VwGH Ro 2015/04/0003

VwGHRo 2015/04/000318.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision der E H in G, vertreten durch Mag. Reinhard Strauss, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Körösistraße 64, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 16. September 2014, Zl. LVwG 30.19-4576/2014-10, betreffend Übertretung der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art10 Abs1 Z8;
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1859;
GewO 1973 §2 Abs1 Z17 impl;
GewO 1994 §2 Abs1 Z17;
GewO 1994 §2;
GewO 1994 §367 Z25;
VwGG §25a Abs1;
VwRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z8;
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1859;
GewO 1973 §2 Abs1 Z17 impl;
GewO 1994 §2 Abs1 Z17;
GewO 1994 §2;
GewO 1994 §367 Z25;
VwGG §25a Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht wurde die Revisionswerberin wegen Übertretung des § 367 Z 25 iVm § 370 GewO 1994 und Auflage 9. des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides vom 24. Oktober 1989 mit einer Geldstrafe von EUR 200,-- bestraft, weil sie es als gewerberechtliche Geschäftsführerin der P GmbH zu verantworten habe, dass in einem näher bezeichneten Lokal in G am 30. November 2013 derart laute Live-Musik dargeboten worden sei, dass diese bereits auf der G-Straße ca. 15 m von der Zugangstür des Lokals entfernt deutlich habe wahrgenommen werden können, obwohl gemäß der angeführten Auflage musikalische Darbietungen nur in Zimmerlautstärke gestattet seien.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid abgewiesen (I.), die Revisionswerberin zur Leistung der Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet (II.) und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei (III.)

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

3. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Begründung des Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der Revision in der Wiedergabe von Art. 133 Abs. 4 B-VG erschöpft und Ausführungen zu einer vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage nicht enthält. Der gemäß § 25a VwGG gebotene Ausspruch, der kurz zu begründen ist, zeigt daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf (vgl. zu den Begründungserfordernissen nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG den hg. Beschluss vom 23. September 2014, Zl. Ro 2014/01/0033, mwN).

In der vorliegenden ordentlichen Revision wird mit dem Vorbringen, auf das gegenständliche Livekonzert sei alleine das Steiermärkische Veranstaltungsgesetz und nicht die GewO 1994 anzuwenden, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargetan, da diese Rechtsfrage in der Rechtsprechung bereits geklärt ist:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 GewO 1994 ist dieses Bundesgesetz auf den Betrieb von Theatern und Lichtspieltheatern und von Unternehmen öffentlicher Belustigungen und Schaustellungen aller Art, musikalische und literarische Darbietungen nicht anzuwenden.

Nach dem hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2014, Zl. 2013/04/0070, mwN, sind die Ausnahmebestimmungen des § 2 GewO 1994 in verfassungskonformer Interpretation im Rahmen ihres möglichen Wortsinnes jedenfalls so zu verstehen, dass die Vorschriften der GewO 1994 nur auf jene gewerblichen Tätigkeiten anzuwenden sind, für die dem Bund eine Regelungskompetenz zukommt. Der Inhalt des maßgeblichen Kompetenztatbestandes des Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG ("Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie") wird im Wesentlichen durch Versteinerung der Gewerbeordnung 1859 gewonnen.

Mit der hier maßgeblichen Frage, ob die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 Z 17 GewO 1994 auf musikalische Darbietungen im Rahmen eines Gewerbebetriebes anzuwenden ist, hat sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits (zu der identen Rechtslage des § 2 Abs. 1 Z 17 GewO 1973) im Erkenntnis vom 27. Februar 1992, B 1062/90, B 95/91 und B 644/91 = VfSlg. 12.966, beschäftigt:

"Aus dieser rechtlichen Situation zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzbestimmungen des B-VG am 1. Oktober 1925 folgt, wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 2670/1954 ausgesprochen hat, 'daß bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GewO. musikalische Produktionen jeder Art nicht als Gewerbe, sondern als vom Standpunkt der Verwaltungspolizei zu behandelnde Angelegenheit betrachtet und behandelt wurden.'

Das bedeutet nun freilich nicht, daß eine musikalische Darbietung im Rahmen eines Gastgewerbebetriebs (etwa durch einen Barmusiker oder eine Fünf-Uhr-Tee-Kapelle) geeignet ist, dem Betrieb insoweit die Gastgewerbeeigenschaft zu nehmen. Vielmehr beziehen sich die eben zitierten Aussagen des Verfassungsgerichtshofes bloß auf die musikalische Darbietung als solche. Dementsprechend ist die - auch gewerbsmäßige - musikalische Darbietung als solche vom Regelungsbereich des Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG ausgenommen. Werden aber musikalische Darbietungen in einem Gewerbebetrieb veranstaltet, so steht es dem Bundesgesetzgeber frei, gewerberechtliche Regelungen für den Gastgewerbebetrieb zu erlassen. (...)

Es besteht daher - auch in historischer Sicht - kein Anlaß anzunehmen, daß der Bund die Kompetenz zur Regelung von bei Gastgewerbebetrieben auftretenden typisch gewerberechtlichen Fragen verliert, sofern Gastwirte Tanzunterhaltungen in ihren Lokalen gestatten oder durchführen. Bloß die Veranstaltung von Tanzunterhaltungen oder anderen öffentlichen Belustigungen für sich fällt - und zwar auch dann, wenn sie regelmäßig und in Ertragsabsicht erfolgt - somit nicht unter den Kompetenztatbestand 'Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie'.

Zweifellos können Gastgewerbebetriebe mit unterschiedlichen Betriebsformen auch unterschiedlichen gewerberechtlichen Vorkehrungen, insbesondere hinsichtlich ihrer Betriebsanlagen, unterworfen werden. Nun können sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Betriebsformen entwickeln oder auch obsolet werden. Es entspricht durchaus einer intra-systematischen Weiterentwicklung des in Rede stehenden Kompetenztatbestandes, daß er die Ermächtigung gibt, auch für sich neu entwickelnde Betriebsformen entsprechende Regelungen vorzusehen. Wie von der belangten Behörde im führenden Verfahren B 1062/90 (vgl. oben Pkt. I.1.4.) zutreffend dargelegt wird, erfordern Diskotheken besondere betriebliche Vorkehrungen. Nichts spricht dagegen anzunehmen, daß der Gewerberechtsgesetzgeber von Verfassungs wegen ermächtigt ist, Regelungen über derartige Vorkehrungen - etwa im Interesse des Schutzes der Gewerbetreibenden, der Nachbarn oder der Kunden, also Regelungen typisch gewerberechtlicher Art - vorzusehen.

... Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund ist auch

die für die Klärung der Zuständigkeit in den vorliegenden Fällen maßgebliche Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 17 GewO 1973 zu verstehen. Sie nimmt vom Geltungsbereich der GewO nur die Veranstaltung öffentlicher Belustigungen als solche aus, nicht aber die gastgewerbliche Tätigkeit, bei der in Kombination mit der typisch gastgewerblichen Leistungserbringung auch Musik oder auch Tanz veranstaltet wird (...). Ob (und allenfalls in welcher Weise) für diese im Rahmen der Tätigkeit des Gewerbetreibenden stattfindenden Darbietungen (...) überdies entsprechende Bewilligungen erforderlich oder behördliche Aufsichtmaßnahmen möglich sind, ist in diesem, bloß auf die gewerberechtliche Dimension beschränkten Verfahren nicht zu klären."

Nach dieser Rechtsprechung wird durch § 2 Abs. 1 Z 17 GewO 1994 die gastgewerbliche Tätigkeit, bei der in Kombination mit der typisch gastgewerblichen Leistungserbringung auch Musik oder Tanz veranstaltet wird, nicht vom Geltungsbereich der GewO 1994 ausgenommen (vgl. auch Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 (2011), Rz. 90 und 92 zu § 2 GewO 1994).

4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Februar 2015

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