VwGH Ra 2014/07/0086

VwGHRa 2014/07/008629.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision des Landeshauptmannes von Oberösterreich in 4021 Linz, Kärntnerstraße 10-12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. August 2014, Zl. LVwG-550233/6/Wim/EGO/BRe, betreffend Abänderung eines Schutzgebietes (mitbeteiligte Parteien: 1. J P und 2. M P, beide in P; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
B-VG Art130 Abs1 Z1;
VwGG §13 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §117 Abs1;
WRG 1959 §117 Abs4;
WRG 1959 §34 Abs1;
WRG 1959 §34 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014070086.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (des nunmehrigen Revisionswerbers) vom 12. März 2014 wurde unter Spruchpunkt I. der Marktgemeinde V und der Gemeinde P die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer UV-Desinfektionsanlage im Quellgebäude der G-Bachquelle unter Vorschreibung näher bezeichneter Nebenbestimmungen und Auflagen erteilt und unter Spruchpunkt II. ein zuletzt mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. März 2003 festgesetztes Schutzgebiet zum Schutz der G-Bachquelle vor Verunreinigungen und gegen eine Beeinträchtigung ihrer Ergiebigkeit flächenmäßig neu festgelegt, wobei sich der Revisionswerber auf § 34 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 stützte.

Zu Spruchpunkt II. führte der Revisionswerber im Wesentlichen begründend aus, für die G-Bachquelle sei zuletzt mit Bescheid vom 19. März 2003 ein Schutzgebiet mit den Schutzzonen I (Fassungsschutz), II (engeres Schutzgebiet) und III (weiteres Schutzgebiet) festgesetzt worden. Da dieses Schutzgebiet den heutigen wasserwirtschaftlichen und hygienischen Anforderungen nicht mehr entspreche, sei eine räumliche Anpassung notwendig. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe unter Zugrundelegung des Gutachtens des Amtssachverständigen für Hydrogeologie die Wasserrechtsbehörde zur Überzeugung gebracht, dass die im hydrogeologischen Gutachten vorgeschlagenen Anordnungen zum Schutz der Reinheit der G-Bachquelle und deren Ergiebigkeit notwendig, aber auch ausreichend seien. Da sich sämtliche durch die neuen Anordnungen betroffenen Liegenschaftseigentümer mit der Marktgemeinde V und der Gemeinde P hinsichtlich zustehender Entschädigungsleistungen außerbehördlich geeinigt hätten, sei eine amtliche Festsetzung von Entschädigungen durch die Wasserrechtsbehörde entbehrlich.

2. In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachten die Mitbeteiligten im Wesentlichen vor, der Bescheid sei ohne Einbindung bzw. Befragung und Stellungnahmemöglichkeit der Grundeigentümer erfolgt. Eine Erweiterung des Schutzgebietes, ohne die Ableitung der Oberflächenwasser, vorbei an der Quelle bzw. Quellfassung, welche für den sauberen Betrieb der Quelle unumgänglich sei, sei "unnötig, gar widersinnig". Über Rückfrage des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich gab der Erstmitbeteiligte an, die Beschwerde richte sich auch gegen die Veränderung des Schutzgebietes ("vermehrt Zone II") betreffend seine Grundstücke.

3. Mit dem nunmehr mit außerordentlicher Revision angefochtenen Erkenntnis behob das Verwaltungsgericht Spruchpunkt II. des Bescheides des Landeshauptmannes vom 12. März 2014 "gemäß § 28 VwGVG".

Darüber hinaus sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Beschwerde richte sich ausschließlich gegen Spruchpunkt II. des Bescheides vom 12. März 2014. Durch die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Änderung des zuletzt im Jahr 2003 festgesetzten Schutzgebietes seien die Mitbeteiligten insofern betroffen, als nunmehr ca. 13.000 m2 ihrer Grundstücksflächen von der Schutzzone III in die Schutzzone II "gewandert" seien, in welcher strengere Gebote bzw. Verbote herrschten. Ein verhältnismäßig kleiner Teil von 79 m2, welcher bisher überhaupt nicht vom Schutzgebiet erfasst gewesen sei, befinde sich nunmehr in der Zone III.

Grundsätzlich sei gleichzeitig mit der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung auch über allfällige Entschädigungsansprüche zu entscheiden. Zwischen der Gemeinde P und den Mitbeteiligten hätte keine Einigung betreffend Entschädigungszahlung stattgefunden. Der Landeshauptmann sei jedoch (aufgrund eines Missverständnisses) von einer einvernehmlichen Lösung der Entschädigungsfrage und somit der Entbehrlichkeit einer amtlichen Festsetzung von Entschädigungen durch die Wasserrechtsbehörde ausgegangen.

Die Nichtfestsetzung einer Entschädigung für die Mitbeteiligten beruhe lediglich auf Kommunikationsschwierigkeiten und sei offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen. Dieser Sachverhalt unterscheide sich deutlich von jenen, bei welchen der Verwaltungsgerichtshof davon ausgehe, dass durch die Nichtfestsetzung einer Entschädigung eine Entscheidung der Art gefallen sei, dass eine Entschädigung nicht zustehe (Hinweis auf das Erkenntnis vom 27. September 2000, Zl. 2000/07/0228).

Der Landeshauptmann hätte sich vor Bescheiderlassung von dem Vorliegen einer privatrechtlichen Vereinbarung über die Entschädigung überzeugen müssen, denn nur in diesem Fall wäre er von der Entschädigungsfestsetzung befreit gewesen. Aufgrund des Verfahrensfehlers der Behörde und der offenkundigen Rechtswidrigkeiten, die sich daraus ergäben, sei der angefochtene Spruchpunkt von Amts wegen zu beheben. Eine nachträgliche Festsetzung der Entschädigungsleistung durch das Verwaltungsgericht sei nicht möglich gewesen, weil in solchen Fällen gemäß § 117 Abs. 4 WRG 1959 der Rechtsweg von der Behörde zu den ordentlichen Gerichten vorgesehen sei.

Zum Ausspruch der Unzulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Verwaltungsgericht aus, dass im Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die getroffene Entscheidung weiche weder von der bisherigen Rechtsprechung ab, noch fehle es an einer Rechtsprechung, noch sei die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen.

4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

II.

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 4 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2. Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, dass das Verwaltungsgericht von der hg. Rechtsprechung abweiche: Wenn die Wasserrechtsbehörde - aus welchem Grund auch immer - keine Entschädigung festsetze, so stelle dies eine Entscheidung über die Entschädigung im Sinne des § 117 Abs. 1 WRG 1959 dar, konkret eine Entscheidung des Inhalts, dass keine Entschädigung zustehe. Auch wenn die Wasserrechtsbehörde eine Entschädigung deshalb nicht festsetze, weil sie fälschlicherweise davon ausgehe, dass mit allen betroffenen Grundeigentümern diesbezüglich privatrechtliche Übereinkommen erzielt worden seien, sei dies als negative Entscheidung über die Entschädigung zu beurteilen, gegen die das zuständige Zivilgericht nach § 117 WRG 1959 im Rahmen seiner sukzessiven Kompetenz angerufen werden könne. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes seien die Gründe, warum keine Entschädigung festgelegt worden sei, irrelevant.

3. Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht - worauf der Revisionswerber zutreffend hinweist - von der hg. Rechtsprechung abgewichen ist, derzufolge es auch eine Entscheidung über die Entschädigung iSd § 117 Abs. 1 WRG 1959 darstellt, wenn die Wasserrechtsbehörde keine Entschädigung festsetzt, und mit diesem Unterbleiben einer Entschädigungsfestsetzung eine Entscheidung des Inhalts getroffen wird, dass keine Entschädigung gebührt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. September 2000, Zl. 2000/07/0228, sowie vom 25. Mai 2000, Zl. 98/07/0195, jeweils mwN), wobei eine solche Entscheidung nach § 117 Abs. 4 WRG 1959 nur durch Anrufung des (Zivil‑)Gerichtes bekämpft werden kann.

4. Die Revision wendet sich in ihren Gründen im Wesentlichen dagegen, dass das Verwaltungsgericht allein wegen der Unterlassung der Festsetzung einer Entschädigung die von der Beschwerde bekämpfte Festlegung eines Wasserschutzgebietes behoben hat; damit habe das Verwaltungsgericht seine Entscheidungspflicht nach § 28 Abs. 2 VwGVG verletzt.

5. Mit diesem Vorbringen wird eine zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt.

5.1. Zunächst ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 2015, Zl. E 1193/2014, hinzuweisen, in dem Folgendes ausgesprochen wurde:

"Einem Bescheid, dessen Spruch expressis verbis ausschließlich ein Wasserschutzgebiet zum Schutz einer Wasserversorgungsanlage gemäß § 34 Abs 1 WRG 1959 festlegt, ohne unter einem explizit über die Entschädigung abzusprechen, darf - anders als dies der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung annimmt (vgl. VwGH 10.06.1997, 96/07/0205; 16.10.1999, 99/07/0105; 25.5.2000, 98/07/0195) - aus Rechtsschutzerwägungen keine (implizite) negative Erledigung von Entschädigungsbegehren Betroffener gemäß Abs 4 leg.cit. unterstellt werden."

Mit Blick auf dieses Erkenntnis hält der Verwaltungsgerichtshof seine unter Punkt II.3. wiedergegebene Rechtsprechung nicht aufrecht, sodass das bloße Unterbleiben der Festsetzung einer Entschädigung bei gleichzeitiger Festlegung eines Wasserschutzgebietes nicht (mehr) als Abweisung des Entschädigungsbegehrens zu deuten ist.

Dieser Ausspruch bedarf nicht einer Beschlussfassung durch einen verstärkten Senat gemäß § 13 Abs. 1 VwGG, weil die damit vorgenommene, von der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende Auslegung aufgrund einer vom Verfassungsgerichtshof für geboten erachteten verfassungskonformen Auslegung erforderlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. August 2011, Zl. 2010/06/0002 = VwSlg. 18.189A).

5.2. Im vorliegenden Fall wandte sich die Beschwerde der Mitbeteiligten ausschließlich gegen die mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 12. März 2014 vorgenommene (Neu‑)Festlegung des Wasserschutzgebietes nach § 34 WRG 1959.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine derartige Schutzgebietsfestlegung von der Entscheidung über die zu leistende Entschädigung nach § 34 Abs. 4 iVm § 117 WRG 1959 trennbar ist.

Dies ist zu bejahen:

Zwar soll nach der hg. Rechtsprechung die Trennung des Ausspruches über die Verpflichtung zur Duldung von Beschränkungen in der Bewirtschaftung und Benutzung von Grundstücken nach § 34 Abs. 1 WRG 1959 von der Bestimmung einer Entschädigungsleistung dem Gesetz entsprechend nur ausnahmsweise erfolgen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. September 2004, Zl. 2003/07/0098, sowie vom 12. Dezember 1996, Zl. 96/07/0036, jeweils mwN); dessen ungeachtet handelt es sich bei diesen zwei Aussprüchen um voneinander trennbare Entscheidungen, wofür schon die wesentliche Verschiedenheit des Rechtszuges gegen diese Entscheidungen spricht: Während eine Schutzgebietsfestsetzung (nunmehr) durch Beschwerde an das Verwaltungsgericht bekämpft werden kann, ist gegen die Entscheidung über die Entschädigung die Anrufung des (Zivil‑)Gerichtes nach § 117 Abs. 4 WRG 1959 eingeräumt (in diesem Sinn auch das bereits erwähnte Erkenntnis des VfGH zur Zl. E 1193/2014).

6. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt zu dem Ergebnis, dass die vom Verwaltungsgericht zu entscheidende Sache die (von der Beschwerde der Mitbeteiligten allein bekämpfte) Schutzgebietsfestlegung war, welche eine von der Festsetzung der Entschädigung trennbare Rechtssache ist.

Das Verwaltungsgericht war somit nicht berechtigt, den angefochtenen Bescheid mit der Begründung, die Entschädigungsfestsetzung sei unterblieben, zu beheben.

(Angemerkt sei, dass das Verwaltungsgericht die fehlende Entschädigungsentscheidung zu Recht nicht nachgeholt hat, hätte es doch damit die Sache des ihm vorliegenden Beschwerdeverfahrens überschritten.)

7. Das angefochtene Erkenntnis ist aus den genannten Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 29. Oktober 2015

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