VwGH Ra 2014/18/0108

VwGHRa 2014/18/010828.1.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision des A B in B, vertreten durch Mag. Ulrich Berger, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Schillerstraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Juli 2014, Zl. W123 1431760- 1/7E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §3;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
AsylG 2005 §3;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Sachverhalt und Revisionsverfahren

1. Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Takhar, suchte am 24. Juni 2012 um internationalen Schutz in Österreich an und begründete seinen Antrag unter anderem damit, er habe Afghanistan aufgrund seines Berufes als Lehrer verlassen müssen, weil er von den Taliban mit dem Tod bedroht worden sei. Er sollte mit seiner Tätigkeit als Lehrer aufhören oder sie würden ihn töten. Aufgrund dieser Drohung habe er seinen Beruf aufgegeben, sei dadurch aber in eine wirtschaftliche Notlage geraten und habe den Entschluss zur Flucht gefasst. Bei Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte er, von den Taliban getötet zu werden.

2. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2012 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab und wies den Revisionswerber nach Afghanistan aus. Zur Begründung führte die Asylbehörde zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe zwar bei der Ersteinvernahme vor den Sicherheitsbehörden eine Bedrohung durch die Taliban wegen seiner Tätigkeit als Lehrer behauptet, in einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt aber andere Fluchtgründe genannt, weshalb es ihm nicht gelungen sei, seine Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Auch das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 8 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) habe nicht festgestellt werden können, weshalb dem Revisionswerber kein subsidiärer Schutz gewährt werden könne.

3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber erneut vor, wegen seiner Tätigkeit als Lehrer von den Taliban bedroht worden zu sein. Daneben sei er - wegen eines näher umschriebenen Streits - auch von einem den Taliban angehörenden Nachbarn mit dem Tode bedroht worden.

Er beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und trat den beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesasylamtes mit näherer Begründung entgegen, wobei er insbesondere darauf verwies, bei seiner Erstbefragung nicht sehr ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt worden zu sein, weswegen er nur von einem Problem erzählt habe. Da er als Lehrer gearbeitet habe, gehöre er zu jener Gruppe von Menschen, die besonders durch die Taliban gefährdet seien. Dazu verwies er auf einschlägige Berichte (etwa den EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Strategien der Aufständischen: Einschüchterung und gezielte Gewalt gegen Afghanen, vom Dezember 2012, Punkt 2.5.). Im Übrigen wandte er sich umfassend gegen die - eine Gefährdung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 verneinende - Einschätzung des Bundesasylamtes in Bezug auf die Sicherheitslage in seiner Heimat.

4. Im Beschwerdeverfahren übermittelte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) dem Revisionswerber einige Länderberichte zur Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen und in der Heimatprovinz des Revisionswerbers Takhar im Besonderen. Ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt, (unter anderem) dazu binnen zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen.

Mit Stellungnahme vom 30. Juni 2014 führte der Revisionswerber zahlreiche Länderberichte an, die eine kritische Lage in seiner Heimat belegen sollen, und ersuchte, diese entsprechend zu berücksichtigen.

5. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten bzw. eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig verwies es das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück (Spruchpunkt II.). Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Es stellte fest, der Revisionswerber stamme aus der Provinz Takhar (im Norden des Landes) und habe dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Sein Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihm in Afghanistan eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung drohe.

Zur Sicherheitslage traf es folgende Feststellungen:

"Staatendokumentation (Stand: 28.01.2014):

Die Provinz Takhar

In Takhar ist die Bevölkerung traditionell stärker mit dem Westen sympathisierend. Erst in den letzten Jahren gab es einen Anstieg an Bedrohungen durch die Aufständischen in der Provinz (BBC 9.1.2013).

Im ersten Quartal des Jahres 2013 haben sich die Vorfälle in der Provinz Takhar im Vergleich zum Vorjahr um 200 Prozent erhöht. Es wurden im ersten Quartal des Jahres 2013 12 Vorfälle registriert (ANSO 4.2013).

Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht, vom Jänner 2014, S. 11:

Eine zusammenfassende Betrachtung der Sicherheitssituation erlaubt es, von einer 'ausreichend kontrollierbaren Sicherheitslage' in den Bevölkerungszentren und entlang der bedeutsamen Verkehrsinfrastruktur zu sprechen. In diesen Gebieten leben rund 80 Prozent der afghanischen Bevölkerung. In der Hauptstadt Kabul ist die Sicherheitslage durch die ANSF trotz einzelner medienwirksamer Anschläge und häufigen Hinweisen auf Anschlagsplanungen unverändert 'überwiegend kontrollierbar'. In den ländlichen - vorwiegend paschtunisch geprägten - Gebieten im Osten und Süden herrscht hingegen eine 'überwiegend nicht' oder in einigen wenigen Distrikten teilweise sogar eine 'nicht kontrollierbare Sicherheitslage'. Dass ein potenziell verheerender Selbstmordanschlag mit einer übergroßen Wirkladung von nahezu 30 t Explosivstoff in der ostafghanischen Provinz Paktiya im Oktober 2013 verhindert werden konnte, unterstreicht sowohl die Wachsamkeit und Kompetenz der ANSF als auch das regional weiterhin hohe Bedrohungspotenzial der RFK.

Schweizerische Flüchtlingshilfe (Stand 30.09.2013) Osten und Süden. (...)

Norden. Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen gemäss ANSO 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Verschlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (...).

Westen. (...)

Kabul und Zentrum. (...)"

Im Folgenden führte das BVwG unter dem Begründungspunkt "Beweiswürdigung" im Wesentlichen aus, das Bundesasylamt habe sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und dabei Widersprüchlichkeiten aufgezeigt. Abgesehen von divergierenden Ausführungen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen in der Erstbefragung einerseits und der Einvernahme vor dem Bundesasylamt andererseits, gehe bereits aus den Aussagen des Revisionswerbers in der Erstbefragung hervor, dass er letztlich aus wirtschaftlichen Gründen sein Heimatland verlassen habe. Rein wirtschaftliche Erwägungen, sein Heimatland zu verlassen, seien aber nicht asylrelevant. Zudem habe der Revisionswerber nicht schlüssig darlegen können, warum die Taliban von ihm verlangt hätten, seine Tätigkeit als Lehrer aufzugeben. Aus einer Gesamtschau der Angaben des Revisionswerbers im gesamten Verfahren ergebe sich, dass er nicht imstande war, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen glaubhaft zu machen. Es habe weder eine konkret gegen seine Person gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden können, noch seien im Verfahren Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung des Revisionswerbers im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten. Auch subsidiärer Schutz sei ihm nicht zu gewähren. Aus den vom BVwG herangezogenen Erkenntnisquellen ergebe sich, dass die Herkunftsprovinz des Revisionswerbers (Takhar) im Vergleich zu anderen Provinzen nicht derart unsicher qualifiziert werden könne, dass es dem Revisionswerber von vornherein verunmöglicht würde, dorthin zurück zu gelangen.

Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das BVwG damit, dass dem Verfahrensakt sämtliche entscheidungsrelevanten Grundlagen zu entnehmen gewesen seien. Zudem sei der Revisionswerber mit Schreiben des BVwG vom 12. Juni 2014 vom Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihm gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt worden, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, womit aber das Parteiengehör jedenfalls gewahrt worden sei. Von einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG habe somit abgesehen werden können.

5. Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der - zusammengefasst - vorgebracht wird, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen und es habe trotz gravierender Mängel im Zuge der Einvernahme des Revisionswerbers durch die (erstinstanzliche) Asylbehörde eine mündliche Verhandlung zur Klärung des tatsächlichen Sachverhalts unterlassen. Der Verwaltungsgerichtshof habe außerdem erkannt, dass bei auswegloser Lage im Heimatstaat auch wirtschaftliche Benachteiligungen asylrelevant sein können, wenn jedwede Existenzgrundlage entzogen ist (Hinweis auf VwGH vom 8. September 1999, 98/01/0614, mwN). In Verkennung der Rechtslage gehe das BVwG davon aus, dass der Revisionswerber sein Heimatland ausschließlich aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen verlassen habe. Dabei missachte es, dass der Revisionswerber seine berufliche Tätigkeit als Lehrer infolge Verfolgungshandlungen durch die Taliban habe aufgeben müssen, zumal ihm mit dem Tode gedroht worden sei, sollte er diese Tätigkeit fortsetzen. Nach Länderberichten sei bekannt, dass in von den Taliban kontrollierten bzw. zumindest stark beeinflussten Gebieten der Beruf des Lehrers aufgrund der politisch-religiösen Einstellung der Taliban einen "verbotenen Beruf" darstelle. Bei richtiger Gesetzesanwendung bzw. Befolgung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte sohin das BVwG zur Erkenntnis gelangen müssen, dass zwar die wirtschaftliche Notlage letztlich fluchtauslösendes Momentum war, jedoch die Ursache der wirtschaftlichen Notlage im zuvor beschriebenen Zwang unter Todesdrohung, den Beruf des Lehrers aufzugeben, gelegen habe. Von einem rein wirtschaftlich begründeten Fluchtgrund sei daher nicht auszugehen.

Im Übrigen sei der Rechtsansicht des BVwG zu widersprechen, wonach die Gewährung schriftlichen Parteiengehörs ausreichend und "ohne direkte Befragung des Betroffenen" auszukommen gewesen sei.

6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat im Revisionsverfahren von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand genommen und auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung sowie des Bescheides der Verwaltungsbehörde verwiesen.

II. Rechtslage

Die §§ 3 und 8 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, lauten auszugsweise:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(...)

Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, lautet (auszugsweise):

"Artikel 1

Definition des Ausdruckes 'Flüchtling'

A. Als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens ist anzusehen, wer (...)

2. (...) aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutezs dieses Landes zu bedienen; (...)"

III. Erwägungen

  1. 1. Die Revision ist zulässig und begründet.
  2. 2. Das BVwG begründet seine Entscheidung in Bezug auf die Nichtgewährung des Status des Asylberechtigten zusammengefasst damit, dass weder eine konkret gegen die Person des Revisionswerbers gerichtete asylrelevante Verfolgung habe festgestellt werden können, noch Anhaltspunkte hervorgekommen seien, die eine mögliche Verfolgung des Revisionswerbers im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen für wahrscheinlich erscheinen ließen.

    Unter Bedachtnahme auf die Erwägungen im Rahmen der "Beweiswürdigung" des angefochtenen Erkenntnisses, wonach bereits aus den Aussagen des Revisionswerber hervorgehe, dass er Afghanistan "letztlich nur aus wirtschaftlichen Gründen" verlassen hat, lässt sich nicht hinreichend klar erkennen, ob und in welchem Umfang das BVwG das Fluchtvorbringen für unwahr erachtet hat oder bei seiner Beurteilung, der Revisionswerber habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht, rechtliche Überlegungen betreffend die Asylrelevanz seines Vorbringens im Vordergrund standen.

    3. Sollte das BVwG das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers insgesamt für unwahr gehalten haben, entspricht die Begründung des Erkenntnisses aufgrund der oben geschilderten Undeutlichkeit, die aus der Vermengung von beweiswürdigenden und rechtlichen Erwägungen resultiert, nicht den Anforderungen des § 29 VwGVG. Überdies ist dem Revisionswerber im Ergebnis zuzustimmen, dass die Bestreitung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in der Beschwerde nicht bloß unsubstantiiert erfolgt ist und daher nach den Kriterien der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, eine Verhandlung erfordert hätte.

    4. Zur Frage der Beweiswürdigung erinnert der Verwaltungsgerichtshof an seine ständige Rechtsprechung, wonach die Asylbehörden dabei den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen haben (vgl. VwGH vom 31. März 2009, 2006/20/0197, vom 23. November 2006, 2005/20/0454, vom 21. März 2006, 2005/01/0845, vom 26. Jänner 2006, 2004/01/0556, u.a.).

    Die Revision beruft sich zu Recht darauf, dass nach dieser Berichtslage Lehrer in Afghanistan immer wieder zum Ziel von Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte werden. Schon in der Beschwerde an das BVwG hat der Revisionswerber diesbezüglich auf den EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Strategien der Aufständischen: Einschüchterung und gezielte Gewalt gegen Afghanen, vom Dezember 2012, Punkt 5.2., verwiesen. Gleiches ergibt sich etwa auch aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 37 (Fn 185) und S. 69 (Fn 382f). Dass die Asylbehörden diesen realen Hintergrund bei Würdigung der Angaben des Revisionswerbers im Auge hatten und den Revisionswerber unter Bedachtnahme darauf zu seinem Fluchtvorbringen näher befragt hätten, lässt das angefochtene Erkenntnis nicht erkennen. Insofern relativiert sich auch das Argument des BVwG, der Revisionswerber habe nicht schlüssig darlegen können, warum die Taliban von ihm verlangt hätten, seine Tätigkeit als Lehrer aufzugeben.

    5. Soweit das BVwG die Rechtsansicht vertritt, der Revisionswerber habe sein Heimatland nach eigenem Vorbringen "letztlich aus wirtschaftlichen Gründen" verlassen, derartige Gründe seien aber nicht asylrelevant, greift diese Beurteilung zu kurz. Zum einen hat der Revisionswerber ausgeführt, auch bei Rückkehr in den Herkunftsstaat zu fürchten, von den Taliban getötet zu werden. Näher befragt, warum er diese Befürchtung trotz Aufgabe seines Arbeitsplatzes als Lehrer noch immer hege, wurde er nicht und es blieb das Ermittlungsverfahren insofern lückenhaft. Zum anderen könnte dem Umstand, dass der Revisionswerber von den Taliban (etwa aus Gründen politisch oder religiös unterstellter oppositioneller Gesinnung) unter Todesdrohung genötigt wurde, seinen Beruf als Lehrer aufzugeben, wodurch er in eine existentielle Notlage geraten sei und sich zur Flucht entschlossen habe, im Lichte der von der Revision zutreffend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH vom 8. September 1999, 98/01/0614, mwN, und vom 29. März 2011, 2000/20/0539) die Asylrelevanz nicht von vornherein abgesprochen werden. Es hätte vielmehr einer Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob die durch den Verlust des Arbeitsplatzes bewirkte Notlage des Revisionswerbers existenzbedrohend war und ob für ihn die Möglichkeit bestand, dieser Situation entgegen zu wirken (vgl. dazu auch den Überblick über bezughabende internationale Rechtsprechung, in Michelle Foster, International Refugee Law and Socio-Economic Rights, (2007), S. 94ff). Derartige Überlegungen hat das BVwG jedoch nicht angestellt.

    6. Ungeachtet des bisher Gesagten erweist sich die Entscheidung des BVwG auch in Bezug auf die Abweisung der Beschwerde betreffend den Status des subsidiär Schutzberechtigten als rechtswidrig.

    Das BVwG hat seine Einschätzung zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Revisionswerbers auf Feststellungen gestützt, die den Schluss, dem Revisionswerber drohe keine Gefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, nicht decken. Aus den wiedergegebenen Berichten geht vielmehr hervor, dass sich die Sicherheitslage im Norden des Landes, in dem sich die Heimatprovinz des Revisionswerbers befindet, im Laufe des Jahres 2013 deutlich verschlechtert hat und es zu einem Anstieg insbesondere auch von Anschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gekommen ist. Dass die Sicherheitslage in anderen afghanischen Provinzen noch schlechter sein mag, begründet noch nicht hinreichend, warum dem Revisionswerber in seiner Heimatprovinz keine maßgebliche Gefahr drohen sollte.

    Ausgehend davon ist die Entscheidung des BVwG über den subsidiären Schutz schon deshalb mangelhaft begründet. Dass die vom Revisionswerber beantragte mündliche Verhandlung trotz substantiierter Bestreitung der ihm zur Kenntnis gebrachten Länderberichte in der Stellungnahme vom 30. Juni 2014 nicht stattgefunden hat und sich das BVwG mit den vom Revisionswerber angesprochenen weiteren Länderberichten auch nicht näher auseinander gesetzt hat, braucht bei diesem Ergebnis nicht näher behandelt zu werden.

    7. Das angefochtene Erkenntnis war daher - auch in Bezug auf die aufbauende Entscheidung nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005 - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

    Wien, am 28. Jänner 2015

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