2015, Zl. LVwG-150321/5/DM/Ka - 150322/5, betreffend einen Bauauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Stadtgemeinde Gallneukirchen, 4210 Gallneukirchen, Reichenauer Straße 1; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung),

Normen

BauO OÖ 1994 §49;
BauRallg;
BauTG OÖ 2013 §2 Z5;
BauTG OÖ 2013;
ROG OÖ 1994 §31;
VwRallg;
BauO OÖ 1994 §49;
BauRallg;
BauTG OÖ 2013 §2 Z5;
BauTG OÖ 2013;
ROG OÖ 1994 §31;
VwRallg;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses (Zurückweisung einer Beschwerde) richtet, zurückgewiesen;

und II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen (im Umfang seines Spruchpunktes I.) wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Gallneukirchen hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Die Revisionswerberin und L. sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes Nr. 443/5 (KG G.) in der Stadtgemeinde G. (im Folgenden: Gemeinde).

Im "Bebauungsplan Nr. 70 Punzenberg 2" dieser Gemeinde (Beschluss des Gemeinderates vom 28. September 2004, genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. März 2005) heißt es unter Punkt "G4 GELÄNDEVERÄNDERUNGEN":

"DIE HÖHE VON ABGRABUNGEN, ANSCHÜTTUNGEN UND STÜTZMAUERN DARF

JE NACH GELÄNDENEIGUNG 1,0 - 1,5 M NICHT ÜBERSCHREITEN, GEMESSEN

VOM GEWACHSENEN GELÄNDE".

Mit Eingabe vom 24. Oktober 2013 zeigten die Revisionswerberin und L. bei der Baubehörde die beabsichtigte Ausführung einer "befestigten begrünten Böschung" auf diesem Grundstück an.

In einem Aktenvermerk der Baubehörde vom 26. November 2013 hielt der bautechnische Amtssachverständige unter Hinweis auf Punkt G4 des genannten Bebauungsplanes fest, dass, ausgehend vom "Urgeländeverlauf", welcher mit dem bewilligten Bauplan vom 26. Juni 2008 verglichen worden und nachvollziehbar sei, die beantragte Geländeanschüttung zweifelsfrei eine Höhe von mehr als 1,5 m habe, wodurch keine Übereinstimmung mit der genannten Bestimmung des Bebauungsplanes bestehe. Bei der Begehung am 17. Oktober 2013 sei festgestellt worden, dass mit den Geländeanschüttungen bereits begonnen worden sei.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2013 traf die Bürgermeisterin der Gemeinde in Bezug auf die Bauanzeige vom 24. Oktober 2013 den folgenden Ausspruch:

"1. Gemäß § 25a, Abs. 1 O.ö. BauO 1994, LGBl. 66/1994 idF. LGBl. 34/2013 wird Ihnen die Ausführung obgenannten Bauvorhabens untersagt.

2. An allen absturzgefährdenden Stellen sind standsichere Geländer auszuführen. ...

3. Die bereits begonnenen Erdanschüttungen sind auf den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen bzw. nach den Vorgaben des Bebauungsplanes Nr. 70, Punkt G4, auszuführen."

Der von der Revisionswerberin und L. gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde auf Grund des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde (im Folgenden: Gemeinderat) vom 27. März 2014 mit Bescheid vom selben Tag (u.a.) gemäß § 25a Abs. 5 Z 2 und § 49 Abs. 6 Oö. Bauordnung 1994 (BauO) dahin teilweise stattgegeben, dass Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides ersatzlos behoben und in Spruchpunkt 3. dieses Bescheides eine Frist zur Wiederherstellung (des ursprünglichen Zustandes) festgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

In diesem Berufungsbescheid führte der Gemeinderat (u.a.) aus, bei der vorgefundenen Baulichkeit, welche die Grünfläche vor der Terrasse um ca. 1,20 m verbreitere und die eine geländestützende Funktion aufweise, handle es sich laut Überprüfung der S.- GmbH um das "bewehrte Erde System 'Tencate'". Diese Anlage sei als Stützmauer anzusehen. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht, wie von der Revisionswerberin und L. behauptet, um zwei Stützmauern mit jeweils einer Höhe von 1,20 m und 1,40 m, sondern augenscheinlich vielmehr um eine Stützmauer mit einer Gesamthöhe von 2,60 m über dem gewachsenen Gelände.

Wenn vorgebracht werde, die Baubehörde hätte als maßgebliches gewachsenes Geländeniveau das mit Bescheid vom 2. Oktober 2008 behördlich genehmigte heranziehen müssen, sei dazu festzustellen, dass der im Bebauungsplan vorhandene Begriff "gewachsenes Gelände" dem Urgelände zum Zeitpunkt der Bauplatzbewilligung gleichzusetzen sei. Eine andere Auslegung würde zwangsläufig eine Umgehung der betreffenden Bebauungsvorschrift Tür und Tor öffnen. So wäre es diesfalls nämlich leicht möglich, einfach durch ein zeitlich nacheinander gelagertes "scheibchenweises" Vornehmen von Anschüttungen die 1,5-Meter-Grenze des Bebauungsplanes auszuhebeln, was sicher nicht in der Absicht des Verordnungsgebers (Gemeinderates) sei.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerberin und L. Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht).

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde unter Spruchpunkt I. die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen und die Frist zur Wiederherstellung (des ursprünglichen Zustandes) mit acht Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses festgesetzt (Punkt I.1.) sowie ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis unzulässig ist (Punkt I.2.). Unter Spruchpunkt II. wurde insbesondere die Beschwerde des L. als unzulässig zurückgewiesen.

Dazu führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, in der im Auftrag des Stadtamtes der Gemeinde vorgenommenen Befundaufnahme der S.-GmbH vom 10. Oktober 2013 sei festgehalten worden, dass beabsichtigt sei, den bestehenden Böschungsverlauf von ca. 45 Grad auf ca. 70 Grad in einem Bereich von ca. 16 lfm zu erhöhen, wobei als Unterstützung bzw. Befestigung das "bewehrte Erde System 'Tencate'" verwendet werde.

In Bezug auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses führte das Verwaltungsgericht weiter aus, dass es sich bei der angezeigten und bereits durchgeführten Baumaßnahme jedenfalls um eine bauliche Anlage handle, worunter jede Anlage zu verstehen sei, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht werde und die wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sei, die öffentlichen Interessen zu berühren. Durch das angewendete "bewehrte Erde System" handle es sich dabei nicht um eine bloße Erdanschüttung, sondern entsprechend der verwendeten Befestigung durch Eisengitter samt Folie um eine Anlage, die auch ein bauliches Element aufweise.

Es sei zu prüfen, ob die gegenständliche Baumaßnahme der Bestimmung "G4 Geländeveränderungen" des genannten Bebauungsplanes entspreche. Die Revisionswerberin vertrete die Rechtsansicht, dass das "gewachsene Gelände" das baurechtlich konsentierte Gelände darstelle. Der Gemeinderat hingegen gehe davon aus, dass dieser Begriff dem Urgelände zum Zeitpunkt der Bauplatzbewilligung gleichzusetzen sei. Den Ausführungen des Gemeinderates sei zuzustimmen. Würde man der Rechtsansicht der Revisionswerberin folgen, hätte es der Normunterworfene in der Hand, beliebig hohe Geländeveränderungen durchzuführen, solange er nur jeweils die 1,0 bis 1,5 m nicht überschreite. Dies könne jedoch nicht Wille des Verordnungsgebers gewesen sein, was sich auch aus den Festlegungen im Bebauungsplan erkennen lasse. So habe der Verordnungsgeber etwa entsprechend der Darstellung "Schnitt:

Gebäudehöhe, Dachneigung" und den verbalen Festlegungen in "B3 Gebäudehöhe, Dachneigung" auch auf das gewachsene Gelände abgestellt, womit klar zum Ausdruck komme, dass unter dem "gewachsenen Gelände" wohl jenes Gelände vor der Bauführung gemeint sei.

Im Bauwörterbuch von Frommhold/Gareiß sei "gewachsener Boden" als ein "natürlich gelagerter Boden (bzw. Fels) im Gegensatz zum geschütteten oder abgerutschten Boden" definiert. Der bautechnische Amtssachverständige habe nun im Aktenvermerk vom 26. November 2013 festgehalten, dass der in der Bauanzeige vom 24. Oktober 2013 mit "Verlauf Urgelände 2008, ..., Mitte sowie Westen" und "Verlauf Urgelände 2008, Grundgrenze Osten" festgehaltene Urgeländeverlauf mit dem Urgeländeverlauf an der westlichen Grundgrenze laut dem bewilligten Bauplan vom 26. Juni 2008 verglichen worden sei. Dieser sei nachvollziehbar. Ziehe man nun dieses "Urgelände 2008" als gewachsenen Boden und somit Beurteilungsgrundlage heran, ergebe sich mit der angezeigten bzw. bereits ausgeführten Baumaßnahme eine klar höhere Anschüttung, als der Bebauungsplan gemäß seiner Bestimmung "G4 Geländeveränderungen" zulasse. Der Gemeinderat habe daher zu Recht die Beseitigung der beschwerdegegenständlichen Böschungswinkelerweiterung aufgetragen. Mangels eines Zweifels über die Auslegung des Bebauungsplanes habe der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Grundsatz der Baufreiheit nicht zur Anwendung kommen können.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt gewesen sei, habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden können. Die Akten hätten bereits erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse, und dem Entfall der Verhandlung sei weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) entgegengestanden.

In Bezug auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, dass, weil der Berufungsbescheid nur an die Revisionswerberin und nicht auch an L. zugestellt worden sei, dieser zur Beschwerdeerhebung nicht berechtigt sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit der Erklärung, dieses dem gesamten Inhalt und Umfang nach anzufechten, und dem Begehren, es ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht hat die Akten des Verfahrens vorgelegt.

Der Gemeinderat hat in seiner Revisionsbeantwortung beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

II.

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Zurückweisung der Revision):

Die Revision ist insoweit nicht zulässig:

Die vorliegende Revision richtet sich ihrer Anfechtungserklärung und ihrem Begehren nach gegen das gesamte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, somit auch gegen dessen Spruchpunkt II., mit dem die Beschwerde des L. zurückgewiesen wurde. Durch diesen Spruchpunkt ist jedoch eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Revisionswerberin nicht möglich.

Die Revision war daher in diesem Umfang in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 leg. cit. ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa den hg. Beschluss vom 27. November 2014, Ra 2014/03/0039, mwN).

Zu Spruchpunkt II. (teilweise Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses):

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit (§ 28 Abs. 3 VwGG) vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine bauliche Anlage vorliege. Es möge zwar unter Umständen stimmen, dass für die Aufführung von bewehrter Erde ein gewisses Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich sei, jedoch sei das weitere Tatbestandselement, nämlich die Eignung zur Berührung öffentlicher Interessen, nicht erfüllt. Die Änderung des Böschungswinkels sei ca. 3 m hinter der Grundstücksgrenze vorgenommen worden, und es bestehe daher keine Gefahr für Dritte, insbesondere auch nicht für die Anrainer. Von der Böschungswinkeländerung gingen keine Emissionen oder sonstige Wirkungen aus, die geeignet wären, die Interessen Dritter bzw. der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Auch sei gegenständlich nichts mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht worden "als eben der Boden selbst".

Ferner gebe es keine einheitliche Rechtsprechung, was unter dem Begriff "gewachsenes Gelände" im Zusammenhang mit dem Oberösterreichischen Baurecht zu verstehen sei. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage sei von grundsätzlicher Bedeutung. Auf Grund der Zweifelhaftigkeit, wie die Bestimmungen des Bebauungsplanes anzuwenden seien, wäre dieser im Sinne der Baufreiheit auszulegen gewesen.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Die mit dem angefochtenen Erkenntnis gebilligte Auffassung des Gemeinderates, die bescheidgegenständliche Böschung mit einer geländestützenden Funktion, wobei es sich dabei um das "bewehrte Erde System 'Tencate'" handle (u.a. Einbau von Bewehrungsmatten und Schalungselementen; vgl. dazu die im angefochtenen Erkenntnis genannte Befundaufnahme der S.-GmbH vom 10. Oktober 2013, Beilage 3. "Polyslope S Systembeschreibung"), stelle eine bauliche Anlage im Sinne des § 49 Abs. 6 BauO dar, begegnet keinem Einwand.

In § 2 Z 5 des Oö. Bautechnikgesetzes 2013, LGBl. Nr. 35, ist ein Bauwerk definiert als eine Anlage, die mit dem Boden in Verbindung steht und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. Juli 2007, Zl. 2006/05/0236, mwN) ist unter einer "baulichen Anlage" eine Anlage zu verstehen, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht ist und die wegen ihrer Beschaffenheit geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren.

Die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, es sei zur Herstellung einer Befestigung durch Eisengitter samt Folie ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich, erscheint plausibel und wird mit den genannten Revisionsausführungen nicht substantiiert bekämpft.

Mit ihrer Ansicht, es fehle für die Erfüllung der Begriffsdefinition "bauliche Anlage" an der Verwirklichung des Tatbestandselementes der Eignung der Anlage zur Berührung öffentlicher Interessen, weil in Anbetracht des Abstandes von 3 m zur Grundgrenze von der bewehrten Böschung keine Gefahren für Dritte, wie insbesondere die Anrainer, und auch keine Emissionen ausgingen, geht die Revision fehl. Denn nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2010/05/0089) werden öffentliche Interessen bereits dann berührt, wenn durch einen Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann. Ob etwa der Bereich der Anlage nur schwer zugänglich oder nur bei einem rechtswidrigen Betreten erreicht werden könnte, ist auch für die Beurteilung, ob eine bauliche Anlage vorliegt, nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/05/0349). Ein öffentliches Interesse im vorgenannten Sinn wird somit auch dann berührt, wenn eine solche Anlage zwar nicht frei zugänglich ist, aber dennoch eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit eines unbefugt Eindringenden oder auch nur des Eigentümers der Anlage bestehen kann. Dass durch ein Abrutschen oder ein Einbrechen einer solchen Böschungskonstruktion mit Eisengittern Schäden für sich in deren Bereich aufhaltende Personen herbeigeführt werden können, liegt auf der Hand.

Die im angefochtenen Erkenntnis getroffene Beurteilung, dass eine bauliche Anlage vorliege, begegnet auf dem Boden der hg. Judikatur somit keinem Einwand. Insoweit zeigt die Revision daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

In Bezug auf die in den oben wiedergegebenen Revisionsausführungen relevierte Frage der Auslegung des im genannten Bebauungsplan normierten Begriffes "gewachsenes Gelände" erweist sich die Revision als zulässig.

Dieser kommt auch Berechtigung zu.

Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Oktober 2009, Zl. 2009/06/0136, mwN) ergibt sich schon sprachlich aus dem Begriff "gewachsenes" (oder "natürliches") Gelände, dass nicht auf ein Gelände abgestellt wird, das in zeitlicher Nähe zur aktuellen Bauführung oder (gar) im Hinblick auf diese verändert wurde. Stellte man demgegenüber auf den Geländeverlauf vor einer allerersten Bauführung ab, könnte dies, wenn diese lange zurückliegt, in Anbetracht der jahrhundertelangen Besiedlung und Kultivierung des Landes zu Ermittlungsproblemen führen.

In seinem Erkenntnis vom 24. März 2011, Zl. 2009/06/0150, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Zugrundelegung des vorgenannten Erkenntnisses, Zl. 2009/06/0136, ausgeführt, dass zwar für eine Beantwortung der Frage des "gewachsenen" Geländes eines Bauplatzes das Gelände im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes - in diesem (vgl. darin § 25 Abs. 3) wird der Begriff "gewachsenes" Gelände verwendet - maßgeblich sei. Ordne jedoch ein Bebauungsplan etwas Abweichendes an, so sei die darin getroffene Regelung bzw. das darin festgelegte Gelände als "Urgelände" maßgeblich (vgl. dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2015, Zl. 2012/06/0183, zum Salzburger Baurecht).

Der oben genannte Bebauungsplan der Gemeinde enthält keine Definition des Begriffes "gewachsenes Gelände". Auch findet sich in diesem Bebauungsplan keine - etwa durch Höhenpunkte festgelegte - zeichnerische Darstellung eines Geländes als "Urgelände". Dieser Bebauungsplan verwendet aber selbst den Begriff des "gewachsenen Gebäudes".

Weder das Oö. Raumordnungsgesetz 1994, das in § 31 die Erlassung von Bebauungsplänen durch Verordnung anordnet, noch die BauO oder das Oö. Bautechnikgesetz 2013, die auf eine solche Verordnung Bezug nehmen, enthalten Regelungen darüber, was unter dem Begriff "gewachsenes Gelände" zu verstehen ist. Diese baurechtlichen Landesgesetze verwenden diesen Begriff selbst nicht.

Mangels einer solchen Definition in den genannten Landesgesetzen und dem Bebauungsplan selbst und mangels sonstiger Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeinderat als Verordnungsgeber bei der Normierung als "natürliches Gelände" im Bebauungsplan von einem anderen Geländeniveau als jenem, das bei Beschlussfassung über den Bebauungsplan in dem von dieser Verordnung umfassten Gebiet vorhanden war, ausgehen wollte, erscheint es sachgerecht, unter dem Begriff "gewachsenes Gelände" das im Zeitpunkt dieser Beschlussfassung im Jahr 2004 bestehende Geländeniveau zu subsumieren. Dass auf einen späteren Zeitpunkt - so etwa, wie dies die Baubehörden und ihnen folgend das Verwaltungsgericht meinen, auf den Zeitpunkt der Erteilung der Bauplatzbewilligung im Jahr 2008 - abzustellen wäre, kann aus den Bestimmungen des Bebauungsplanes nicht abgeleitet werden.

Schließlich wird darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2015, Ro 2015/05/0004, mwN).

Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 29. September 2015

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte