VwGH Ro 2014/22/0001

VwGHRo 2014/22/000128.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision der D A in P, vertreten durch Mag. Irene Oberschlick, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weyrgasse 8/6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 19. September 2013, Zl. 148.183/3-III/4/13, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages nach dem NAG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §56;
NAG 2005 §10 Abs1 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §20 Abs3 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §24;
AVG §38;
AVG §56;
NAG 2005 §10 Abs1 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §20 Abs3 idF 2011/I/038;
NAG 2005 §24;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerberin, einer türkischen Staatsangehörigen, wurde von der Magistratsabteilung 20 am 25. April 2003 ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt, indem ihr eine bis 27. Jänner 2013 gültige Aufenthaltskarte ausgehändigt wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 25. September 2007 wurde gegen die Revisionswerberin ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach Behebung dieses Aufenthaltsverbotes mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Oktober 2011 gemäß § 69 Abs. 2 FPG begehrte die Revisionswerberin die Feststellung nach § 10 Abs. 1 letzter Satz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), dass ihr Aufenthaltstitel von Gesetzes wegen wieder auflebe.

Diesen Antrag wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesministerin für Inneres (im Folgenden als "Behörde" bezeichnet) gemäß § 56 AVG iVm § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Z 7, § 10 Abs. 1 und § 20 Abs. 3 NAG als unzulässig zurück.

Begründend führte die Behörde aus, das NAG sehe die bescheidmäßige Feststellung eines solchen, mit Antrag vom 19. September 2012 gestellten, Begehrens nicht explizit vor, trotzdem sei die Erlassung von Feststellungsbescheiden grundsätzlich zulässig. Es mangle jedoch am "Feststellungsinteresse" der Revisionswerberin. Für die Erreichung der angestrebten Feststellung sehe das NAG nämlich in § 20 Abs. 3 ohnehin die Möglichkeit der Verlängerung eines Dokumentes vor, welches einen unbefristeten Aufenthaltstitel bestätige. Im Rahmen eines solchen Verlängerungsverfahrens könne die von der Revisionswerberin begehrte Feststellung als "Vorfrage einer entsprechenden Prüfung unterzogen werden". Ein Antrag gemäß § 20 Abs. 3 NAG sei jedoch nicht gestellt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision.

Die Revisionswerberin hat innerhalb der gegen den angefochtenen Bescheid ursprünglich zur Verfügung stehenden Beschwerdefrist die Gewährung der Verfahrenshilfe beantragt. Die Beschwerdefrist begann daher mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung als Verfahrenshelfer am 13. Dezember 2013 gemäß § 26 Abs. 3 VwGG neu zu laufen. Die am 30. Dezember 2013 zur Post gegebene "Beschwerde" erweist sich daher als fristgerecht.

Gemäß § 4 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, gilt somit die "Beschwerde" als rechtzeitig erhobene Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG, für die jedoch gemäß § 4 Abs. 5 letzter Satz VwGbk-ÜG die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht gelten. Gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG ist das VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.

§ 10 und § 20 NAG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im September 2013 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 lauteten auszugsweise:

"§ 10. (1) Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts werden ungültig, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig wird. Solche Fremde verlieren ihr Recht auf Aufenthalt. Ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts lebt von Gesetzes wegen wieder auf, sofern innerhalb ihrer ursprünglichen Geltungsdauer das Aufenthaltsverbot oder die Ausweisung im Rechtsweg nachträglich behoben wird.

...

(5) Ungültige, gegenstandslose oder erloschene Dokumente sind der Behörde abzuliefern. Jede Behörde, die eine Amtshandlung nach einem Bundesgesetz führt, ist ermächtigt, abzuliefernde Dokumente einzuziehen; Staatsbürgerschaftsbehörden sind hiezu verpflichtet. Ebenso sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, abzuliefernde Dokumente einzuziehen; diese sind der Behörde unverzüglich vorzulegen."

"§ 20. ...

(3) Inhaber eines Aufenthaltstitels 'Daueraufenthalt - EG' (§ 45) oder 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger' (§ 48) sind in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesen Aufenthaltstiteln entsprechenden Dokuments - unbefristet niedergelassen. Dieses Dokument ist für einen Zeitraum von fünf Jahren auszustellen und, soweit keine Maßnahmen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 durchsetzbar sind, abweichend von § 24 auch nach Ablauf auf Antrag zu verlängern.

(4) Ein Aufenthaltstitel nach Abs. 3 erlischt, wenn sich der Fremde länger als zwölf aufeinander folgende Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhält. Aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen, wie einer schwerwiegenden Erkrankung, der Erfüllung einer sozialen Verpflichtung oder der Leistung eines der allgemeinen Wehrpflicht oder dem Zivildienst vergleichbaren Dienstes, kann sich der Fremde bis zu 24 Monate außerhalb des EWR-Gebietes aufhalten, wenn er dies der Behörde vorher mitgeteilt hat. Liegt ein berechtigtes Interesse des Fremden vor, hat die Behörde auf Antrag festzustellen, dass der Aufenthaltstitel nicht erloschen ist. Der Nachweis des Aufenthalts im EWR-Gebiet obliegt dem Fremden.

..."

§ 81 Abs. 2 NAG lautet:

"Vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen gelten innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer und ihres Gültigkeitszweckes insoweit weiter, als sie nach dem Zweck des Aufenthaltes den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechen. Das Recht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bedarf jedenfalls der Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz, sofern dies nicht bereits nach dem Fremdengesetz 1997 möglich war. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach ihrem Aufenthaltszweck als entsprechende Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach diesem Bundesgesetz und dem Fremdenpolizeigesetz weiter gelten."

Die aufgrund dieser Ermächtigung nach § 81 Abs. 2 NAG erlassene Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV, BGBl. II Nr. 451/2005, ordnet für vor dem Inkrafttreten des NAG, somit vor dem 1. Jänner 2006, erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen in § 11 Abs. 1 c an, dass ein Niederlassungsnachweis - wie er der Revisionswerberin erteilt worden war - als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weiter gilt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse rechtfertigt nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann. (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 2012, 2012/01/0008, mwN).

Zunächst wurde mit Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes der Aufenthaltstitel der Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 1 NAG ungültig.

Nach Behebung des Aufenthaltsverbotes verneinte die Behörde das Interesse an der von der Revisionswerberin begehrten Feststellung, nämlich dass ihr Aufenthaltstitel nach § 10 Abs. 1 letzter Satz NAG von Gesetzes wegen wieder aufgelebt sei, mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Stellung eines Verlängerungsantrages im Sinne des § 20 Abs. 3 NAG.

Damit ist die Behörde im Recht.

Die den fraglichen Aufenthaltstitel dokumentierende Aufenthaltskarte war bis zum 27. Jänner 2013 befristet. Ihre Gültigkeitsdauer war daher im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bereits abgelaufen.

Nach § 20 Abs. 3 NAG ist die Aufenthaltskarte Inhabern eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG", abweichend von § 24 NAG auch nach Ablauf auf Antrag, zu verlängern. In einem solchen Verlängerungsverfahren wäre als Vorfrage nach Ablauf der befristeten Gültigkeit des Dokumentes auch die Frage, ob der unbefristete Aufenthaltstitel nach § 10 Abs. 1 letzter Satz NAG von Gesetzes wegen wieder aufgelebt ist oder nicht, zu klären. Eine Vorfrage, die im Zuge eines Verwaltungsverfahrens zu lösen ist, kann nicht aus diesem Verfahren herausgegriffen werden und zum Gegenstand eines selbständigen Feststellungsbescheides gemacht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2011, 2008/05/0200).

Dass die Stellung eines solchen Verlängerungsantrages gemäß § 20 Abs. 3 NAG unzulässig oder der Revisionswerberin unzumutbar sei, wird in der Revision nicht dargelegt.

Die Behörde hat daher das Feststellungsbegehren zu Recht zurückgewiesen.

Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtsverletzung somit nicht anhaftet, war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Der beantragte Schriftsatzaufwand war nicht zuzusprechen, weil von der Erstattung einer Gegenschrift ausdrücklich abgesehen wurde.

Wien, am 28. Mai 2015

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