VwGH 2013/17/0482

VwGH2013/17/048214.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Maga. Dr. Zehetner, Maga. Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Mag. Berger als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerden der T GmbH in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen die Bescheide der Vorarlberger Landesregierung je vom 24. Mai 2013, IIIa-241.181 (hg 2013/17/0482), und IIIa-241.182 (hg 2013/17/0483), betreffend (unter anderem) Zurückweisung der Berufungen im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Kriegsopferabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §13 Abs2;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §13 Abs2;
ZustG §16 Abs2;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden im Umfang der Zurückweisung der Berufungen wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 2.692,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Bürgermeister der Marktgemeinde H setzte mit Bescheiden vom 20. Juli 2011 die von der beschwerdeführenden Partei (im Folgenden: Beschwerdeführerin) einerseits auf Grund des Vorarlberger Kriegsopferabgabegesetzes zu entrichtende Kriegsopferabgabe und andererseits auf Grund des Vorarlberger Gemeindevergnügungssteuergesetzes und der Verordnung der Marktgemeinde H über die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf Wettterminals zu entrichtende Gemeindevergnügungssteuer jeweils für das Aufstellen oder den Betrieb von Wettterminals an zwei Standorten für den Zeitraum März bis Juni 2011 mit bestimmten Beträgen fest.

Die Zustellung der Bescheide wurde im Postweg mit RSb-Briefen veranlasst. In den Rückscheinen wurde die Empfangnahme der Sendungen am 21. Juli 2011 durch einen "Arbeitnehmer" des Empfängers bestätigt.

2.1. Mit Eingaben vom 31. Oktober 2011 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob zugleich Berufungen gegen die Bescheide vom 20. Juli 2011. Sie brachte vor, eine wirksame Zustellung sei nicht erfolgt. Die Bescheide seien von B K - einer Mitarbeiterin der O GmbH (mit Sitz an derselben Anschrift) - übernommen worden. B K sei jedoch keine Angestellte der Beschwerdeführerin, deren Büro zudem am 21. Juli 2011 geschlossen gewesen sei. Eine wirksame Zustellung sei daher erst am 18. Oktober 2011 an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin erfolgt.

2.2. Mit Bescheiden vom 11. November 2011 wies der Bürgermeister die Wiedereinsetzungsanträge als unbegründet ab. Er führte aus, dass am 21. Juli 2011 eine wirksame Zustellung stattgefunden habe. Zwar sei eine Ersatzzustellung nicht erfolgt, weil B K Dienstnehmerin der O GmbH sei. Die Übernahme der Post für die Beschwerdeführerin impliziere jedoch, dass sie dazu ausdrücklich berechtigt gewesen und dies auch gelebte Praxis gewesen sei. Im Übrigen sei auf Grund der engen Verflechtungen der Gesellschaften (W P sei Angestellter der Beschwerdeführerin und zugleich geschäftsführender Hälftegesellschafter der O GmbH; der Ehemann der anderen Hälftegesellschafterin sei geschäftsführender Alleingesellschafter der J GmbH und jene wiederum Alleingesellschafterin der Beschwerdeführerin) davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin Kenntnis von der Zustellung erlangt habe und allfällige Mängel geheilt seien.

2.3. In den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen vom 15. Dezember 2011 machte die Beschwerdeführerin neuerlich geltend, dass am 21. Juli 2011 eine wirksame Zustellung nicht erfolgt sei. B K sei als Dienstnehmerin der O GmbH zur Übernahme von Sendungen für die Beschwerdeführerin nicht berechtigt gewesen. Die Gesellschaften firmierten zwar unter derselben Anschrift, hätten aber jeweils eine eigene Rechtspersönlichkeit und gesonderte Büros, auf die dargelegten Verflechtungen der Unternehmen komme es nicht an. Nach den Beweisergebnissen sei auch nicht davon auszugehen, dass die Bescheide der Beschwerdeführerin tatsächlich zugekommen seien.

In späteren Eingaben brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, B K habe auch über keine Postbevollmächtigung verfügt.

Die Beschwerdeführerin beantragte in ihren Berufungen ferner die Einvernahme der Zeugen B K und W P.

3.1. Mit Beschluss vom 7. November 2012 (ausgefertigt mit Bescheiden vom 9. November 2012) wies die Abgabenkommission der Marktgemeinde H die Berufungen gegen die Bescheide des Bürgermeisters vom 11. November 2011 als unbegründet ab.

Die Abgabenkommission führte dazu im Wesentlichen aus wie der Bürgermeister in seinen Bescheiden. Ergänzend hielt sie fest, dass gemäß den Erhebungen bei der Post die Büros der Beschwerdeführerin und der O GmbH direkt nebeneinander gelegen seien, eine eindeutige Zuordnung sei nicht erkennbar. Der Zusteller gebe die Sendungen in jenem Büro ab, wo sich gerade jemand befinde, das seien zumeist B K oder C O (beide Dienstnehmerinnen der O GmbH), welche die Schriftstücke anstandslos entgegennähmen. Die Übernahme durch die Genannten und der Hinweis auf deren Eigenschaft als Arbeitnehmer des Empfängers in den Rückscheinen weise auf eine entsprechende interne Anordnung hin. Dies werde auch durch die - ebenso von B K oder C O als Arbeitnehmer, zum Teil auch als Bevollmächtigte für RSb-Briefe unterfertigten - Rückscheine über Zustellungen in anderen Verfahren bestätigt. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, die gegenständlichen Zustellungen seien nicht rechtswirksam und es liege auch keine Postbevollmächtigung vor, sei daher nicht zu folgen, vielmehr sei von einer entsprechenden Berechtigung auszugehen. Im Übrigen sei B K zwar nicht formalrechtlich, wohl aber auf Grund des Naheverhältnisses zwischen den Gesellschaften als Bedienstete der Beschwerdeführerin zu erachten, sodass eine gültige Ersatzzustellung gegeben sei. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der Mangel auch durch das tatsächliche Zukommen geheilt. B K habe nämlich die Bescheide noch am 21. Juli 2011 an W P ausgefolgt, womit die Sendungen in die Verfügungsmacht der Beschwerdeführerin gelangt seien.

3.2. In den gegen diese Bescheide erhobenen Vorstellungen führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus wie in ihren Berufungen vom 15. Dezember 2011. 3.3. Mit Bescheiden vom 24. Mai 2013 gab die belangte Behörde den Vorstellungen teilweise Folge und hob die bekämpften Bescheide insoweit auf, als sie sich auf die Wiedereinsetzungsanträge im Verfahren über die Festsetzung der Kriegsopferabgabe bezogen. Im Übrigen wies sie die Vorstellungen als unbegründet ab.

Sie führte zur Aufhebung aus, nach dem Vorarlberger Abgabengesetz sei zur Verwaltung und Vollstreckung in Ansehung der Landesabgaben in zweiter Instanz die Landesregierung zuständig. Bei der Kriegsopferabgabe handle es sich um eine Landesabgabe, sodass Berufungsinstanz die Landesregierung sei. Die Unzuständigkeit der Abgabenkommission sei daher von Amts wegen aufzugreifen und führe zur (teilweisen) Aufhebung der Bescheide.

4.1. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden (gleichfalls vom 24. Mai 2013) wies die Vorarlberger Landesregierung als belangte Behörde die Berufungen gegen die Bescheide des Bürgermeisters vom 11. November 2011, soweit sie die Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge im Verfahren über die Festsetzung der Kriegsopferabgabe betreffen, als unbegründet ab (Spruchpunkt I.); unter einem wies sie die Berufungen gegen die Bescheide vom 20. Juli 2011 über die Festsetzung der Kriegsopferabgabe als nicht fristgerecht eingebracht zurück (Spruchpunkt II.).

4.2. Die belangte Behörde ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Die "Zustellung" der Bescheide vom 20. Juli 2011 sei mit RSb-Briefen am 21. Juli 2011 erfolgt. Die Sendungen seien von B K übernommen worden, diese habe die Rückscheine mit dem Vermerk "Arbeitnehmer" unterfertigt. Nach erfolgloser Mahnung und Bewilligung der Exekution seien die Bescheide am 18. Oktober 2011 (nochmals) an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin übermittelt worden, der daraufhin die Wiedereinsetzungsanträge und Berufungen eingebracht habe.

Die Beschwerdeführerin und die O GmbH hätten ihre Firmensitze an derselben Anschrift. Laut Mitteilung der Post befänden sich die Büroräume im gleichen Gebäude nebeneinander, eine eindeutige Zuordnung sei nicht erkennbar. Der Zusteller gebe die Sendungen in jenem Büro ab, wo sich gerade jemand befinde, dies seien zumeist B K und C O. Die beiden würden die Schriftstücke anstandslos entgegennehmen und dies auch bestätigen. Beide seien angemeldete Angestellte der O GmbH, hätten sich aber als Arbeitnehmerinnen der Empfängerin deklariert und die Annahme nicht verweigert.

Aus den Rückscheinen über Zustellungen in anderen Verfahren gehe hervor, dass B K und C O diverse RSb-Sendungen für die Beschwerdeführerin übernommen hätten: So habe B K am 28. April und am 1. August 2011 Sendungen entgegengenommen, wobei sie in den Rückscheinen als Bevollmächtigte für RSb-Briefe bzw als Arbeitnehmerin angeführt worden sei. C O habe am 21. April,

30. und 31. Mai, 1. Juni, 31. August, 21. Oktober 2011 und am 23. Jänner 2012 (zum Teil mehrere) Sendungen übernommen, wobei sie in den Rückscheinen jeweils als Arbeitnehmerin ausgewiesen worden sei.

Die Beschwerdeführerin habe in den oben genannten Fällen in ihren Rechtsmitteln keine Einwände wegen unwirksamer Zustellung erhoben, sie habe auch keine Änderung der Zustellpraxis veranlasst.

4.3. Rechtlich folgerte die belangte Behörde zum Spruchpunkt I., ein Wiedereinsetzungsantrag sei gegen eine nachteilige Fristversäumung gerichtet. Die Beschwerdeführerin habe ihre Anträge damit begründet, dass keine wirksamen Zustellungen erfolgt seien. Eine solche Antragstellung sei jedoch verfehlt, weil bei einer unwirksamen Zustellung gar keine Frist versäumt worden wäre. Die Wiedereinsetzungsanträge seien daher abzuweisen gewesen.

Zum Spruchpunkt II. führte die belangte Behörde aus, die Bescheide seien durch Ersatzzustellung im Sinn des § 16 ZustG an

B K als Arbeitnehmerin der Beschwerdeführerin wirksam zugestellt worden. Laut der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 13. November 2012, 2010/05/0027, komme es für die Arbeitnehmereigenschaft darauf an, dass eine Tätigkeit einvernehmlich, also mit Wissen und Willen des Arbeitgebers, entfaltet werde. Die Einbindung in die betriebliche Organisation müsse so beschaffen sein, dass eine Entgegennahme von Sendungen üblicherweise erfolge und vom Adressaten akzeptiert werde. Vorliegend sei es offenbar gang und gäbe gewesen und von der Beschwerdeführerin zur Kenntnis genommen worden, dass B K und C O als Angestellte der O GmbH Sendungen für die Beschwerdeführerin (entweder als deren Arbeitnehmerin oder Bevollmächtigte für RSb-Sendungen) entgegengenommen hätten. Die beiden hätten die Schriftstücke nicht widerrechtlich zurückbehalten, seien doch von der Beschwerdeführerin jeweils rechtzeitig Rechtsmittel erhoben worden. Folglich sei die Übernahme durch B K und C O üblicherweise erfolgt und von der Beschwerdeführerin akzeptiert worden. B K sei daher als Arbeitnehmerin im Sinn des § 16 Abs 2 ZustG zu erachten, sodass die Bescheide wirksam zugestellt worden seien. Da die Beschwerdeführerin die Rechtsmittel erst nach Fristablauf am 31. Oktober 2011 eingebracht habe, seien diese als verspätet zurückzuweisen.

5. Gegen den Spruchpunkt II. dieser Bescheide wenden sich die Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit einem Aufhebungsantrag.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerden.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Verbindung der Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - erwogen:

Gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF BGBl I Nr 122/2013 sind - soweit das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz nicht anderes bestimmt - die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

7.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, eine wirksame Zustellung sei nicht erfolgt. B K sei Arbeitnehmerin der O GmbH und nicht der Beschwerdeführerin gewesen, sie habe auch über keine Postbevollmächtigung verfügt. Der konkrete Fall sei mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs 2010/05/0027 nicht vergleichbar, weil es dort um eine Mitarbeiterin in der gemeinsamen Einlaufstelle mehrerer Unternehmen mit vertraglicher Verpflichtung zur Entgegennahme aller Postsendungen und mit Unterwerfung unter die Firmenstruktur der gesamten Unternehmensgruppe gegangen sei, wohingegen hier keine gemeinsame Einlaufstelle und auch keine Verpflichtung (Obliegenheit) bzw Berechtigung der B K zur Übernahme von Sendungen an die Beschwerdeführerin bestanden habe. Die Beschwerdeführerin habe nicht gewollt und (im Hinblick auf die Rücksendung der Rückscheine an die Behörde) auch nicht gewusst, dass B K unbefugt Postsendungen für sie übernommen habe. Bei den gegebenen Beweisen sei weiters nicht davon auszugehen, dass die Bescheide tatsächlich rechtzeitig zugekommen seien.

Als wesentliche Verfahrensmängel rügt die Beschwerdeführerin, dass die Einvernahme der Zeugen B K und W P unterblieben sei. Ferner macht sie eine Verletzung des Parteiengehörs geltend, weil - ihr nicht bekannte - Zustellnachweise aus anderen Verfahren herangezogen worden seien.

7.2. Den Beschwerden kommt Berechtigung zu.

Unstrittig ist, dass die Rechtzeitigkeit der Berufungen vom 31. Oktober 2011 davon abhängt, ob die Bescheide am 21. Juli 2011 an B K oder - wie die Beschwerdeführerin behauptet - erst am 18. Oktober 2011 an ihren Vertreter rechtswirksam zugestellt wurden. Für das Vorliegen einer rechtsgültigen Zustellung zum erstgenannten Zeitpunkt ist entscheidend, ob B K zur Empfangnahme der Sendungen berechtigt war. Eine solche Berechtigung könnte sich entweder aus einer Postbevollmächtigung im Sinn des § 13 Abs 2 ZustG (vgl dazu näher Punkt 8.), wobei dieser Tatbestand vorrangig zu prüfen ist (VwGH vom 18. März 2004, 2001/03/0003), oder aus der Eigenschaft als Ersatzempfängerin (Arbeitnehmerin) im Sinn des § 16 Abs 2 ZustG (vgl dazu näher Punkt 9.) ergeben.

Weiters ist entscheidend, ob allfällige Zustellmängel durch ein tatsächliches Zukommen im Sinn des § 7 ZustG geheilt wurden und die Berufungen deshalb verspätet sind (vgl dazu Punkt 10.).

8.1. § 13 ZustG ("Zustellung an den Empfänger") sieht in Abs 1 vor, dass das Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen ist; nach Abs 3 ist - wenn der Empfänger keine natürliche Person ist - einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

§ 13 Abs 2 ZustG ordnet an, dass bei Zustellungen (unter anderem) durch Organe eines Zustelldienstes auch an eine diesem gegenüber zur Empfangnahme bevollmächtigte Person zugestellt werden darf, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf dem Dokument ausgeschlossen ist.

8.2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 5 Ob 2270/96a vom 24. September 1996, sowie RIS-Justiz RS0106117 mwN) kann eine Bevollmächtigung im Sinn des § 13 Abs 2 ZustG insbesondere durch eine förmliche Postvollmacht, aber auch auf andere Weise erfolgen, so durch eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht, ohne dabei an besondere Formvorschriften gebunden zu sein (vgl OGH 7 Ob 234/05w vom 19. Oktober 2005, sowie RIS-Justiz RS0106117 (T1); Gitschthaler in Rechberger, Kommentar zur ZPO4, § 87 (§ 13 ZustG) Rz 2; vgl im Ergebnis auch das hg Erkenntnis vom 27. März 2008, 2006/11/0097). Eine solche Bevollmächtigung muss auch nicht gegenüber der Post erklärt werden, sondern nur gegenüber dieser - das heißt in Bezug auf diese - bestehen (vgl OGH RIS-Justiz RS0106118).

8.3. Vorliegend durfte der Zusteller - mangels eines Ausschlussvermerks auf den Sendungen - die Bescheide gemäß § 13 Abs 2 ZustG an eine zur Empfangnahme solcher RSb-Briefe berechtigte Person übergeben.

Da das Vorliegen einer (förmlichen) Postvollmacht nicht behauptet wurde und auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte hervorgekommen sind, könnte sich eine Berechtigung der B K zur Übernahme der Sendungen nur aus einer rechtsgeschäftlich erteilten Bevollmächtigung im Sinn der vorangehenden Erörterungen ergeben. Hinreichende Feststellungen über das allfällige Vorliegen einer solchen Bevollmächtigung wurden freilich nicht getroffen.

Die Feststellungen lassen jedenfalls keine Beurteilung zu, ob sich aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin - eindeutig und zwingend - die Abgabe einer zur Empfangnahme der Sendungen berechtigenden Willenserklärung ergibt oder nicht. Der Hinweis, die Beschwerdeführerin habe in anderen Fällen keine unwirksame Zustellung eingewendet und keine Änderung "der Zustellpraxis" veranlasst - wobei aber vor den hier zu beurteilenden Zustellvorgängen nur eine einzige Übernahme durch B K (am 28. April 2011) konkret festgehalten wurde -, reicht nicht aus.

8.4. Im weiteren Verfahren sind daher nach Verfahrensergänzung (Vernehmung der Zeugen B K und W P sowie förmlicher Gewährung des Parteiengehörs auch zum Ergebnis der amtswegigen Erhebungen) die gebotenen Feststellungen zu treffen. Auf deren Grundlage wird sodann das (allfällige) Vorliegen einer Empfangsberechtigung im Sinn des § 13 Abs 2 ZustG zu beurteilen sein.

9.1. § 16 ZustG ("Ersatzzustellung") normiert in Abs 1, dass - wenn das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist - an diesen zugestellt werden darf, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinn des § 13 Abs 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Gemäß § 16 Abs 2 ZustG kann Ersatzempfänger jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder (unter anderem) dessen Arbeitnehmer ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

9.2. Vorliegend ist unstrittig, dass die Sendungen einem Vertreter der Beschwerdeführerin im Sinn des § 13 Abs 3 ZustG an der Abgabestelle nicht zugestellt werden konnten. Der Zusteller konnte mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - die behauptete Schließung des Büros am 21. Juli 2011 stellte bloß eine vorübergehende kurzfristige Abwesenheit dar (vgl OGH RIS-Justiz RS0083895) - davon ausgehen, dass sich ein Vertreter regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Demnach sind sämtliche Voraussetzungen - mit Ausnahme der noch näher zu erörternden Arbeitnehmereigenschaft der B K - für eine Ersatzzustellung gegeben.

9.3. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 2 Ob 118/10g vom 15. September 2010, sowie RIS-Justiz RS0038017 mwN) ist Arbeitnehmer im Sinn des § 16 Abs 2 ZustG, wer in einem Dienstverhältnis zum Empfänger - der auch eine juristische Person sein kann - steht, mag dies entgeltlich oder unentgeltlich sein, wobei die Merkmale der Abhängigkeit und Unselbständigkeit des Übernehmers zum Empfänger vorliegen müssen (vgl auch Gitschthaler aaO, § 87 (§ 16 ZustG) Rz 5/2, sowie Stumvoll in Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, § 16 ZustG Rz 18 f, je mwN).

Von diesen Anforderungen ging erkennbar auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. November 2012, 2010/05/0027, aus, lag doch der Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die Übernehmerin - obzwar nicht Angestellte der Empfängerin, sondern einer anderen GmbH - Mitarbeiterin in der gemeinsamen Einlaufstelle sämtlicher an der Abgabestelle situierten Unternehmen war, wobei ihr die Entgegennahme der Post für alle Unternehmen oblag und sie damit in die innerbetriebliche Organisationsstruktur auch der Empfängerin derart - im Sinn einer Abhängigkeit bzw Unselbständigkeit - eingebunden war, dass sie als Arbeitnehmerin im Sinn des § 16 Abs 2 ZustG zu qualifizieren war.

9.4. Dem stehen die weiteren Ausführungen im hg Erkenntnis 2010/05/0027, wonach die Rechtsgrundlage und die Un- /Entgeltlichkeit des Beschäftigungsverhältnisses unerheblich sind, sofern die Arbeitsleistung nur einvernehmlich (mit Wissen und Willen des Arbeitgebers) erbracht wird, und wonach es auf eine ausdrückliche Ermächtigung zur Postübernahme nicht ankommt, sofern diese nur üblicherweise erfolgte und von der Empfängerin akzeptiert wurde, nicht entgegen.

Diese Ausführungen ziehen jedenfalls nicht in Zweifel, dass die Vornahme einer Ersatzzustellung nur bei Vorliegen eines Dienstverhältnisses im oben dargelegten Sinn in Betracht kommt, dieses also zwingende Voraussetzung für die Vornahme einer Ersatzzustellung ist.

Im Sinn der aufgezeigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es für das Vorliegen (Nichtvorliegen) eines Dienstverhältnisses darauf an, ob Merkmale der Abhängigkeit bzw Unselbständigkeit der B K zur Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der zu beurteilenden Zustellungen vorlagen. Diesbezügliche Feststellungen - etwa ob B K die Postübernahme (womöglich im Rahmen einer gemeinsamen Einlaufstelle) oblag, ob ihre Tätigkeit durch die Beschwerdeführerin näher determiniert wurde, ob sie in die Firmenstruktur der Beschwerdeführerin eingebunden war etc - wurden aber nicht getroffen.

Im weiteren Verfahren sind daher nach ergänzender Beweisaufnahme (Einvernahme der beantragten Zeugen B K und W P) die notwendigen Feststellungen zu treffen. Auf deren Grundlage wird sodann zu beurteilen sein, ob B K als Arbeitnehmerin im Sinn des § 16 Abs 2 ZustG zu qualifizieren ist und ob daher wirksame Ersatzzustellungen erfolgt sind oder nicht.

10.1. Gemäß § 7 ZustG ("Heilung von Zustellmängeln") gilt die "Zustellung" bei Unterlaufen von Mängeln als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

10.2. Die belangte Behörde hat auch insofern keine Feststellungen getroffen und keine entsprechenden Beweise aufgenommen. Dies wird - sollten sich rechtswirksame Zustellungen nicht schon nach den oben erörterten Tatbeständen der §§ 13, 16 ZustG ergeben - im weiteren Verfahren nachzuholen sein.

11. Insgesamt waren daher die angefochtenen Bescheide wegen prävalierender Rechtswidrigkeit ihres Inhalts (Fehlen wesentlicher Feststellungen auf Grund irriger Rechtsansicht) nach § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

12. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455, die gemäß § 3 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, idF BGBl II Nr 8/2014, weiter anzuwenden ist.

Wien, am 14. Oktober 2015

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